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Nvidia-Aktien: Wachstum ohne Ende, oder droht jetzt der Crash?

Nvidia verzeichnet ein weiteres Rekordquartal und die Aktien erreichen einen neuen Höchststand

Die amerikanischen Tech-Giganten wollen weniger abhängig von Nvidia sein. Doch noch führt kein Weg an den Hochleistungschips vorbei.

Eflamm Mordrelle, Marie-Astrid Langer, San Francisco 6 min
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Der Nvidia-CEO Jensen Huang stellte im März bereits wieder neue, nochmals leistungsfähigere Chips der Serie Blackwell vor.

Der Nvidia-CEO Jensen Huang stellte im März bereits wieder neue, nochmals leistungsfähigere Chips der Serie Blackwell vor.

Eric Risberg / AP

Es war wieder Nvidia-Tag. Seit der Lancierung von Chat-GPT vor 18 Monaten wird kein Unternehmensergebnis mit grösserer Spannung erwartet. Nvidia ist nicht nur der führende Hersteller von Hochleistungschips, das Unternehmen ist regelrecht der Taktgeber der künstlichen Intelligenz (KI). Ist Nvidia in Schwung, so ist es auch die KI-Revolution.

Die Prozessoren des kalifornischen Unternehmens sind nach wie vor unumgänglich, um KI-Software in Rechenzentren effizient zu betreiben. So gesehen ist Nvidia die wohl wichtigste Tech-Firma der Welt und damit auch eine wichtige Impulsgeberin an den Börsen.

Am Mittwoch zeigte sich, dass die KI-Welle noch lange nicht am Abebben ist. Wie bereits in den vergangenen Quartalen übertraf Nvidia auch zwischen Januar und März die kühnsten Finanzprognosen: Die Firma verzeichnete einen Rekordumsatz von 26 Milliarden Dollar, drei Mal so viel wie im Vorjahresquartal. Der Gewinn lag bei 14,8 Milliarden Dollar – vor einem Jahr waren es noch 2 Milliarden Dollar. Zudem erhöhte Nvidia seine Dividende von 4 auf 10 Cent pro Aktie und kündigte für den 7. Juni einen Aktiensplit im Verhältnis von 10 zu 1 an.

Keine andere Firma dieser Grösse kann derzeit solche Wachstumsraten bei gleichzeitig so hoher Profitabilität ausweisen: Die Bruttomarge stieg erneut auf bemerkenswerte 78 Prozent.

1993 von Jensen Huang gegründet, hatte sich Nvidia jahrelang auf Grafikkarten für Computerspiele spezialisiert. Nach Durchbrüchen in der Forschung zu künstlicher Intelligenz wettete Huang darauf, dass hier die nächste Technologiewelle passieren würde. Ab 2013 konzentrierte sich seine Firma deswegen darauf, die Rechenanforderungen von KI-Modellen befriedigen zu können, sprich Chips zu entwickeln, die viele Berechnungen gleichzeitig ausführen können. Die Wette ging auf: Als vor einem Jahr bekanntwurde, dass Chat-GPT auf einem Supercomputer von Nvidia trainiert worden war, stieg Nvidias Börsenwert an einem einzigen Tag um 200 Milliarden Dollar.

Heute brüsten sich Tech-Riesen von Meta bis Tesla damit, wie viele Nvidia-Chips sie in ihren Datenzentren haben. Die Zahl gilt als Indikator dafür, wie gut eine Firma in ihrer KI-Forschung ist. Je mehr Nvidia-Chips – so lautet die Idee –, desto grösser die Rechenleistung, desto besser die KI-Modelle einer Firma.

Neues Kursfeuerwerk an den Börsen?

Der CEO Huang bemühte sich am Mittwoch klarzumachen, dass der Boom noch lange nicht vorbei ist. «Die nächste industrielle Revolution hat begonnen», sagte er im Telefonat mit Investoren. Firmen und Länder täten sich mit Nvidia zusammen, um ihre traditionellen Datenzentren in «KI-Fabriken» zu verwandeln. «KI wird fast jeder Industrie enorme Produktivitätsgewinne bescheren.»

Am Donnerstag kletterten die Nvidia-Aktien auf über 1000 Dollar. In den vergangenen zwölf Monaten haben sich die Papiere im Wert verdreifacht. Das kontrastiert mit den Titeln von breiter aufgestellten Chipherstellern wie AMD, Broadcom, Micron oder Intel, die jüngst deutliche Verluste verzeichneten.

Wegen des steilen Kursanstiegs der letzten Monate gehört Nvidia nun zu den «Magnificent 7», dem Klub der sieben grössten amerikanischen Tech-Firmen. Nur Microsoft und Apple sind derzeit wertvoller, nie zuvor hat eine Firma so schnell ihre Marktkapitalisierung von 1 auf 2 Billionen gesteigert. Mit einem Börsenwert von fast 2,4 Billionen Dollar steht das 1993 gegründete Unternehmen für die Hälfte der Marktkapitalisierung der gesamten Halbleiterbranche. Mit einem solchen Gewicht bewegt Nvidia nicht nur die amerikanischen Indizes, sondern auch die Weltbörsen.

Den Finanzzahlen von Nvidia wird derzeit so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie Zinsentscheidungen der US-Notenbank Fed.

Kein Platz für Enttäuschungen

Doch die Investorenstimmung gegenüber dem KI-Boom und Nvidia ist nicht mehr uneingeschränkt zuversichtlich. Das zeigt die Entwicklung des Aktienkurses, der seit März nur wenig gestiegen ist. Einerseits, weil die letztjährige Begeisterung der Anleger für die Magnificent-7-Werte verflogen ist, und andererseits, weil immer mehr Zweifel aufkommen, dass Nvidia das rasante Wachstum aufrechterhalten kann.

Das hohe Innovationstempo bei KI könnte dabei zum Problem werden. Weil immer mehr Rechenleistung für immer komplexere KI-Anwendungen gefordert wird, bringt Nvidia in hohem Takt neue Superchips heraus – erst im August letzten Jahres wurde die Serie Grace Hopper lanciert. Im März wurden bereits wieder neue Chips der Serie Grace Blackwell vorgestellt, Stückpreis: 30 000 Dollar und mehr. Sie sollen doppelt so schnell Sprachmodelle wie Chat-GPT trainieren können.

Um sich nicht mit «veralteter Technik» einzudecken, halten sich nun gemäss einem Bericht der «Financial Times» Grosskunden wie Amazon mit Bestellungen für Hopper-Chips zurück. Sie warten lieber auf die Verfügbarkeit der neuen Blackwell-Superchips.

Etliche von Nvidias Grosskunden haben zwar angekündigt, weiterhin Dutzende Milliarden für neue KI-Chips für ihre Rechenzentren auszugeben. Doch unter Marktbeobachtern geht nun die Angst um, dass es wegen Blackwell zu einer Bestellpause kommen könnte.

Im Telefonat mit Investoren versuchte Huang diese Befürchtungen zu beschwichtigen: Die neuen Blackwell-Chips seien bereits in Produktion, im laufenden zweiten Quartal würden die ersten von ihnen ausgeliefert, und noch im Laufe dieses Jahres werde Blackwell «deutlich» zum Umsatz beitragen. Zudem werde Nvidia nun ständig neue Chips präsentieren. «Wir sind jetzt bei einem jährlichen Rhythmus», sagte Huang.

Dennoch sind die Entwicklungen in der Halbleiterbranche derzeit eher ernüchternd und könnten auch Nvidia betreffen. So meldete im April der niederländische Chipausrüster ASML einen Bestellungseinbruch bei Lithografiesystemen, die zur Chipherstellung gebraucht werden. Nvidia entwickelt die KI-Chips lediglich, die Produktion übernehmen Auftragsfertiger. Bei alternativen Anbietern von KI-Chips wie AMD oder Qualcomm stagnierten die Gewinne jüngst, bei Intel war er gar rückläufig.

Die Finanzchefin Colette Kress sagte am Mittwoch auch, dass die Nachfrage nach Chips der Bauart Hopper wie auch der Bauart Blackwell das Angebot weiter übersteige und dies wohl noch bis nächstes Jahr der Fall sein werde.

Wackelt Nvidias Thron bereits?

Um im Wettlauf um die kompetitivsten KI-Angebote zu bestehen, liefern sich zwar die Tech-Giganten Amazon, Microsoft und Alphabet derzeit ein Wettrüsten um die leistungsfähigste KI-Infrastruktur. Doch trotz der Bereitschaft, Dutzende Milliarden zu investieren, sind sie in hohem Masse von der Technologie und der Lieferfähigkeit von Nvidia abhängig.

Um diese Abhängigkeit zu reduzieren, sind Nvidias grösste Kunden wie Amazon, Meta oder Google daran, eigene KI-Chips zu entwickeln. Das ist für Nvidia ein Problem, denn die Abhängigkeit ist durchaus wechselseitig: Die grossen Betreiber von Cloud-Computing-Plattformen wie Amazon, Microsoft und Alphabet machen 45 Prozent von Nvidias Umsatz mit Datenzentren aus, umgerechnet stolze 10 Milliarden Dollar.

Nun wollen Nvidias grösste Kunden nicht nur bei KI-Chips, sondern auch bei der Software zu Konkurrenten werden. Damit leistungsfähige Chips für KI-Anwendungen eingesetzt werden können, braucht es nämlich auch eine effiziente Softwareplattform. Der Nvidia-Chef Jensen Huang hält diese Software für das eigentliche «Betriebssystem» der KI. Jene von Nvidia namens Cuda gilt als besonders nutzerfreundlich.

Unter der Führung von Open AI entsteht seit 2021 eine neue Betriebssoftware namens Triton, die als Open-Source-Lösung angeboten wird – also als für alle offen und gratis zugänglich. Nvidia-Konkurrenten wie AMD, Intel und Qualcomm können künftig ihre Chips dann auch über Triton anbieten, so dass Kunden nicht mehr exklusiv auf Nvidia angewiesen sind.

Die Dominanz von Nvidia bei KI-Chips wie auch der Betriebssoftware dürfte dennoch nicht unmittelbar gefährdet sein. Denn selbst wenn Triton wettbewerbsfähig ist, werden Nvidias Konkurrenten Jahre brauchen, um den Vorsprung von Cuda wettzumachen.

Huang bemühte sich am Mittwoch zu betonen, dass Nvidia einen einzigartigen Vorsprung habe, der schwer einzuholen sei.

Das belegen auch Schätzungen von Citi: Die Analysten dort gehen davon aus, dass Nvidias Anteil am Markt für generative KI-Chips von etwa 81 Prozent (2025) auf etwa 63 Prozent (2030) sinken könnte. Nvidia dürfte den Markt für KI-Hardware also noch einige Jahre dominieren.

«Mein Ratschlag», sagte der Wedbush Security-Analyst Dan Ives am Mittwoch nach Bekanntgabe der Quartalszahlen, «zu Nvidia lautet heute: Holt euch Popcorn, der Höhenflug geht erst los.»