„Winkelgeschwindigkeit“ – Versionsunterschied

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== Definitionen ==
== Definitionen ==
=== Winkelgeschwindigkeit ===
=== Winkelgeschwindigkeit ===
[[Datei:KinematikKreisbewegung.png|thumb|Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega</math> und Bahngeschwindigkeit <math>\vec v</math> der Kreisbewegung]]
[[Datei:KinematikKreisbewegung.png|mini|Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega</math> und Bahngeschwindigkeit <math>\vec v</math> der Kreisbewegung]]
Die Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega</math> wird durch einen [[Pseudovektor]] dargestellt, der die Richtung der Drehachse und die Schnelligkeit der Rotationsbewegung angibt. Die Richtung des Pseudovektors ist so orientiert, dass sie gemäß der [[Korkenzieherregel]] die Rotationsrichtung angibt. Der [[Vektor#Länge/Betrag eines Vektors|Betrag]] der Winkelgeschwindigkeit <math>\omega = \left|\vec\omega\right|</math> ist gleich der [[Differentialrechnung|Ableitung]] des Rotationswinkels <math>\varphi</math> nach der Zeit <math>t</math>:
Die Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega</math> wird durch einen [[Pseudovektor]] dargestellt, der die Richtung der Drehachse und die Schnelligkeit der Rotationsbewegung angibt; sie gilt für jeden Punkt des rotierenden Systems, ihr Vektor ist nicht nur in der Rotationsachse platziert. Die Richtung des Pseudovektors ist so orientiert, dass sie gemäß der [[Korkenzieherregel]] die Rotationsrichtung angibt. Der [[Vektor#Länge/Betrag eines Vektors|Betrag]] der Winkelgeschwindigkeit <math>\omega = \left|\vec\omega\right|</math> ist gleich der [[Differentialrechnung|Ableitung]] des Rotationswinkels <math>\varphi</math> nach der Zeit <math>t</math>:


:<math>\omega = \frac{\mathrm d\varphi}{\mathrm dt}</math>
:<math>\omega = \frac{\mathrm d\varphi}{\mathrm dt}\;.</math>
Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit gilt daher
Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit gilt daher
:<math>\omega = \frac{2\pi}{T}</math>,
:<math>\omega = \frac{2\pi}{T}</math>,
denn in der Umlaufzeit <math>T</math> wird der Winkel 2<math>\pi</math> durchlaufen.
denn in der Umlaufzeit <math>T</math> wird der Winkel 2<math>\pi</math> durchlaufen.


Bei einer ebenen Kreisbewegung ändert sich die Richtung die momentanen Bahngeschwindigkeit eines Punktes mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie der Radiusvektor des Punktes. Bei einer im Raum gekrümmten Bahnkurve gilt dies für den momentanen Krümmungskreis. Die Änderung der Richtung der Bahngeschwindigkeit kann man daher genauso gut zu einer Definition der Winkelgeschwindigkeit nutzen. Sie ergibt sich direkt aus den Daten der Bahn und erfordert keine Bestimmung einer Drehachse.
Bei einer ebenen Kreisbewegung ändert sich die Richtung der momentanen Bahngeschwindigkeit eines Punktes mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie der Radiusvektor des Punktes. Bei einer im Raum gekrümmten Bahnkurve gilt dies für den momentanen Krümmungskreis. Die Änderung der Richtung der Bahngeschwindigkeit kann man daher genauso gut zu einer Definition der Winkelgeschwindigkeit nutzen. Sie ergibt sich direkt aus den Daten der Bahn und erfordert keine Bestimmung einer Drehachse.


Der Betrag <math>\omega</math> der Winkelgeschwindigkeit wird meist bei Vorgängen verwendet, bei denen sich die Drehachse nicht ändert. Eine Änderung von Richtung und/oder Betrag der Winkelgeschwindigkeit ist Folge einer [[Winkelbeschleunigung]].
Der Betrag <math>\omega</math> der Winkelgeschwindigkeit wird meist bei Vorgängen verwendet, bei denen sich die Drehachse nicht ändert. Eine Änderung von Richtung und/oder Betrag der Winkelgeschwindigkeit ist Folge einer [[Winkelbeschleunigung]].
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Die Winkelgeschwindigkeit gibt die Änderungsrate eines geometrischen Winkels an und wird im Zusammenhang von Drehbewegungen verwendet.
Die Winkelgeschwindigkeit gibt die Änderungsrate eines geometrischen Winkels an und wird im Zusammenhang von Drehbewegungen verwendet.


Die Kreisfrequenz dagegen ist eine abstrakte Größe im Kontext von Schwingungen.<ref name="KnaebelJäger2009">{{Literatur |Autor=Manfred Knaebel, Helmut Jäger, Roland Mastel |Titel=Technische Schwingungslehre |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2009 |Seiten=8 ff. |ISBN=978-3-8351-0180-7 |Online=[http://books.google.com/books?id=8BIvfpZO-hMC&pg=PA8 books.google.com.]}}</ref> Eine Schwingung kann mathematisch durch einen rotierenden Zeiger dargestellt werden (siehe [[Zeigermodell]]). Der Winkel des Zeigers wird als Phase oder Phasenwinkel bezeichnet.<ref>{{Literatur |Autor=Jürgen Eichler |Titel=Physik. Grundlagen für das Ingenieurstudium – kurz und prägnant |Verlag=Springer DE |Datum=2011 |ISBN=978-3-8348-9942-2 |URN=nbn:de:1111-20110310734 |Seiten=112 |Online={{Google Buch |BuchID=rqrjD7PL4ngC |Seite=112}}}}</ref> Die Änderungsgeschwindigkeit dieses Phasenwinkels ist die Kreisfrequenz. Sie ist also –&nbsp;wie auch die [[Frequenz]]&nbsp;– ein Maß dafür, wie schnell eine Schwingung abläuft und hat –&nbsp;abgesehen von der Rotation des gedachten Zeigers&nbsp;– nichts mit einer Drehbewegung zu tun.
Die Kreisfrequenz dagegen ist eine abstrakte Größe im Kontext von Schwingungen.<ref name="KnaebelJäger2009">{{Literatur |Autor=Manfred Knaebel, Helmut Jäger, Roland Mastel |Titel=Technische Schwingungslehre |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2009 |Seiten=8 ff. |ISBN=978-3-8351-0180-7 |Online=[https://books.google.de/books?id=8BIvfpZO-hMC&pg=PA8&redir_esc=y&hl=de books.google.com.]}}</ref> Eine Schwingung kann mathematisch durch einen rotierenden Zeiger dargestellt werden (siehe [[Zeigermodell]]). Der Winkel des Zeigers wird als Phase oder Phasenwinkel bezeichnet.<ref>{{Literatur |Autor=Jürgen Eichler |Titel=Physik. Grundlagen für das Ingenieurstudium – kurz und prägnant |Verlag=Springer DE |Datum=2011 |ISBN=978-3-8348-9942-2 |URN=nbn:de:1111-20110310734 |Seiten=112 |Online={{Google Buch |BuchID=rqrjD7PL4ngC |Seite=112}}}}</ref> Die Änderungsgeschwindigkeit dieses Phasenwinkels ist die Kreisfrequenz. Sie ist also –&nbsp;wie auch die [[Frequenz]]&nbsp;– ein Maß dafür, wie schnell eine Schwingung abläuft und hat –&nbsp;abgesehen von der Rotation des gedachten Zeigers&nbsp;– nichts mit einer Drehbewegung zu tun.


== Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls ==
== Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls ==
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Der Geschwindigkeitsvektor '''v''' eines Teilchens&nbsp;P relativ zu einem Beobachter&nbsp;O kann in [[Polarkoordinaten]] zerlegt werden. Die [[Radialgeschwindigkeit|radiale Komponente]] des Geschwindigkeitsvektors ändert die Richtung des [[Fahrstrahl|Sehstrahls]] nicht. Zwischen der [[Tangentialgeschwindigkeit|tangentialen Komponente]] und der Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls besteht die Beziehung:
Der Geschwindigkeitsvektor '''v''' eines Teilchens&nbsp;P relativ zu einem Beobachter&nbsp;O kann in [[Polarkoordinaten]] zerlegt werden. Die [[Radialgeschwindigkeit|radiale Komponente]] des Geschwindigkeitsvektors ändert die Richtung des [[Fahrstrahl|Sehstrahls]] nicht. Zwischen der [[Tangentialgeschwindigkeit|tangentialen Komponente]] und der Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls besteht die Beziehung:


:<math>\mathrm{v}_\perp=\frac{d\phi}{dt}\,r=\omega\cdot r</math>
:<math>\mathrm{v}_\perp=\frac{\mathrm d\phi}{\mathrm dt}\,r=\omega\cdot r\;.</math>


Es ist anzumerken, dass die Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt.
Es ist anzumerken, dass die Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt.
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Wie im zweidimensionalen Fall hat das Teilchen eine Komponente seines Geschwindigkeitsvektors in Richtung des Radiusvektors und eine weitere senkrecht dazu. Die [[Parameterform#Parameterform einer Ebenengleichung|Ebene]] mit Stützvektor <math>\vec 0</math> (Ort des Beobachters) und Richtungsvektoren <math>\vec r</math> und <math>\vec v_\perp</math> definiert eine Rotationsebene, in der das Verhalten des Teilchens für einen Augenblick wie im zweidimensionalen Fall erscheint. Die Rotationsachse ist dann senkrecht zu dieser Ebene und definiert die Richtung des Vektors der momentanen Winkelgeschwindigkeit. Radius- und Geschwindigkeitsvektor werden als bekannt vorausgesetzt. Es gilt dann:
Wie im zweidimensionalen Fall hat das Teilchen eine Komponente seines Geschwindigkeitsvektors in Richtung des Radiusvektors und eine weitere senkrecht dazu. Die [[Parameterform#Parameterform einer Ebenengleichung|Ebene]] mit Stützvektor <math>\vec 0</math> (Ort des Beobachters) und Richtungsvektoren <math>\vec r</math> und <math>\vec v_\perp</math> definiert eine Rotationsebene, in der das Verhalten des Teilchens für einen Augenblick wie im zweidimensionalen Fall erscheint. Die Rotationsachse ist dann senkrecht zu dieser Ebene und definiert die Richtung des Vektors der momentanen Winkelgeschwindigkeit. Radius- und Geschwindigkeitsvektor werden als bekannt vorausgesetzt. Es gilt dann:
:<math>\vec\omega=\frac{\vec{r}\times\vec{v}}{|{\vec{r}}|^2}</math>
:<math>\vec\omega=\frac{\vec{r}\times\vec{v}}{|{\vec{r}}|^2}\;.</math>


Auch hier gilt, dass die so berechnete Winkelgeschwindigkeit vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt.
Auch hier gilt, dass die so berechnete Winkelgeschwindigkeit vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt.
Zum Beispiel ergibt sich in [[Zylinderkoordinaten]] ''(ρろー, φふぁい, z)'' mit <math> \vec{r}=\begin{pmatrix} \rho\cos\varphi\\ \rho\sin\varphi\\ z \end{pmatrix} </math> und daraus berechnetem <math> \vec{v}= \frac{d}{dt}\vec{r} </math>:
Zum Beispiel ergibt sich in [[Zylinderkoordinaten]] ''(ρろー, φふぁい, z)'' mit <math> \vec{r}=\begin{pmatrix} \rho\cos\varphi\\ \rho\sin\varphi\\ z \end{pmatrix} </math> und daraus berechnetem <math> \vec{v}= \frac{\mathrm d}{\mathrm dt}\vec{r} </math>:
:<math>({\rho}^2+z^2)\vec\omega=
:<math>({\rho}^2+z^2)\vec\omega=
\dot\rho z\hat{e}_\varphi
\dot\rho z\hat{e}_\varphi
+\dot\varphi(-z\rho\hat{e}_\rho+\rho^2\hat{e}_z)
+\dot\varphi(-z\rho\hat{e}_\rho+\rho^2\hat{e}_z)
-\dot z \rho \hat{e}_\varphi </math>
-\dot z \rho \hat{e}_\varphi \;.</math>
Dabei sind <math> \hat{e}_\rho, \hat{e}_\varphi, \hat{e}_z </math> die Basisvektoren zu [[Polarkoordinaten#Basisvektoren|Zylinderkoordinaten]].
Dabei sind <math> \hat{e}_\rho, \hat{e}_\varphi, \hat{e}_z </math> die Basisvektoren zu [[Polarkoordinaten#Zylinderkoordinaten|Zylinderkoordinaten]].


In [[Kugelkoordinaten]] ''(r, θしーた, φふぁい)'' folgt analog
In [[Kugelkoordinaten]] ''(r, θしーた, φふぁい)'' folgt analog
<math>\vec\omega = -\dot\varphi\sin\theta\hat{e}_\theta
<math>\vec\omega = -\dot\varphi\sin\theta\hat{e}_\theta
+\dot\theta\hat{e}_\varphi
+\dot\theta\hat{e}_\varphi \;.
</math>.
</math>


Eine Anwendung ist die Relativbewegung von Objekten in der Astronomie (siehe [[Eigenbewegung (Astronomie)]]).
Eine Anwendung ist die Relativbewegung von Objekten in der Astronomie (siehe [[Eigenbewegung (Astronomie)]]).
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Bei der Rotation von Körpern können Winkel zur Parametrisierung der Bewegung eingesetzt werden. Im Folgenden wird eine Auswahl häufig genutzter Ansätze beschrieben.
Bei der Rotation von Körpern können Winkel zur Parametrisierung der Bewegung eingesetzt werden. Im Folgenden wird eine Auswahl häufig genutzter Ansätze beschrieben.


=== Euler-Winkel in der z-y’-x’’-Konvention ===
=== Euler-Winkel in der z-y′-x″-Konvention ===
[[Datei:Lagewinkel-Drehung.png|mini|Lagewinkel-Drehung vom erdfesten Koordinatensystem ({{enS|''world frame''}}, Index g) ins körperfeste Koordinatensystem ({{enS|''body frame''}}, Index f)]]
[[Datei:Lagewinkel-Drehung.svg|mini|Lagewinkel-Drehung vom erdfesten Koordinatensystem ({{enS|''world frame''}}, Index g) ins körperfeste Koordinatensystem ({{enS|''body frame''}}, Index f)]]
Im Fahrzeug- oder Flugzeugbau wird die Orientierung des fahrzeugfesten Systems relativ zum erdfesten System in [[Eulersche Winkel|Euler-Winkeln]] angegeben. Genormt sind drei aufeinander folgende Drehungen. Zuerst um die z-Achse des Systems g (Gierwinkel), dann um die y-Achse des gedrehten Systems (Nickwinkel) und schließlich um die x-Achse des körperfesten Koordinatensystems (Wank/Rollwinkel).
Im Fahrzeug- oder Flugzeugbau wird die Orientierung des fahrzeugfesten Systems relativ zum erdfesten System in [[Eulersche Winkel|Euler-Winkeln]] angegeben. Genormt sind drei aufeinander folgende Drehungen. Zuerst um die z-Achse des Systems g (Gierwinkel), dann um die y-Achse des gedrehten Systems (Nickwinkel) und schließlich um die x-Achse des körperfesten Koordinatensystems (Wank/Rollwinkel).


Die Winkelgeschwindigkeit des körperfesten Systems ergibt sich aus den Winkelgeschwindigkeiten um diese Achsen.
Die Winkelgeschwindigkeit des körperfesten Systems ergibt sich aus den Winkelgeschwindigkeiten um diese Achsen:
:<math>\vec \omega = \dot\psi \vec{\mathbf{u}}_1
:<math>\vec \omega = \dot\psi \vec{u}_1
+\dot\theta \vec{\mathbf{u}}_2
+\dot\theta \vec{u}_2
+\dot\phi \vec{\mathbf{u}}_3</math>
+\dot\phi \vec{u}_3.</math>
Der [[Punkt (Oberzeichen)#Als wissenschaftliches Symbol|aufgesetzte Punkt]] bezeichnet die Zeitableitung. Diese Basis ist nicht orthonormal. Die Einheitsvektoren können jedoch mit Hilfe von [[Drehmatrix#Drehmatrizen des Raumes R3|Elementardrehungen]] berechnet werden.
Der [[Überpunkt#Als wissenschaftliches Symbol|aufgesetzte Punkt]] bezeichnet die Zeitableitung. Diese Basis ist nicht orthonormal. Die Einheitsvektoren können jedoch mit Hilfe von [[Drehmatrix#Drehmatrizen des Raumes R3|Elementardrehungen]] berechnet werden.


=== Euler-Winkel in der z-x’-z’’-Konvention ===
=== Euler-Winkel in der z-x′-z″-Konvention ===
[[Datei:eulerframe.svg|mini|Das eulersche Basissystem (grün) gibt die Achsen an, um die die Euler-Winkel ''αあるふぁ, βべーた'' und ''γがんま'' drehen.]]
[[Datei:eulerframe.svg|mini|Das eulersche Basissystem (grün) gibt die Achsen an, um die die Euler-Winkel ''αあるふぁ, βべーた'' und ''γがんま'' drehen.]]
In der [[Eulersche Winkel#Standard-x-Konvention (z, x’, z’’)|Standard-x-Konvention (z, x’, z’’)]], siehe Bild, wird zunächst mit dem Winkel ''αあるふぁ'' um die raumfeste z-Achse gedreht, dann mit dem Winkel ''βべーた'' um die x-Achse in ihrer Lage nach der ersten Drehung (x’-Achse, im Bild die N-Achse) und schließlich mit dem Winkel ''γがんま'' um die z-Achse in deren Lage nach den beiden vorherigen Drehungen (Kurzzeichen z’’, im Bild die Z-Achse).
In der [[Eulersche Winkel#Roll-, Nick- und Gierwinkel: z-y′-x″-Konvention|Standard-x-Konvention (z, x′, z″)]], siehe Bild, wird zunächst mit dem Winkel ''αあるふぁ'' um die raumfeste z-Achse gedreht, dann mit dem Winkel ''βべーた'' um die x-Achse in ihrer Lage nach der ersten Drehung (x′-Achse, im Bild die N-Achse) und schließlich mit dem Winkel ''γがんま'' um die z-Achse in deren Lage nach den beiden vorherigen Drehungen (Kurzzeichen z″, im Bild die Z-Achse).


Bezeichnen die Einheitsvektoren <math>\hat{e}_{x,y,z}</math> die raumfeste [[Standardbasis]] (blau im Bild), dann lautet die Winkelgeschwindigkeit bezüglich der raumfesten Basis
Bezeichnen die Einheitsvektoren <math>\hat{e}_{x,y,z}</math> die raumfeste [[Standardbasis]] (blau im Bild), dann lautet die Winkelgeschwindigkeit bezüglich der raumfesten Basis
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=== Zylinderkoordinaten ===
=== Zylinderkoordinaten ===
Im [[Zylinderkoordinaten]]system ''(ρろー, φふぁい, z)'' lauten die Basisvektoren
Im [[Zylinderkoordinaten]]system <math>(\rho, \varphi, z)</math> lauten die Basisvektoren
:<math>
:<math>
\hat{e}_\rho =\begin{pmatrix}
\hat{e}_\rho =\begin{pmatrix}
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Ändert sich der Winkel ''φふぁい,'' dann entsteht die Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega=\dot\varphi\hat{e}_z</math>. Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise <math>\dot{\hat{e}}_\rho=\vec\omega\times\hat{e}_\rho.</math>
Ändert sich der Winkel ''φふぁい,'' dann entsteht die Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega=\dot\varphi\hat{e}_z</math>. Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise <math>\dot{\hat{e}}_\rho=\vec\omega\times\hat{e}_\rho.</math>


Dies ergibt sich aus den [[#Euler-Winkel in der z-x’-z’’-Konvention|Euler-Winkeln in der z-x’-z’’-Konvention]] mit
Dies ergibt sich aus den [[#Euler-Winkel in der z-x′-z″-Konvention|Euler-Winkeln in der z-x′-z″-Konvention]] mit
* ''αあるふぁ = φふぁい'' und ''βべーた = γがんま ≡ 0'' oder
* ''αあるふぁ = φふぁい'' und ''βべーた = γがんま ≡ 0'' oder
* ''γがんま = φふぁい'' und ''αあるふぁ = βべーた ≡ 0.''
* ''γがんま = φふぁい'' und ''αあるふぁ = βべーた ≡ 0.''
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Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise gemäß <math>\dot{\hat{e}}_\theta=\vec\omega\times\hat{e}_\theta.</math>
Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise gemäß <math>\dot{\hat{e}}_\theta=\vec\omega\times\hat{e}_\theta.</math>


Dies ergibt sich aus den [[#Euler-Winkel in der z-x’-z’’-Konvention|Euler-Winkeln in der z-x’-z’’-Konvention]] mit ''αあるふぁ'' ≡ 0, ''βべーた = φふぁい'' und ''γがんま = θしーた'' sowie der zyklischen Vertauschung der Koordinatenrichtungen 123<sub>Euler</sub> → 312<sub>Kugel</sub>.
Dies ergibt sich aus den [[#Euler-Winkel in der z-x′-z″-Konvention|Euler-Winkeln in der z-x′-z″-Konvention]] mit ''αあるふぁ'' ≡ 0, ''βべーた = φふぁい'' und ''γがんま = θしーた'' sowie der zyklischen Vertauschung der Koordinatenrichtungen 123<sub>Euler</sub> → 312<sub>Kugel</sub>.


== Winkelgeschwindigkeitstensoren ==
== Winkelgeschwindigkeitstensoren ==
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:<math>\dot{\vec x}=\dot{\mathbf{Q}}\cdot\vec X=\dot{\mathbf{Q}}\cdot\mathbf{Q}^\top\cdot\vec x
:<math>\dot{\vec x}=\dot{\mathbf{Q}}\cdot\vec X=\dot{\mathbf{Q}}\cdot\mathbf{Q}^\top\cdot\vec x
=:\mathbf{\Omega}\cdot\vec x
=:\mathbf{\Omega}\cdot\vec x\;.
</math>
</math>


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\dot{\mathbf{G}}=\vec\omega\times\mathbf{G}=\mathbf{\Omega\cdot G}
\dot{\mathbf{G}}=\vec\omega\times\mathbf{G}=\mathbf{\Omega\cdot G}
\quad\leftrightarrow\quad
\quad\leftrightarrow\quad
\mathbf{\Omega}=\dot{\mathbf{G}}\cdot\mathbf{G}^{-1}
\mathbf{\Omega}=\dot{\mathbf{G}}\cdot\mathbf{G}^{-1}\;.
</math>
</math>


Zeile 301: Zeile 301:
=&\omega^2(\hat{n}\otimes\hat{n}-\mathbf{1})\cdot\omega^2(\hat{n}\otimes\hat{n}-\mathbf{1})
=&\omega^2(\hat{n}\otimes\hat{n}-\mathbf{1})\cdot\omega^2(\hat{n}\otimes\hat{n}-\mathbf{1})
=\omega^4(\hat{n}\otimes\hat{n}-\hat{n}\otimes\hat{n}-\hat{n}\otimes\hat{n}+\mathbf{1})
=\omega^4(\hat{n}\otimes\hat{n}-\hat{n}\otimes\hat{n}-\hat{n}\otimes\hat{n}+\mathbf{1})
=\omega^4(\mathbf{1}-\hat{n}\otimes\hat{n})
=\omega^4(\mathbf{1}-\hat{n}\otimes\hat{n})\;.
\end{align}</math>
\end{align}</math>


Zeile 327: Zeile 327:
+\sum_{k=0}^{\infty}\frac{(-1)^{k}(\omega t)^{2k+1}}{(2k+1)!}\hat{n}\times\mathbf{1}
+\sum_{k=0}^{\infty}\frac{(-1)^{k}(\omega t)^{2k+1}}{(2k+1)!}\hat{n}\times\mathbf{1}
\\=&
\\=&
\mathbf{1}+[\cos(\omega t)-1](\mathbf{1}-\hat{n}\otimes\hat{n})+\sin(\omega t)\hat{n}\times\mathbf{1}
\mathbf{1}+[\cos(\omega t)-1](\mathbf{1}-\hat{n}\otimes\hat{n})+\sin(\omega t)\hat{n}\times\mathbf{1}\;.
\end{align}</math>
\end{align}</math>


Die letzte Gleichung stellt einen orthogonalen Tensor dar. Wenn '''Ωおめが''' nur als schiefsymmetrischer Tensor ohne das Kreuzprodukt definiert wird, lässt sich das auf [[Drehmatrix#Drehmatrizen des Raumes Rn|Drehungen in n Dimensionen]] verallgemeinern.
Die letzte Gleichung stellt einen orthogonalen Tensor dar. Wenn '''Ωおめが''' nur als schiefsymmetrischer Tensor ohne das Kreuzprodukt definiert wird, lässt sich das auf [[Drehmatrix#Drehmatrizen des Raumes ℝ³|Drehungen in n Dimensionen]] verallgemeinern.


== Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers ==
== Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers ==
Die Winkelgeschwindigkeit eines rotierenden starren Körpers ist eindeutig, denn an allen Punkten dreht sich die Richtung der Bahngeschwindigkeit in derselben Umlaufzeit einmal um <math> 2\pi </math>. Die Winkelgeschwindigkeit ist auch unabhängig von der Wahl des Ortes der Drehachse, auf den man die Rotation bezieht. Winkelgeschwindigkeiten sind bezüglich der Addition kommutativ, d.&nbsp;h., sie können wie Vektoren summiert werden. (Bei endlichen Drehungen gilt dies nicht.) Jeder Punkt eines starren Körpers hat den gleichen Winkelgeschwindigkeitsvektor.
Die Winkelgeschwindigkeit eines rotierenden starren Körpers oder Bezugssystems ist eine eindeutige Größe, unabhängig von der Wahl eines Bezugspunktes oder einer Drehachse, denn an allen Punkten dreht sich die Richtung der Bahngeschwindigkeit in derselben Umlaufzeit einmal um <math> 2\pi </math>. Jeder Punkt eines starren Körpers hat den gleichen Winkelgeschwindigkeitsvektor.


=== Eindeutigkeit ===
=== Eindeutigkeit ===
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:<math>\vec{v}_1 + \vec {\omega}_1\times\vec {r}_1 = \vec {v}_2 + \vec {\omega}_2\times\vec {r}_2</math>
:<math>\vec{v}_1 + \vec {\omega}_1\times\vec {r}_1 = \vec {v}_2 + \vec {\omega}_2\times\vec {r}_2</math>


:<math>\vec {v}_2 = \vec {v}_1 + \vec {\omega}_1\times\vec {r} = \vec {v}_1 + \vec {\omega}_1\times (\vec {r}_1 - \vec {r}_2)</math>
:<math>\vec {v}_2 = \vec {v}_1 + \vec {\omega}_1\times\vec {r} = \vec {v}_1 + \vec {\omega}_1\times (\vec {r}_1 - \vec {r}_2)\;.</math>


Einsetzen der unteren Gleichung für <math>\vec{v}_2</math> in die obere ergibt:
Einsetzen der unteren Gleichung für <math>\vec{v}_2</math> in die obere ergibt:
:<math>(\vec {\omega}_1-\vec{\omega}_2) \times \vec{r}_2 = \vec{0}</math>
:<math>(\vec {\omega}_1-\vec{\omega}_2) \times \vec{r}_2 = \vec{0}\;.</math>


Da der Punkt P (und damit <math> \vec {r}_2 </math>) beliebig wählbar ist, folgt daraus:
Da der Punkt P (und damit <math> \vec {r}_2 </math>) beliebig wählbar ist, folgt daraus:


:<math>\vec{\omega}_1 = \vec{\omega}_2</math>
:<math>\vec{\omega}_1 = \vec{\omega}_2\;.</math>


Die Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers ist somit unabhängig von der Wahl des Bezugspunkts der Drehachse. Somit ist die Messung der die [[Gierrate]] in einem Fahrzeug unabhängig vom Einbauort des [[Gierratensensor]]s.
Die Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers ist somit unabhängig von der Wahl des Bezugspunkts der Drehachse. Somit ist beispielsweise die Messung der [[Gierrate]] in einem Fahrzeug unabhängig vom Einbauort des [[Gierratensensor]]s.


== Kommutative Addition von Winkelgeschwindigkeiten ==
=== Kommutativität ===
[[Datei:omegakonv.png|mini|Mit kleiner werdendem Zeitintervall konvergiert das Kugelviereck (schwarz) gegen ein ebenes [[Parallelogramm]], und die Differenz der beiden Geschwindigkeiten <math>\dot{\vec{x}}_{12},\ \dot{\vec{x}}_{21}</math> strebt gegen Null.]]
[[Datei:omegakonv.png|mini|Mit kleiner werdendem Zeitintervall konvergiert das Kugelviereck (schwarz) gegen ein ebenes [[Parallelogramm]], und die Differenz der beiden Geschwindigkeiten <math>\dot{\vec{x}}_{12},\ \dot{\vec{x}}_{21}</math> strebt gegen Null.]]
Obwohl Drehungen im Allgemeinen in ihrer Reihenfolge nicht vertauscht werden dürfen, ist die [[Kommutativgesetz|Kommutativität]] der Addition bei der Winkelgeschwindigkeit gegeben. Es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit oder ganze Winkelgeschwindigkeitsvektoren addiert werden (anders als bei Drehungen, siehe Bild).
Obwohl Drehungen im Allgemeinen in ihrer Reihenfolge nicht vertauscht werden dürfen, ist bei der Winkelgeschwindigkeit die [[Kommutativgesetz|Kommutativität]] der Addition gegeben. Es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit oder ganze Winkelgeschwindigkeitsvektoren addiert werden (anders als bei endlichen Drehungen, siehe Bild).


Mathematisch kann das durch Drehungen mit zwei Winkelgeschwindigkeiten in einem (infinitesimal) kleinen Zeitintervall d''t'' gezeigt werden.<ref>{{Literatur |Hrsg=Institut für Physik an der Universität Rostock |Titel=Theoretische Physik II – Theoretische Mechanik |TitelErg=Kapitel 5 – Starrer Körper und Kreiseltheorie |Online=[{{Toter Link |inline=1 |url=http://www.qms.uni-rostock.de/fileadmin/Physik_Festkoerpertheorie/Lehre_Scheel/Theoretische_Physik_II_-_Theoretische_Mechanik/Theor_Phy_II_Kapitel_5_-_Starrer_Koerper_und_Kreiseltheorie.pdf}} online] |Format=pdf |Abruf=2017-06-06 |Seiten=109}}</ref> Im Zeitintervall d''t'' bewegt sich ein Partikel am Ort <math>\vec x</math> nach <math>{\vec x}'=\vec x+\vec{\omega}_1\times\vec x\,\mathrm{d}t</math>. Eine weitere Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega_2</math> liefert die Endposition <math>{\vec x}''={\vec x}'+\vec{\omega}_2\times{\vec x}'\,\mathrm{d}t</math> und die Verschiebung
Mathematisch kann das durch Drehungen mit zwei Winkelgeschwindigkeiten in einem (infinitesimal) kleinen Zeitintervall <math>\mathrm dt</math> gezeigt werden.<ref>{{Literatur |Hrsg=Institut für Physik an der Universität Rostock |Titel=Theoretische Physik II – Theoretische Mechanik |TitelErg=Kapitel 5 – Starrer Körper und Kreiseltheorie |Online=[{{Toter Link |inline=1 |url=http://www.qms.uni-rostock.de/fileadmin/Physik_Festkoerpertheorie/Lehre_Scheel/Theoretische_Physik_II_-_Theoretische_Mechanik/Theor_Phy_II_Kapitel_5_-_Starrer_Koerper_und_Kreiseltheorie.pdf}} online] |Format=pdf |Abruf=2017-06-06 |Seiten=109}}</ref> Im Zeitintervall <math>\mathrm dt</math> bewegt sich ein Partikel am Ort <math>\vec x</math> nach <math>{\vec x}'=\vec x+\vec{\omega}_1\times\vec x\,\mathrm{d}t</math>. Eine weitere Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega_2</math> liefert die Endposition <math>{\vec x}''={\vec x}'+\vec{\omega}_2\times{\vec x}'\,\mathrm{d}t</math> und die Verschiebung
:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
\mathrm{d}{\vec x}_{12}:=&{\vec x}''-\vec x
\mathrm{d}{\vec x}_{12}:=&{\vec x}''-\vec x
Zeile 369: Zeile 369:
\end{align}</math>
\end{align}</math>


Der [[Grenzwert (Folge)|Grenzwert]] d''t'' 0 kann berechnet werden:
Der [[Grenzwert (Folge)|Grenzwert]] <math>\mathrm dt \to 0</math> kann berechnet werden:


:<math>\dot{\vec x}_{12}=\lim_{\mathrm{d}t\to0}\frac{\mathrm{d}{\vec x}_{12}}{\mathrm{d}t}
:<math>\dot{\vec x}_{12}=\lim_{\mathrm{d}t\to0}\frac{\mathrm{d}{\vec x}_{12}}{\mathrm{d}t}
=(\vec{\omega}_1+\vec{\omega}_2)\times\vec x</math>
=(\vec{\omega}_1+\vec{\omega}_2)\times\vec x\;.</math>


Diese Geschwindigkeit entspricht einer Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\vec{\omega}_1+\vec{\omega}_2</math>. Bei umgekehrter Reihenfolge der infinitesimalen Drehungen leitet sich ein identisches Ergebnis für die Geschwindigkeit <math>\dot{\vec x}_{21}</math> ab. Deswegen addieren sich Winkelgeschwindigkeiten wie Vektoren und infinitesimal kleine Drehungen sind –&nbsp;anders als große Drehungen&nbsp;– in ihrer Reihenfolge vertauschbar.
Diese Geschwindigkeit entspricht einer Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\vec{\omega}_1+\vec{\omega}_2</math>. Bei umgekehrter Reihenfolge der infinitesimalen Drehungen leitet sich ein identisches Ergebnis für die Geschwindigkeit <math>\dot{\vec x}_{21}</math> ab. Deswegen addieren sich Winkelgeschwindigkeiten wie Vektoren und infinitesimal kleine Drehungen sind –&nbsp;anders als große Drehungen&nbsp;– in ihrer Reihenfolge vertauschbar.
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+\dot{\mathbf{Q}}_2\cdot\mathbf{Q}_2^\top)\cdot\mathbf{Q}_2\cdot\vec X
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\mathbf{Q}_1\cdot(\bar{\mathbf{\Omega}}_1+\mathbf{\Omega}_2)\cdot\mathbf{Q}_2\cdot\vec X
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\end{align}</math>
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Bei umgekehrter Reihenfolge der Rotationen, <math>\vec{x}_{12}=\mathbf{Q}_2\cdot\mathbf{Q}_1\cdot\vec X,</math> ergibt sich analog die im Allgemeinen andere Geschwindigkeit
Bei umgekehrter Reihenfolge der Rotationen, <math>\vec{x}_{12}=\mathbf{Q}_2\cdot\mathbf{Q}_1\cdot\vec X,</math> ergibt sich analog die im Allgemeinen andere Geschwindigkeit
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siehe [[#Winkelgeschwindigkeitstensor und Winkelgeschwindigkeit|Winkelgeschwindigkeitstensor und Winkelgeschwindigkeit]]. Weil die Addition von Tensoren kommutativ ist, stimmen die Geschwindigkeiten überein:
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:<math>\dot{\vec x}_{21}=\dot{\vec x}_{12}=
:<math>\dot{\vec x}_{21}=\dot{\vec x}_{12}=
\vec v=(\vec\omega_1+\vec\omega_2)\times\vec{x}=(\vec\omega_2+\vec\omega_1)\times\vec{x}</math>
\vec v=(\vec\omega_1+\vec\omega_2)\times\vec{x}=(\vec\omega_2+\vec\omega_1)\times\vec{x}\;.</math>
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Somit ist die Kommutativität der Addition der Winkelgeschwindigkeiten erwiesen.
Somit ist die Kommutativität der Addition der Winkelgeschwindigkeiten erwiesen.
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* Sei <math>\omega_0</math> die Kreisfrequenz der harmonischen Schwingung eines [[Pendel]]s mit der [[Amplitude]] <math>\hat\varphi</math>. Dann berechnet sich die Winkelgeschwindigkeit des Pendels als Funktion der Zeit:
* Sei <math>\omega_0</math> die Kreisfrequenz der harmonischen Schwingung eines [[Pendel]]s mit der [[Amplitude]] <math>\hat\varphi</math>. Dann berechnet sich die Winkelgeschwindigkeit des Pendels als Funktion der Zeit:
::<math>\omega(t)=\dot\varphi(t)=\frac d{dt}[\hat\varphi\cdot\sin(\omega_0 t)] = \hat\varphi\cdot\omega_0\cdot\cos(\omega_0 t)</math>
::<math>\omega(t)=\dot\varphi(t)=\frac \mathrm d{\mathrm dt}[\hat\varphi\cdot\sin(\omega_0 t)] = \hat\varphi\cdot\omega_0\cdot\cos(\omega_0 t)\;.</math>


* Bei [[Flugzeug]]en oder [[Pkw]] werden die Winkelgeschwindigkeiten in Komponenten des fahrzeugfesten Koordinatensystems angegeben. Entsprechend den x-, y-, z-Komponenten spricht man von Roll/Wankgeschwindigkeit, Nickgeschwindigkeit, Giergeschwindigkeit. Näheres dazu findet sich
* Bei [[Flugzeug]]en oder [[Pkw]] werden die Winkelgeschwindigkeiten in Komponenten des fahrzeugfesten Koordinatensystems angegeben. Entsprechend den x-, y-, z-Komponenten spricht man von Roll/Wankgeschwindigkeit, Nickgeschwindigkeit, Giergeschwindigkeit. Näheres dazu findet sich
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== Literatur ==
== Literatur ==
Die ''Winkelgeschwindigkeit'' wird in vielen Lehrbüchern und Formelsammlungen der Natur- und Ingenieurswissenschaften behandelt.
Die ''Winkelgeschwindigkeit'' wird in vielen Lehrbüchern und Formelsammlungen der Natur- und Ingenieurwissenschaften behandelt.
* {{Literatur
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|Autor=Horst Stöcker
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== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Physikalische Größenart]]
[[Kategorie:Physikalische Größenart]]

Version vom 8. März 2024, 23:35 Uhr

Physikalische Größe
Name Winkelgeschwindigkeit, Rotationsgeschwindigkeit, Drehgeschwindigkeit
Formelzeichen
Abgeleitet von Winkel
Größen- und
Einheitensystem
Einheit Dimension
SI rad·s−1 T−1

Die Winkelgeschwindigkeit ist in der Physik eine vektorielle Größe, die angibt, wie schnell sich ein Winkel mit der Zeit um eine Achse ändert. Ihr Formelzeichen ist (kleines Omega). Die SI-Einheit der Winkelgeschwindigkeit ist . Sie spielt insbesondere bei Rotationen eine Rolle und wird dann auch als Rotationsgeschwindigkeit oder Drehgeschwindigkeit bezeichnet. In vielen Fällen, bei denen sich die Richtung der Drehachse im Bezugssystem nicht ändert, reicht die skalare Verwendung als Betrag des Vektors aus.

Definitionen

Winkelgeschwindigkeit

Winkelgeschwindigkeit und Bahngeschwindigkeit der Kreisbewegung

Die Winkelgeschwindigkeit wird durch einen Pseudovektor dargestellt, der die Richtung der Drehachse und die Schnelligkeit der Rotationsbewegung angibt; sie gilt für jeden Punkt des rotierenden Systems, ihr Vektor ist nicht nur in der Rotationsachse platziert. Die Richtung des Pseudovektors ist so orientiert, dass sie gemäß der Korkenzieherregel die Rotationsrichtung angibt. Der Betrag der Winkelgeschwindigkeit ist gleich der Ableitung des Rotationswinkels nach der Zeit :

Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit gilt daher

,

denn in der Umlaufzeit wird der Winkel 2 durchlaufen.

Bei einer ebenen Kreisbewegung ändert sich die Richtung der momentanen Bahngeschwindigkeit eines Punktes mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie der Radiusvektor des Punktes. Bei einer im Raum gekrümmten Bahnkurve gilt dies für den momentanen Krümmungskreis. Die Änderung der Richtung der Bahngeschwindigkeit kann man daher genauso gut zu einer Definition der Winkelgeschwindigkeit nutzen. Sie ergibt sich direkt aus den Daten der Bahn und erfordert keine Bestimmung einer Drehachse.

Der Betrag der Winkelgeschwindigkeit wird meist bei Vorgängen verwendet, bei denen sich die Drehachse nicht ändert. Eine Änderung von Richtung und/oder Betrag der Winkelgeschwindigkeit ist Folge einer Winkelbeschleunigung.

Bahngeschwindigkeit

Jeder Punkt des rotierenden Systems beschreibt eine Kreisbahn, deren Ebene senkrecht zur Drehachse liegt. Die Bahn- oder Umlaufgeschwindigkeit des Punktes auf diesem Kreis ist dem Betrag nach

,

wobei der Radius der Kreisbewegung ist. Denn zur infinitesimalen Zeitspanne gehört der infinitesimale Weg .

Liegt der Ursprung des Koordinatensystems auf der Drehachse, dann ist die Bahngeschwindigkeit nach Richtung und Betrag gleich dem Kreuzprodukt aus Winkelgeschwindigkeit und Ortsvektor:

,

denn der Abstand von der Achse ist

mit dem Polarwinkel , der den konstant bleibenden Winkelabstand zwischen der Drehachse und dem Ortsvektor zum betrachteten Punkt angibt.

Diese Betrachtung der Änderungsgeschwindigkeit des Ortsvektors gilt für jeden Vektor, der einer Drehung unterworfen ist, z. B. für die Basisvektoren () eines rotierenden Bezugssystems. Deren Änderungsgeschwindigkeit ist

.

Abgrenzung zur Kreisfrequenz

Obwohl die Kreisfrequenz und die Winkelgeschwindigkeit mit demselben Formelzeichen bezeichnet werden und obwohl sie in derselben Einheit gemessen werden, handelt es sich um zwei verschiedene physikalische Größen.

Die Winkelgeschwindigkeit gibt die Änderungsrate eines geometrischen Winkels an und wird im Zusammenhang von Drehbewegungen verwendet.

Die Kreisfrequenz dagegen ist eine abstrakte Größe im Kontext von Schwingungen.[1] Eine Schwingung kann mathematisch durch einen rotierenden Zeiger dargestellt werden (siehe Zeigermodell). Der Winkel des Zeigers wird als Phase oder Phasenwinkel bezeichnet.[2] Die Änderungsgeschwindigkeit dieses Phasenwinkels ist die Kreisfrequenz. Sie ist also – wie auch die Frequenz – ein Maß dafür, wie schnell eine Schwingung abläuft und hat – abgesehen von der Rotation des gedachten Zeigers – nichts mit einer Drehbewegung zu tun.

Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls

Ebene Bewegung

Die Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls vom Ursprung O zum Teilchen P wird bestimmt durch die Tangentialgeschwindigkeit des Geschwindigkeitsvektors v.

Der Geschwindigkeitsvektor v eines Teilchens P relativ zu einem Beobachter O kann in Polarkoordinaten zerlegt werden. Die radiale Komponente des Geschwindigkeitsvektors ändert die Richtung des Sehstrahls nicht. Zwischen der tangentialen Komponente und der Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls besteht die Beziehung:

Es ist anzumerken, dass die Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt.

Räumliche Bewegung

In drei Dimensionen ist die Winkelgeschwindigkeit durch ihren Betrag und ihre Richtung gekennzeichnet.

Wie im zweidimensionalen Fall hat das Teilchen eine Komponente seines Geschwindigkeitsvektors in Richtung des Radiusvektors und eine weitere senkrecht dazu. Die Ebene mit Stützvektor (Ort des Beobachters) und Richtungsvektoren und definiert eine Rotationsebene, in der das Verhalten des Teilchens für einen Augenblick wie im zweidimensionalen Fall erscheint. Die Rotationsachse ist dann senkrecht zu dieser Ebene und definiert die Richtung des Vektors der momentanen Winkelgeschwindigkeit. Radius- und Geschwindigkeitsvektor werden als bekannt vorausgesetzt. Es gilt dann:

Auch hier gilt, dass die so berechnete Winkelgeschwindigkeit vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt. Zum Beispiel ergibt sich in Zylinderkoordinaten (ρろー, φふぁい, z) mit und daraus berechnetem :

Dabei sind die Basisvektoren zu Zylinderkoordinaten.

In Kugelkoordinaten (r, θしーた, φふぁい) folgt analog

Eine Anwendung ist die Relativbewegung von Objekten in der Astronomie (siehe Eigenbewegung (Astronomie)).

Winkelgeschwindigkeit bei speziellen Bewegungsansätzen

Bei der Rotation von Körpern können Winkel zur Parametrisierung der Bewegung eingesetzt werden. Im Folgenden wird eine Auswahl häufig genutzter Ansätze beschrieben.

Euler-Winkel in der z-y′-x″-Konvention

Lagewinkel-Drehung vom erdfesten Koordinatensystem (englisch world frame, Index g) ins körperfeste Koordinatensystem (englisch body frame, Index f)

Im Fahrzeug- oder Flugzeugbau wird die Orientierung des fahrzeugfesten Systems relativ zum erdfesten System in Euler-Winkeln angegeben. Genormt sind drei aufeinander folgende Drehungen. Zuerst um die z-Achse des Systems g (Gierwinkel), dann um die y-Achse des gedrehten Systems (Nickwinkel) und schließlich um die x-Achse des körperfesten Koordinatensystems (Wank/Rollwinkel).

Die Winkelgeschwindigkeit des körperfesten Systems ergibt sich aus den Winkelgeschwindigkeiten um diese Achsen:

Der aufgesetzte Punkt bezeichnet die Zeitableitung. Diese Basis ist nicht orthonormal. Die Einheitsvektoren können jedoch mit Hilfe von Elementardrehungen berechnet werden.

Euler-Winkel in der z-x′-z″-Konvention

Das eulersche Basissystem (grün) gibt die Achsen an, um die die Euler-Winkel αあるふぁ, βべーた und γがんま drehen.

In der Standard-x-Konvention (z, x′, z″), siehe Bild, wird zunächst mit dem Winkel αあるふぁ um die raumfeste z-Achse gedreht, dann mit dem Winkel βべーた um die x-Achse in ihrer Lage nach der ersten Drehung (x′-Achse, im Bild die N-Achse) und schließlich mit dem Winkel γがんま um die z-Achse in deren Lage nach den beiden vorherigen Drehungen (Kurzzeichen z″, im Bild die Z-Achse).

Bezeichnen die Einheitsvektoren die raumfeste Standardbasis (blau im Bild), dann lautet die Winkelgeschwindigkeit bezüglich der raumfesten Basis

In der bewegten Basis (rot im Bild) ergibt sich gleichbedeutend:

siehe Bewegungsfunktion des symmetrischen Kreisels.

Zylinderkoordinaten

Im Zylinderkoordinatensystem lauten die Basisvektoren

Ändert sich der Winkel φふぁい, dann entsteht die Winkelgeschwindigkeit . Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise

Dies ergibt sich aus den Euler-Winkeln in der z-x′-z″-Konvention mit

  • αあるふぁ = φふぁい und βべーた = γがんま ≡ 0 oder
  • γがんま = φふぁい und αあるふぁ = βべーた ≡ 0.

Kugelkoordinaten

In Kugelkoordinaten (r, φふぁい, θしーた) können die Basisvektoren

benutzt werden. Bei einer gemeinsamen Rotation dieser Basisvektoren mit variablen Winkeln φふぁい und θしーた entsteht die Winkelgeschwindigkeit

Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise gemäß

Dies ergibt sich aus den Euler-Winkeln in der z-x′-z″-Konvention mit αあるふぁ ≡ 0, βべーた = φふぁい und γがんま = θしーた sowie der zyklischen Vertauschung der Koordinatenrichtungen 123Euler → 312Kugel.

Winkelgeschwindigkeitstensoren

Drehung eines Vektors um die Drehachse mit Winkel durch einen orthogonalen Tensor .

Definition des Winkelgeschwindigkeitstensors

Das Kreuzprodukt der Winkelgeschwindigkeit mit dem Ortsvektor kann als Vektortransformation des Ortsvektors durch den Winkelgeschwindigkeitstensor angesehen werden.

Denn eine reine Drehung von Vektoren wird durch orthogonale Tensoren, das sind orthogonale Abbildungen von Vektoren auf Vektoren, dargestellt: , siehe Bild. Darin ist Q der orthogonale Tensor mit der Eigenschaft (1 ist der Einheitstensor, das hochgestellte T bezeichnet die Transposition) und ist der Vektor, auf den der feste Vektor abgebildet wird. Zeitableitung ergibt:

Der hier auftretende Winkelgeschwindigkeitstensor Ωおめが ist schiefsymmetrisch (Ωおめが=−Ωおめが) wegen

Winkelgeschwindigkeitstensor und Winkelgeschwindigkeit

Jeder schiefsymmetrische Tensor W besitzt einen dualen Vektor mit der Eigenschaft für alle . Dieser duale Vektor ist beim Winkelgeschwindigkeitstensor die Winkelgeschwindigkeit:

Der duale Vektor

ist die negative Hälfte der Vektorinvariante des Tensors und als solche ein axialer Vektor. Die Koordinaten Ωおめがij des Tensors Ωおめが gehören zur Standardbasis

Umgekehrt kann der Winkelgeschwindigkeitstensor aus der Winkelgeschwindigkeit gewonnen werden:

vgl. Kreuzproduktmatrix. Das Rechenzeichen „“ bildet das dyadische Produkt.

Winkelgeschwindigkeitstensor bei rotierenden Vektorraumbasen

Aus den Raten von Vektoren einer Vektorraumbasis, die eine Starrkörperrotation ausführt, kann der Winkelgeschwindigkeitstensor direkt berechnet werden.

Denn der Tensor , in dem die Basisvektoren spaltenweise eingetragen sind, ist nach Voraussetzung invertierbar:

Darin stehen die senkrechten Striche für die Determinante, deren Nichtverschwinden die Invertierbarkeit garantiert. Im Fall einer gemeinsamen Starrkörperrotation der Basisvektoren folgt:

Umgekehrt gilt: Wenn die Zeitableitung eines Tensors G, multipliziert mit seiner Inversen G−1, schiefsymmetrisch ist, dann können die Spaltenvektoren des Tensors als rotierende Basis aufgefasst werden. Im Fall, dass die Vektoren eine Orthonormalbasis bilden, ist der Tensor G orthogonal und es ergibt sich die schon erwähnte Beziehung

Exponential des Winkelgeschwindigkeitstensors

Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ist der Winkelgeschwindigkeitstensor ebenfalls konstant. Dann kann bei gegebenen Anfangswert G(t=0) über die Zeit integriert werden mit dem Ergebnis:

Denn die ersten vier Potenzen von Ωおめが berechnen sich mit der BAC-CAB-Formel zu

Oben ist die Einsteinsche Summenkonvention anzuwenden, der zufolge über in einem Produkt doppelt vorkommende Indizes von eins bis drei zu summieren ist. Nach vollständiger Induktion ergeben sich die Potenzen

für k = 1, 2, 3, … (keine Summen) Mit der Definition Ωおめが0 := 1 kann das Exponential exp des Winkelgeschwindigkeitstensors mit der Taylorreihe ermittelt werden:

Die letzte Gleichung stellt einen orthogonalen Tensor dar. Wenn Ωおめが nur als schiefsymmetrischer Tensor ohne das Kreuzprodukt definiert wird, lässt sich das auf Drehungen in n Dimensionen verallgemeinern.

Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers

Die Winkelgeschwindigkeit eines rotierenden starren Körpers oder Bezugssystems ist eine eindeutige Größe, unabhängig von der Wahl eines Bezugspunktes oder einer Drehachse, denn an allen Punkten dreht sich die Richtung der Bahngeschwindigkeit in derselben Umlaufzeit einmal um . Jeder Punkt eines starren Körpers hat den gleichen Winkelgeschwindigkeitsvektor.

Eindeutigkeit

Beweis der Unabhängigkeit der Winkelgeschwindigkeit von der Wahl des Bezugspunkts

Der starre Körper möge um eine beliebige Achse rotieren. Es wird gezeigt, dass die Winkelgeschwindigkeit unabhängig ist von der Wahl des Bezugspunkts, durch den die Achse führt. Dies bedeutet, dass die Winkelgeschwindigkeit eine unabhängige Eigenschaft des rotierenden starren Körpers ist.

Der Ursprung des Laborsystems ist in O, während O1 und O2 zwei Punkte auf dem starren Körper mit den Geschwindigkeiten bzw. sind. Angenommen, die Winkelgeschwindigkeit relativ zu O1 bzw. O2 sei bzw. Da Punkt P und O2 jeweils nur eine Geschwindigkeit haben, gilt:

Einsetzen der unteren Gleichung für in die obere ergibt:

Da der Punkt P (und damit ) beliebig wählbar ist, folgt daraus:

Die Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers ist somit unabhängig von der Wahl des Bezugspunkts der Drehachse. Somit ist beispielsweise die Messung der Gierrate in einem Fahrzeug unabhängig vom Einbauort des Gierratensensors.

Kommutative Addition von Winkelgeschwindigkeiten

Mit kleiner werdendem Zeitintervall konvergiert das Kugelviereck (schwarz) gegen ein ebenes Parallelogramm, und die Differenz der beiden Geschwindigkeiten strebt gegen Null.

Obwohl Drehungen im Allgemeinen in ihrer Reihenfolge nicht vertauscht werden dürfen, ist bei der Winkelgeschwindigkeit die Kommutativität der Addition gegeben. Es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit oder ganze Winkelgeschwindigkeitsvektoren addiert werden (anders als bei endlichen Drehungen, siehe Bild).

Mathematisch kann das durch Drehungen mit zwei Winkelgeschwindigkeiten in einem (infinitesimal) kleinen Zeitintervall gezeigt werden.[3] Im Zeitintervall bewegt sich ein Partikel am Ort nach . Eine weitere Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit liefert die Endposition und die Verschiebung

Der Grenzwert kann berechnet werden:

Diese Geschwindigkeit entspricht einer Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit . Bei umgekehrter Reihenfolge der infinitesimalen Drehungen leitet sich ein identisches Ergebnis für die Geschwindigkeit ab. Deswegen addieren sich Winkelgeschwindigkeiten wie Vektoren und infinitesimal kleine Drehungen sind – anders als große Drehungen – in ihrer Reihenfolge vertauschbar.

Beweis mit Tensorrechnung 
Drehungen können mit orthogonalen Tensoren beschrieben werden, von denen zwei, Q1,2, gegeben seinen. Mit den Definitionen

für k = 1, 2 berechnet sich die Geschwindigkeit eines Vektors , der durch Drehung aus dem festen Vektor hervorgeht, zu:

Bei umgekehrter Reihenfolge der Rotationen, ergibt sich analog die im Allgemeinen andere Geschwindigkeit

Diese Identitäten gelten bei beliebig großen Rotationen. Berechnung der Geschwindigkeiten im Zustand Q1,2 = 1 liefert die Winkelgeschwindigkeiten am Ort Dann ist und die obigen Gleichungen spezialisieren sich zu

siehe Winkelgeschwindigkeitstensor und Winkelgeschwindigkeit. Weil die Addition von Tensoren kommutativ ist, stimmen die Geschwindigkeiten überein:

Somit ist die Kommutativität der Addition der Winkelgeschwindigkeiten erwiesen.

Anwendungen und Beispiele

Die Winkelgeschwindigkeit tritt in vielen Gleichungen und Anwendungsfällen der Physik, der Astronomie oder der Technik auf.

  • Ein Himmelskörper, der sich in einer Entfernung R von der Erde mit Geschwindigkeit senkrecht zur Sehlinie bewegt, zeigt am Himmel eine scheinbare Winkelgeschwindigkeit . Bei Meteoren (Sternschnuppen) kann sie bis zu 90° pro Sekunde ausmachen, sehr nahe Kleinplaneten oder Kometen können sich am Himmel einige Grad pro Stunde bewegen. Bei Sternen wird die Winkelgeschwindigkeit in Winkelsekunden pro Jahr angegeben und Eigenbewegung genannt.
  • Nach dem dritten Kepler’schen Gesetz verhalten sich die Quadrate der Umlaufzeiten T der Planeten wie die dritten Potenzen der großen Halbachsen a ihrer Bahnen. Die Winkelgeschwindigkeiten verhalten sich demnach wie („Kepler-Rotation“). Gemäß dem zweiten Kepler’schen Gesetz ist die Winkelgeschwindigkeit eines Planeten auf einer elliptischen Umlaufbahn in Bezug auf die Sonne vom jeweiligen Abstand abhängig und variiert somit längs der Bahn. Sie ist am größten, wenn der Planet sich im Perihel befindet, und am kleinsten, wenn er sich im Aphel befindet.
  • Bei der Rotation eines starren Körpers um eine ortsfeste Achse ist die Winkelgeschwindigkeit ωおめが im Gegensatz zur Geschwindigkeit v vom Radius unabhängig. Seine Rotationsenergie und sein Drehimpuls sind Funktionen seiner Winkelgeschwindigkeit.
  • Die Winkelgeschwindigkeit eines Rotors in einem Elektromotor, der sich konstant mit 3.000 Umdrehungen pro Minute dreht, beträgt
Bei solchen Angaben von Drehzahlen werden auch Einheiten wie und verwendet, siehe dazu den Artikel Drehzahl.
  • Sei die Kreisfrequenz der harmonischen Schwingung eines Pendels mit der Amplitude . Dann berechnet sich die Winkelgeschwindigkeit des Pendels als Funktion der Zeit:
  • Bei Flugzeugen oder Pkw werden die Winkelgeschwindigkeiten in Komponenten des fahrzeugfesten Koordinatensystems angegeben. Entsprechend den x-, y-, z-Komponenten spricht man von Roll/Wankgeschwindigkeit, Nickgeschwindigkeit, Giergeschwindigkeit. Näheres dazu findet sich

Literatur

Die Winkelgeschwindigkeit wird in vielen Lehrbüchern und Formelsammlungen der Natur- und Ingenieurwissenschaften behandelt.

  • Horst Stöcker: Taschenbuch der Physik. 6. Auflage. Harri Deutsch, 2010, ISBN 978-3-8171-1860-1.
  • Lothar Papula: Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler 1. 12. Auflage. Vieweg+Teubner, 2009, ISBN 978-3-8348-0545-4.

Einzelnachweise

  1. Manfred Knaebel, Helmut Jäger, Roland Mastel: Technische Schwingungslehre. Springer-Verlag, 2009, ISBN 978-3-8351-0180-7, S. 8 ff. (books.google.com.).
  2. Jürgen Eichler: Physik. Grundlagen für das Ingenieurstudium – kurz und prägnant. Springer DE, 2011, ISBN 978-3-8348-9942-2, S. 112, urn:nbn:de:1111-20110310734 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Institut für Physik an der Universität Rostock (Hrsg.): Theoretische Physik II – Theoretische Mechanik. Kapitel 5 – Starrer Körper und Kreiseltheorie. S. 109 (Die nachstehende Seite ist nicht mehr abrufbar. (Suche in Webarchiven.) @1@2Vorlage:Toter Link/www.qms.uni-rostock.de online [abgerufen am 6. Juni 2017]).