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TIMESTAMPS
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20150815093858/http://www.zeit.de:80/1971/index
Das Jahr 1970 hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, was unser politisches Schicksal wohl noch für lange Zeit – vielleicht für diese ganze Dekade – sein wird: ein zermürbendes, scheinbar zufälliges Nebeneinander von Spannung und Entspannung.
Gunnar Jarrings, des UN-Vermittlers, dritter Anlauf zum Frieden in Nahost ist von Israelis und Ägyptern mit solch düsterem Pessimismus untermalt worden, daß sich die Frage nicht unterdrücken läßt, warum sie sich dann überhaupt auf eine so hoffnungslose Sache eingelassen haben.
Gewiß haben die Briten das Recht, Rudi Dutschke aus dem Lande zu weisen. Daß sie jedoch von diesem Recht Gebrauch gemacht haben, zeugt nicht eben von selbstsicherer – Staatsklugheit.
Gerhard Schröder in Moskau, Rainer Barzel in Warschau – und beide Patrouillenreiter sind rechtzeitig zurück zum CDU-Bundesparteitag in der nächsten Woche.
Was der guinesische Staatspräsident in seinem Land inszeniert, ist schlichte Lynchjustiz. Sekou Touré rief erst die Ortsausschüsse seiner Partei, dann die Nationalversammlung auf, „ohne Rücksicht auf Gefühle“ und frei von „juristischen Formalitäten“ über die Feinde des Volkes zu richten.
Woche für Woche veröffentlicht das Pentagon die amerikanischen Gefallenenlisten. Niemand zählt die Bauern, Frauen, Kinder, die seit sechs Jahren der amerikanischen Kriegsmaschine in Indochina zum Opfer fallen.
Die Nachrichten aus Guinea machen schaudern. Erst das Tribunal im Sportstadion, eine finstere Justizgroteske. Dann die gesteuerten Ausbrüche des Volkszorns, das Geifern der Demagogen wie Sekou Tourés Halbbruder Ismael: „Für Kompromisse ist kein Raum mehr.
Dreimal haben sowjetische Führer in den vergangenen zwanzig Jahren den Versuch unternommen, mit der Bundesrepublik ins Reine zu kommen: nach dem Tode Stalins, nach dem Ende der Berliner Krise, nach dem Amtsantritt der Regierung Brandt/Scheel.
Manche Politiker der Regierungsparteien und der Opposition scheinen die Gefahren zu spüren, daß in der Bundesrepublik abermals ein Glaubenskrieg ausbricht – diesmal über die Ostpolitik.
Mit Jordanien, Kuwait, Saudi-Arabien, dem Jemen und Liechtenstein gehörte die Schweiz bis zum letzten Sonntag zu den Ländern, in denen Frauen das Stimm- und Wahlrecht vorenthalten wurde.
Können zwei Staaten ihre Gegensätze nicht überwinden, so produziert die Diplomatie am Ende, um nicht alle Fäden abreißen zu lassen, ein Kulturabkommen.
In diesen Tagen ist es 25 Jahre her, seit die erste Nummer der ZEIT erschien. „Wie eine Mauer von Finsternis und Verzweiflung steht die Zukunft vor uns .
Die Gespräche der alliierten Botschafter werden jetzt auch offiziell als „Verhandlungen“ bezeichnet. Sie waren es schon einige Zeit lang, doch nun werden sie auch offiziell so genannt.
Die Überraschung war perfekt. Zwei Hundertschaften smarter Frankfurter Kaufleute, Jungmanager, Anwälte und Bankiers nebst ihren Frauen und Freundinnen krempelten die Machtverhältnisse in Frankfurts CDU um.
Über Bildung wird gestritten. Die Öffentlichkeit, die bisher gewohnt war, einen Begriff wie zum Beispiel „Gesamtschule“ den Experten als akademisches Disputationsfeld zu überlassen, ist ratlos: In der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung, die bis Ende Mai den nationalen Bildungsplan „vom Kindergarten bis zur Weiterbildung“ vorlegen soll, ist es zu einer scharfen Auseinandersetzung gekommen.
Im nahöstlichen Duell um den Frieden – oder wenigstens um eine Beilegung des Konflikts – hat der ägyptische Präsident Anwar Sadat zunächst einen eindeutigen Vorteil errungen.
Gerhard Schröder hat unmißverständlich und öffentlich seine Kanzlerkandidatur angemeldet. Die Alternative für die Christlichen Demokraten reduziert sich jetzt auf Barzel oder Schröder.
Skrupellose Geheimdienstmethoden warfen die Richter in Halle dem westdeutschen Fabrikanten Seeberger und dem Westberliner Industrievertreter Arff vor und verhängten über beide drakonische Strafen: lebenslange Haft für den einen, dreizehn Jahre für den anderen.
Die SPD ist doch eine großartige Partei“, scherzte der Berliner Parteivorsitzende Klaus Schütz am Abend nach der Wahl, „da verlieren wir sechs Prozent, und alle sind glücklich.
Die Verhältnisse sind nicht so, sie werden wohl auf lange Zeit nie so sein: daß Juden und Araber in Frieden miteinander leben, in guter Nachbarschaft; daß sie Botschafter austauschen, Handelsverträge abschließen, ihre Grenzen offenhalten.
Die Opposition macht im Bundestag eine gute Figur; sie führt in der Regel die besseren Redner ins Gefecht, und wo die Koalitionsparteien oft die abgewogene Langeweile von Regierungserklärungen verbreiten, zeigen sich die Christlichen Demokraten munter und angriffsfreudig.
Der Richterspruch läßt keinen Zweifel: Das Verbrechen von My Lai ist von amerikanischen Soldaten begangen worden. Ein Militärgericht in Fort Benning hat über Oberleutnant William Calley als einen der Hauptbeteiligten, sein „Schuldig“ gesprochen.
Vor Überraschungen wohl abgeschirmt und vor jeglicher Spontaneität bewahrt, läuft der XXIV. sowjetische Parteikongreß reibungslos über die Moskauer Bühne.
Die Motive gleichen sich fatal: der 20 jährige Gärtner Carsten Eggert, der mit einem feststehenden Messer den Bundespräsidenten umbringen wollte, der 21jährige Krankenpfleger Ekkehard Weil, der einen russischen Wachsoldaten am sowjetischen Ehrenmal anschoß, der Mann, der in La Paz mit den Fäusten auf Außenminister Scheel losging – sie alle wollten auf ihre Weise „politischen Widerstand“ leisten.
In Peking wurde Premiere gefeiert: Zum ersten Male seit der kommunistischen Machtergreifung im Jahre 1949 hob sich der undurchlässige Bambusvorhang für eine Gruppe von amerikanischen Sportlern.
Der niedersächsische Minister für Bundesangelegenheiten hat dem Lagerpersonal des Grenzdurchgangslagers Friedland verboten, unter den neuankommenden Polen-Aussiedlern Mitgliederwerbung für Vertriebenenverbände zu betreiben.
Rainer Barzel war in der letzten Woche vom Glück nicht begünstigt. Erst verärgerte er seine amerikanischen Gastgeber, weil er Auszüge seiner Rede im „Council on Foreign Relations“ entgegen den Gepflogenheiten der Presse übergab; der Inhalt – eine in dieser Härte bisher nie ausgesprochene Absage an die außenpolitische Gemeinsamkeit von Opposition und Bundesregierung – gab Sprechern des Regierungslagers die Möglichkeit festzustellen, der Ort für solche Erklärungen sei der Bundestag.
Wohl noch in keinem Jahr ist die Hannover-Messe ihrem Ruf, Orakel der Konjunktur zu sein, so wenig gerecht worden wie 1971. Zwar sind die Geschäfte auf der größten Industrieschau der Welt insgesamt nicht schlecht gelaufen, in manchen Bereichen sogar besser als erwartet – aber dennoch wußte keiner, wohin die Reise geht.
Es gibt nichts daran zu deuteln: Die CDU hatbei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein ihren größten Erfolg seit der Bildung der sozialliberalen Koalition in Bonn errungen.
Die Kriegsziele wechselten, die Truppen blieben. Zu Zeiten von John Foster Dulles sollten sie Vietnam als Bollwerk des Antikommunismus stärken, unter Kennedy den Anti-Guerilla-Krieg erproben, unter Johnson den Feind auf die Knie zwingen.
Das beherrschende politische Thema in Bonn ist auch in dieser Woche die Wirtschaft: die Bergfahrt der Preise, der Milliardenzufluß an Dollars, der Wechselkurs der Mark.
Belustigend ist nur, daß just einen Tag nach jener Ankündigung der südafrikanische Verteidigungsminister Botha voller Stolz bekanntgab: Seine Armee sei nicht auf Waffenimporte angewiesen – Südafrika produziere inzwischen fast alles selber.
Es ist deprimierend. Der Preis, den wir für die „Rückgewinnung der Stabilität“ zahlen müssen, wird immer höher. Und gleichzeitig werden die Zweifel daran, daß wir dieses Ziel am Ende erreichen werden, immer größer.