Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs trotz zwischenzeitlicher Forderungsabtretung

Der Umstand, dass das Schiedsgericht trotz einer ihm mitgeteilten Abtretung des streitgegenständlichen Anspruchs auf Zahlung an den Zedenten erkannt hat, führt nicht zu einem Verstoß gegen den inländischen ordre public.

Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs trotz zwischenzeitlicher Forderungsabtretung

Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Abtretung des geltend gemachten Anspruchs auf den Prozess keinen Einfluss. Gemäß § 1055 ZPO hat ein Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.

Im hier entschiedenen Fall hatte die Antragsgegnerin vorgebracht, dass die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch während des Schiedsverfahrens an die R. GmbH abgetreten habe. Sie rügt, das Schiedsgericht habe zwar die Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO gesehen, aber verkannt, dass der Kläger – ungeachtet der aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO folgenden gesetzlichen Prozessstandschaft – seinen Antrag auf Zahlung an die Zessionarin hätte umstellen müssen, um einer Abweisung der Klage als unbegründet zu entgehen[1]. Eine solche Antragsumstellung habe die Antragstellerin im Schiedsverfahren bis zuletzt nicht vorgenommen. Für den Bundesgerichtshof folgt hieraus jedoch kein Verstoß gegen den inländischen ordre public:

Nach weit überwiegender Auffassung im Schrifttum ist die Vorschrift des § 265 ZPO, die (unter anderem) die Befugnis zur Abtretung einer rechtshängigen Forderung und die daraus entstehenden prozessualen Folgen betrifft, im Schiedsverfahren nicht entsprechend anwendbar[2]. Stattdessen wird vertreten, dass der Zessionar das Schiedsverfahren übernehmen oder den Zedenten ermächtigen kann, es in eigenem Namen weiter zu betreiben, wobei der hiervon in Unkenntnis bleibende Schuldner durch eine (doppelt) analoge Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB geschützt ist[3]. Nach anderen Auffassungen soll die Berechtigung des Zedenten zur Fortführung des Schiedsverfahrens von der Schiedsvereinbarung oder dem anwendbaren materiellen Recht abhängen[4], der Zessionar unter Bindung an den bisherigen Stand in das Schiedsverfahren eintreten[5] oder ohne Bindung an den bisherigen Stand ein neues Schiedsverfahren beginnen müssen[6]. Welche Ansicht zutrifft, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

Der Umstand, dass das Schiedsgericht den Antragsgegner ungeachtet der offengelegten Abtretung zur Zahlung an die Antragstellerin verurteilt hat, führte selbst dann nicht zu einem Verstoß gegen den ordre public, wenn die Vorschrift des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechend anwendbar gewesen wäre.

Eine Parallele zur Verkennung der Rechtskraft, die in klaren Fällen einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public darstellt[7], trägt hier nicht. Im Streitfall läge sowohl dann, wenn das Schiedsgericht die Vorschrift des § 265 ZPO gänzlich zu Unrecht angewendet hätte, als auch dann, wenn es zwar zu Recht von einer Prozessstandschaft entsprechend § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgegangen wäre, den Antragsgegner aber zu Unrecht zur Zahlung an die nicht mehr aktivlegitimierte Antragstellerin verurteilt hätte, kein Ergebnis vor, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre. Das Argument der Rechtsbeschwerde, dass der Antragsgegner sich wegen seiner Kenntnis der Abtretung nicht mit Erfolg auf die Schutzvorschrift des § 407 Abs. 1 BGB berufen könne und daher der Gefahr einer – wegen des Sitzes der Antragstellerin in Zypern faktisch irreversiblen – Doppelzahlung ausgesetzt sei, überzeugt nicht. Gegen eine doppelte Inanspruchnahme kann sich der Antragsgegner zum einen durch eine Hinterlegung des Betrags und zum anderen durch eine nach § 409 Abs. 1 BGB auch gegenüber der Antragstellerin wirksame Zahlung an die Zessionarin schützen[8].

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – I ZB 31/21

  1. vgl. BGH, Urteil vom 29.08.2012 – XII ZR 154/09, NJW 2012, 3642 Rn. 8; zur Ausnahme bei einer dem Zedenten vom Zessionar erteilten Einzugsermächtigung vgl. auch BGH, Urteil vom 28.09.1982 – VI ZR 221/80, WM 1982, 1313 8]; Urteil vom 23.03.1999 – VI ZR 101/98, NJW 1999, 2110 9][]
  2. vgl. MünchKomm-.ZPO/Becker-Eberhard aaO § 265 Rn. 11; MünchKomm-.ZPO/Münch aaO § 1055 Rn. 23 mwN; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1042 Rn. 88 und § 1055 Rn. 33 mwN; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 1055 Rn. 6; Voit in Musielak/Voit aaO § 1042 Rn. 17 und § 1055 Rn. 8 mwN; Loritz, ZZP 105 [1992], 1, 15; Martens, Wirkungen der Schiedsvereinbarung und des Schiedsverfahrens auf Dritte, 2005, S. 168 bis 182; Pika, ZZP 131 [2018], 225, 245 f.; für eine Prozessstandschaft des Zedenten, soweit auch der Zessionar an die Schiedsvereinbarung gebunden ist, Schwab/Walter aaO Kap. 16 Rn. 7 und Kap. 21 Rn. 2 f.; Wagner in Die Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren, 2005, S. 22 bis 25; ebenso wohl auch Pfeiffer, SchiedsVZ 2017, 135, 139 f.; einschränkend Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und USamerikanischen Recht, 2014, S. 167 f.[]
  3. vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1055 Rn. 33; ähnlich wohl auch Martens aaO S. 182 bis 200; zu Letzterem auch Voit in Musielak/Voit aaO § 1042 Rn. 17; Pika, ZZP 131 [2018], 225, 246 f.; zweifelnd insoweit aber BGH, Urteil vom 17.03.1975 – VIII ZR 245/73, BGHZ 64, 122, 128 22][]
  4. vgl. Loritz, ZZP 105 [1992], 1, 15[]
  5. vgl. MünchKomm-.ZPO/Münch aaO § 1055 Rn. 27 f.; Pika, ZZP 131 [2018], 225, 246[]
  6. vgl. Voit in Musielak/Voit aaO § 1042 Rn. 17[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2018 – I ZB 9/18, SchiedsVZ 2019, 150 Rn. 6 und 13 bis 15 mwN[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1983 – VIII ZR 258/81, BGHZ 86, 337, 339 f. 15] mwN; Urteil vom 19.10.2000 – IX ZR 255/99, BGHZ 145, 352, 355 bis 357 15 f.][]