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Ausländische Akteure befeuern innere Spannungen in Mazedonien | NZZ

Ausländische Akteure befeuern innere Spannungen in Mazedonien

Die institutionelle Krise in Mazedonien droht in ethnische Spannungen umzuschlagen. Eine gefährliche Rolle spielt dabei der Präsident. Die EU verliert zunehmend ihre Fähigkeit zur Vermittlung.

Andreas Ernst, Belgrad
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Er könne dieser Koalition nicht zustimmen, sagte Ivanov. (Bild: Darko Vojinovic / Keystone)

Er könne dieser Koalition nicht zustimmen, sagte Ivanov. (Bild: Darko Vojinovic / Keystone)

Es war ein Paukenschlag, als sich der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov am Mittwoch weigerte, den Sozialdemokraten den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben – obwohl diese zusammen mit drei ethnisch-albanischen Parteien die Mehrheit im Parlament hat. Er könne dieser Koalition nicht zustimmen, sagte Ivanov. Sie verfolge ein Programm, das im Ausland ersonnen worden sei und die Einheit des Landes gefährde. Die albanischen Parteien – sie repräsentieren eine ethnische Minderheit von 25 Prozent – hatten sich in Albaniens Hauptstadt Tirana auf eine Plattform geeinigt: Albanisch solle zweite Landessprache werden, und die wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Landesteilen seien abzubauen. Ivanovs Schritt rief Brüssel und Washington auf den Plan. Aber auch Tirana und Moskau meldeten sich seither scharf zu Wort – alle mit unterschiedlichen Motiven. Die Einmischungen könnten die Krise verlängern und vertiefen.

Angst vor der Justiz

Seit zwei Jahren geht ein tiefer Riss durch Mazedonien. Ein Abhörskandal hatte publik gemacht, dass die seit einer Dekade regierende nationalkonservative VMRO-Partei unter Ministerpräsident Nikola Gruevski die Institutionen des Staates usurpiert und sich schamlos bereichert hatte. Wahlen im Dezember hätten einen Neuanfang ermöglichen sollen, doch sie endeten im Patt. Die VMRO will eine Regierung der Sozialdemokraten um jeden Preis verhindern. Ihre Führung fürchtet, dass sie andernfalls hinter Gittern landet.

Dabei zählt sie auf Präsident Ivanov als willigen Helfer. Dessen Bedenken gegen die Koalition sind dabei nur ein Vorwand. Am Donnerstag forderte die angereiste EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini den Präsidenten auf, die Verfassung zu respektieren und die Regierungsbildung den Sozialdemokraten anzuvertrauen. Die institutionelle Krise dürfe sich keinesfalls zu einem interethnischen Konflikt ausweiten. Der amerikanische Botschafter in Mazedonien stiess ins gleiche Horn.

Doch die euroatlantische Partnerschaft, die 2001 das Land knapp am Ausbruch eines Bürgerkriegs vorbeimanövriert hatte, ist nicht ganz ungetrübt: In Zeitungsartikeln und Webportalen diffamieren konservative Kongressabgeordnete in Washington den amerikanischen Botschafter als Mann Obamas und Lakai der Soros-Stiftung. Mit amerikanischen Steuergeldern werde Mazedonien nach links gesteuert. Damit stellen sie die Autorität des Botschafters infrage und zeigen eine mögliche alternative Politik Washingtons auf. Hinter den Wortmeldungen stehen Lobby-Firmen, welche die VMRO in den USA angeheuert hat. Aber auch Albanien bringt sich ins Stellung. Nach einer Sondersitzung der Regierung am Donnerstag sagte Aussenminister Ditmir Bushati, die Albaner seien eine staatstragende Nation in Mazedonien. Albanien sei seit je an der Entstehung des Nachbarlands beteiligt gewesen, und das werde so bleiben. Der Regierungschef Edi Rama drohte direkter: ohne Albaner kein Mazedonien.

Auch Russland mischt mit

Russland hat ebenfalls sein Interesse an Mazedonien entdeckt, seit die Anziehungskraft der EU schwindet. Moskau kritisierte die in Tirana entworfene «albanische Plattform»; diese werde dem Land von der EU und der Nato aufgezwungen. Dahinter stünden grossalbanische Ambitionen, die auch die territoriale Integrität Serbiens, Montenegros und Griechenlands gefährdeten. Auch Sputnik, eine russisch gesponserte Plattform, räumt der Kritik an George Soros viel Platz ein. Seine Organisation stehe hinter den regierungsfeindlichen Demonstrationen der letzten Jahre und dem Versuch, «eine farbige Revolution» nach dem Vorbild der Ukraine und Georgiens gegen Gruevskis Herrschaft anzuzetteln. Die ausländische Einmischung in Mazedonien müsse aufhören.

Die divergierenden Positionen heizen den Konflikt an. Entscheidend wird sein, wieweit die Autorität der EU-Aussenbeauftragten noch trägt. Das Gewicht der EU auf dem Balkan hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Stattdessen wurde jenes einzelner Hauptstädte wichtiger. Im Dezember hatte der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz Wahlkampfhilfe für Gruevski betrieben, während Berlin auf dessen Abwahl hoffte. Mazedonien ist ein wichtiges Land für die Stabilität auf dem südlichen Balkan. Es liegt an der Balkan-Flüchtlingsroute und hält diese an der Grenze zu Griechenland geschlossen. Seine fragile Existenz hängt seit je davon ab, ob der Staat einen Ausgleich zwischen der mazedonischen Mehrheit und der albanischen Minderheit zustande bringt. Eskaliert die Krise, ist der Friede zwischen den Volksgruppen akut gefährdet.