(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Apple, TikTok, Alphabet, Meta: Behörden gehen mit neuer Härte gegen die Allmacht der Techindustrie vor - manager magazin
Zum Inhalt springen
Zur Ausgabe
Artikel 27 / 46
Christoph Bornschein

Techindustrie Vom Ende des regulatorischen Winterschlafs

Christoph Bornschein
Die Kolumne „Vorwärts immer!“ von Christoph Bornschein
Apple, Google, TikTok – in Europa und den USA gehen Politik und Behörden mit neuer Härte gegen die Allmacht der Techindustrie vor. Nur reicht die Angst vor dem Kontrollverlust nicht – der Staat braucht Regulierungskompetenz.
aus manager magazin 5/2024
Mit neuen Gesetzen: EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Industriekommissar Thierry Breton nehmen sich Big Tech vor

Mit neuen Gesetzen: EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Industriekommissar Thierry Breton nehmen sich Big Tech vor

Foto:

Virginia Mayo / AP

Er ist’s! Mit dem Frühling erwacht in der Politik der Wille zur Wirksamkeit, tragen regulatorische Bedenk-, Arbeits- und Iterationsmühen immerhin schon Blüten: Regierungen und Behörden auf beiden Seiten des Atlantiks haben ihre regulatorische Stärke wiederentdeckt. Über die vergangenen Wochen verteilt sind neue Gesetze für den Umgang mit Techkonzernen und Plattformen in Kraft getreten oder konkrete Maßnahmen ergriffen worden.

Vorwärts immer!
Foto:

Max Threlfall

Christoph Bornschein ist Gründer von TLGG und Chefdigitalstratege von Omnicom in Deutschland. Die Unternehmensgruppe berät Firmen zu Kommunikation, digitalen Businessmodellen und Markentransformation.

Zur Kolumne „Vorwärts immer!“

Die EU setzt den Digital Markets Act (DMA) um, prüft und untersucht die Techunternehmen nun nach neuen Kriterien und gleist auch den AI Act auf. Die USA gehen gegen Apples iPhone-Monopol vor, zwingen Google zum Löschen riesiger Datenmengen und drücken womöglich den Verkauf von TikTok durch. Die konkreten Vorgänge und Zusammenhänge sind natürlich komplexer, als es diese einfache Zusammenfassung oder diese Kolumne wiedergeben kann, aber gestatten wir uns ruhig noch etwas mehr Vereinfachung: Das Primat der Politik gegenüber dem Macht- und Gestaltungsanspruch der Techkonzerne ist zurück!

Sehr lange haben staatliche Institutionen nur zugesehen, wie sich staatlich kaum kontrollierte Akteure in ihre Funktionsbereiche vorgearbeitet haben. Kernaufgaben und Wesensmerkmale des Staates – Kontrolle von Identität und Währung, Aufbau und Pflege kritischer Infrastruktur, Regulierung von Kommunikation und Wirtschaft – wurden dabei aufgeweicht, imitiert und neu distribuiert. Nicht nur in der öffentlichen Debatte ist jetzt offenbar ein Punkt erreicht, an dem der Kontrollverlust nicht mehr hingenommen und mit regulatorischen Mitteln zumindest wieder etwas fester auf den Büchsendeckel der Pandora gedrückt wird. Den DMA im Rücken, wagen sich die Regulatoren der EU gegen Alphabet, Apple und Meta aus der Deckung und kündigen umfangreiche Compliance-Untersuchungen an.

Was die staatlichen Maßnahmen auf beiden Kontinenten eint, ist ihr reaktiver Charakter, ihr „So dann doch nicht!“, das an die Stelle eines jahrelang gepflegten Einverständnisses oder doch zumindest einer Unentschlossenheit und scheinbaren Hilflosigkeit tritt. Was sie unterscheidet: Die USA regulieren einen eigenen Markt, auf dem es statt TikToks immer noch Reels, Shorts oder Stories gibt und auf dem Apple nicht der alleinige ernst zu nehmende Anbieter von Smartphones und den angeschlossenen Ökosystemen ist. Deutschland und Europa regulieren indes nach wie vor ausländischen Angeboten hinterher – oder lassen es ganz bleiben: Dass der DFB ab 2027 Nike statt Adidas trägt , sorgt hierzulande auch auf politischer Bühne für weit mehr Empörung als sein neuer Entertainmentpartner: TikTok, das Huawei des Daumenkinos.

Und kurz vor der Chinareise des Bundeskanzlers Olaf Scholz (65) erfuhr die Welt, dass auch er zukünftig auf TikTok senden wird . So fügt sich, wie immer, eins zum anderen.

Insofern konnte auch der Regulierungswonnemonat März nicht recht darüber hinwegtäuschen, dass staatliches Verständnis und staatliche Toolsets der Entwicklung der Welt noch hinterherhinken. Die durchaus berechtigte Angst vor dem Kontrollverlust ersetzt keine echte Bewertungskompetenz. Und die legislativen Maßstäbe der vordigitalen Zeit werden den Herausforderungen der Welt von heute kaum noch gerecht.

Zwar leitete auch die EU-Kommission, wie Kommissar Thierry Breton (69) in einem seiner „strongly worded letters“ ankündigte, schon im Februar ein Digital-Services-Act-Untersuchungsverfahren gegen TikTok ein. Aber das dabei angesprochene Themenpaket aus Datenschutz, Altersverifikation, Suchtverhalten, Werbetransparenz und Forschungszugang lässt ahnen, dass sich die Aufsichtsbehörden einer wirksamen Regulatorik nur mühsam annähern. Eine Welt, die Medien und Kommunikationsinfrastruktur, Computer und Fernseher, Sender und Empfänger, Produzenten und Konsumenten lange sauber trennte, hat den Umgang mit fließenden Übergängen noch nicht gefunden.

Nun möchte ich der Jahreszeit angemessen gern frühlingshaft optimistisch nach vorn blicken. Der AI Act ist als Maßnahme zur Regulierung künstlicher Intelligenz ein tatsächlich vielversprechender Versuch, regulatorisch mal vor die Kurve zu kommen. Ist er in seiner aktuellen Ausführung ideal? Wahrscheinlich nicht. Aber als Produkt intensiver Auseinandersetzung zeigt er: Wenn du Industriepolitik gestalten willst, hilft die Nähe zu einer eigenen Industrie dabei, Märkte und reale Bedürfnisse zu verstehen. Regulatorisches Kompetenzpotenzial, du bist’s. Dich hab ich vernommen.

Zur Ausgabe
Artikel 27 / 46