Irans Parlament hat staatlichen Medien zufolge mit großer Mehrheit harte Strafen für inhaftierte Demonstranten gefordert. In einer Erklärung forderten demnach 227 von 290 Parlamentariern die Justiz auf, entsprechende Urteile zu fällen. Den Teilnehmern der jüngsten landesweiten Proteste warfen die Politiker einen "Krieg gegen Gott" vor, was gemäß islamischem Recht die Todesstrafe zur Folge haben könnte. Hardliner und konservative Politiker haben in Irans Parlament die Mehrheit.

In der Erklärung hieß es der staatlichen Nachrichtenagentur Irna zufolge weiter: "Amerika und andere Feinde sind bei den Unruhen offen ins Feld getreten und haben die Verantwortung übernommen, die Unruhen anzustiften und zu organisieren." Bereits in den vergangenen Wochen hatte Teheran seine Erzfeinde für die Proteste verantwortlich gemacht. Politische Reformen sind bisher nicht in Sicht. Irans Justiz hatte angekündigt, keine Gnade zeigen zu wollen.

Bei der Erklärung handelte es sich zunächst um einen Appell. Dass Todesurteile in dem von den Parlamentariern geforderten Ausmaß ausgesprochen oder vollstreckt werden, gilt als unwahrscheinlich.

Einsatzkräfte schießen erneut auf Demonstranten

Im Iran haben derweil erneut zahlreiche Menschen gegen die Regierung demonstriert. Laut Menschenrechtsorganisationen fanden die Proteste vor allem in den kurdischen Gebieten sowie an den Universitäten des Landes statt. Bei Protesten in der Stadt Mariwan in der nordwestlichen Provinz Kurdistan eröffneten Sicherheitskräfte das Feuer und verletzten 35 Menschen, wie die Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz in Oslo mitteilte. Die Demonstranten sollen bei den Protesten das Büro des Parlamentsabgeordneten der Stadt angegriffen haben. Die Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden.

Mehr als 14.000 Menschen wurden laut Menschenrechtlern seit Beginn der systemkritischen Proteste festgenommen. Auslöser der Proteste in der Stadt war der Tod einer Doktorandin am Samstag, die nach ihrer Teilnahme an Protesten getötet worden sein soll. Staatsmedien wiesen Vorwürfe zurück, Sicherheitskräfte seien gewaltsam vorgegangen – wie bereits in den vergangenen Wochen, nachdem junge Menschen bei Protesten getötet worden waren. Seit Ausbruch der Proteste vor sieben Wochen hat der Tod von vielen jungen Menschen dazu geführt, dass Menschenmassen auch nach der traditionellen Trauerzeit von 40 Tagen auf die Straßen gehen.

Auslöser der systemkritischen Massenproteste im Iran war im vergangenen Monat der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem. In Kurdengebieten sollen Sicherheitskräfte besonders hart gegen Proteste vorgehen.