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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Pelz
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Pelz

Hintergrund:
Die Pelzmützen der Royal Canandian Mounted Police sollen abgeschafft werden.

 

Haarige Moral

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Zu den gewohnten Erscheinungen des Herbstes gehört die Hirschbrunft, der Abschied der Zugvögel, das Fallen der Blätter und das Wachstum der Pilze. In den letzten Jahren ist noch ein Phänomen hinzugekommen: Der Protest gegen Pelzmäntel. Sobald die ersten kalten Tage den Menschen frösteln lassen, ketten sich Tierrechtler irgendwo an oder marschieren nackt durch Fußgängerzonen. Bunte Illustrierte und die handelsübliche Prominenz aus Fernsehen und Showgeschäft unterstützen das Treiben in Wort, Schrift und Bild. Wir haben uns daran gewöhnt, wie ans nasskalte Wetter. Doch dieses Jahr riss uns eine Meldung mitten aus dem Gähnen: Die Kanadische Regierung erwägt, die Winter-Pelzmützen der berühmten Royal Canandian Mounted Police auszurangieren. Sie sollen dann durch Imitate aus Kunststoff ersetzt werden.

Die legendären "Mounties", dass sind die Männer mit den schmucken roten Uniformen, die auch in Deutschland jedes Kind kennt. Was ist nur in Ottawa los? Antwort: Das gleiche wie in Deutschland. Selbst in ein einem Land, in dem immerhin noch 50.000 Trapper leben, gelingt es inzwischen wenigen lautstarken Aktivisten ihre Scheinmoral durchzusetzen.

Die Mützen der Mounties bestehen traditionell aus dem Fell der Bisamratte. Etwa 200.000 dieser Pelztiere werden in Kanada ohnehin jedes Jahr erlegt. Auch in Deutschland töten ehrenamtliche und nebenberufliche Bisamfänger sie zu Zehntausenden, weil die Nager gern Deiche, Bahndämme und Uferbefestigungen untergraben. Eine einzige Bisamratte bewegt in ihrem Leben fünf Kubikmeter Erde (und ein Rudel besteht aus 30 bis 40 Tieren). Die Gemeinden geben für die Schadensbegrenzung viel Geld aus. In Deutschland wird ein Großteil der Kadaver samt Fell als Müll entsorgt, weil die eigentlich wertvollen Bisampelze nicht mehr absetzbar sind. Wenn die Kanadische Regierung den Tierrechtlern jetzt tatsächlich nachgeben sollte, werden auch dort die toten Bisamratten weggeworfen werden und die Mounties schwitzen unter Synthetikhauben. Ein besseres Symbol für den Wahnwitz des modischen Moralaktivismus könnte sich niemand ausdenken.

Aber es ist keine Ausnahme: Auch fast alle Füchse, die in Deutschland bei der Jagd anfallen, enden als Müll statt als Mantel. Pelz nein danke! Füchse müssen mangels natürlichen Feinden reguliert werden. Bisamratten verursachen wirtschaftliche Schäden, wenn sie überhand nehmen. Obwohl mittlerweile jeder Sonntagsredner die Nachhaltigkeit beschwört, werden wertvolle Ressourcen bedenkenlos vernichtet, weil eine einflussreiche Minderheit es anrüchig findet, Kleidungsstücke aus behaartem Leder (nichts anderes ist Pelz) zu tragen.

Wenn dem pseudo-moralische Ansprüche grotesk werden, haben die Menschen schon immer einen Ausweg gefunden: die gute alte Doppelmoral. In dieser Hinsicht weisen uns die Neuseeländer den Weg. Die weltweite Anti-Pelz-Kampagne hat auch in Neuseeland zur problematischen Vermehrung bestimmter Arten geführt und obendrein viele Jobs vernichtet. Schon vor Jahren brach dort die Nachfrage für Fuchskusu-Felle ein (in Deutschland unter dem Handelsnamen "Opossum" bekannt). Diese possierlichen Blattfresser wurden vor langer Zeit aus Australien eingebürgert und machten sich sogleich über die neuseeländischen Wälder her. Sie gefährdeten seltene Baumarten dermaßen, dass auch die dortigen Naturschützer vehement für die Jagd eintreten.

Doch der Fang ist wertlos, seit in Westeuropa und Nordamerika Pelz verpönt ist. Jetzt haben neuseeländische Textilspezialisten ein Verfahren erfunden, wie das wollige Fell des Fuchskusus verwebt werden kann. Anstatt es mitsamt dem Leder zu Pelzmänteln zu vernähen, kann man nun Wollpullover daraus stricken. Für die Tiere ist das unerheblich, weil natürlich niemand die Fuchskusus lebend fängt und anschließend rasiert. Aber was tut man nicht alles für die Mode-Bigotterie in London, Paris und Berlin.

Unser Vorschlag für die kanadische Regierung: Rasiert die Ratten! Die Mounties bekommen hübsche Strickmützchen aus Bisamhaaren, den Tierrechtlern wird der unerträgliche Anblick von Pelzkappen erspart, die Schädlinge dürfen weiter bekämpft werden. Zusätzlich entstehen neue Arbeitplätze (Bisamrasur, Verweben der Bisamwolle). Alle werden glücklich und jeder bekommt ein extragutes Gewissen.

 

Erschienen in Die Welt vom 15.10.2003