Es scheint Bewegung in die Nahost-Politik Washingtons und Londons zu kommen. Der britische Premier hielt am Montagabend eine Rede, die weithin als ein "Strategiewechsel" gedeutet wurde. Die Süddeutsche Zeitung behauptete sogar in ihrer Schlagzeile: "Blair umwirbt Iran und Syrien". Doch diese Interpretation entpuppt sich als Wunschdenken, durch die Fakten wird sie nicht gestützt.

Gewiss hat Blair dem Iran die "Partnerschaft" angeboten, und er schickte bereits vor vier Wochen einen hochrangigen Sonderbotschafter und zugleich seinen Geheimdienstchef zu Sondierungsgesprächen nach Damaskus. Doch sind seine Avancen in Richtung Teheran mit klaren Bedingungen verbunden. Iran habe die Wahl: Er müsse den Nahostfriedensprozess "fördern, statt ihn zu unterlaufen"; er müsse die Unterstützung des Terrors im Libanon und im Irak "beenden" und "seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen", sprich: die Anreicherung von Uran beenden. In dem Falle wäre "eine neue Partnerschaft möglich". Andernfalls bleibe für Teheran nur "Isolation".

Das, was Blair dem Iran mitteilte, unterscheidet sich von George W. Bushs Äußerungen zum gleichen Thema lediglich im Tonfall. Bush war direkter und unverblümter, benannte klipp und klar das Ende der Anreicherung von Uran als Vorbedingung für mögliche Verhandlungen. In der Sache aber sind sich die beiden Regierungschefs ziemlich einig: Iran muss sich ändern, wenn er international ernst genommen und ein Verhandlungspartner werden will.

Allerdings haben die veränderten Umstände und die wachsenden Schwierigkeiten im Irak sowohl Bush wie Blair gezwungen, das Thema des Dialogs mit Teheran und Damaskus aufzugreifen. Die Irak Study Group unter dem ehemaligen US-Außenminister James Baker wird Anfang Dezember ihre Empfehlungen vorlegen. Man darf damit rechnen, dass sie empfehlen wird, Damaskus und Teheran über den Irak zu konsultieren, womöglich im Rahmen einer regionalen Konferenz.

Bush und Blair lag daran, Pflöcke einzuschlagen. Sie haben Bedingungen formuliert, die Iran und Syrien kaum akzeptieren werden. London wie Washington glauben nicht, dass die beiden Länder bereit sein könnten, die Probleme der Koalitionstruppen im Irak zu mindern.

In ihrer tiefen Skepsis dürften sich Amerikaner wie Briten durch einen Bericht des Daily Telegraph bestätigt fühlen. Das Blatt berichtet unter Berufung auf iranische und westliche Geheimdienstquellen, dass der Iran dabei sei, die Kontrolle über al-Qaida zu übernehmen. Teheran setze alles daran, Saif-Al-Adel in die Position eines der beiden Stellvertreter Bin Ladens zu hieven, nachdem der Ägypter in seinem Teheraner Exil enge Beziehungen zu den Revolutionären Garden des Iran entwickelt hätte. Die gravierenden religiösen und ideologischen Gegensätze zwischen der schiitischen Theokratie und den sunnitischen Islamisten Bin Ladens sind in den Hintergrund getreten. Der Kampf gegen den gemeinsamen westlichen Feind und den amerikanischen "Satan" besitzt Vorrang.