Sechs Kategorien chinesischer Schriftzeichen
Die sechs Kategorien der chinesischen Schrift (chinesisch
Piktogramme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Eine geringe Zahl der Schriftzeichen fällt in die Kategorie der Piktogramme (chinesisch
Die Bilder von Objekten (Piktogramme) versuchen, die Realität mit einfachen Symbolen wiederzugeben. Diese Piktogramme wurden zunehmend stilisiert und verloren dadurch ihren bildhaften Charakter, insbesondere beim Übergang von Orakelknochen-Schrift zur Siegelschrift und später zur Kanzleischrift. Deshalb sind die ursprünglichen Bedeutungen in der modernen Schreibweise nicht mehr ohne weiteres ersichtlich. Dasselbe gilt weitgehend auch für die einfachen und zusammengesetzten Ideogramme.
Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einfache Ideogramme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In die Kategorie der einfachen Ideogramme (chinesisch
Symbolische Darstellung von abstrakten Gedanken durch Indikatoren stehen für einfache Abstrakta, wie
Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
eins | zwei | drei | oben | unten | Wurzel | Wipfel |
Zusammengesetzte Ideogramme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zusammengesetzte Ideogramme (chinesisch
Die symbolischen Zusammensetzungen abstrakter Gedanken mit Hilfe von Ideogrammen bestehen aus zwei oder mehreren Zeichen, von denen jedes zur Bedeutung beiträgt. Das Wort
Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kombination | Bedeutung |
---|---|
zwei Bäume: „Wald, Forst, Gehölz, -wäldchen, -hain“ | |
drei Bäume: „Fülle von Bäumen“ | |
亻 + xiū
|
Mensch, an einen Baum gelehnt: „ausruhen“ |
Vogel auf einem Baum: „sich versammeln“; vereinfacht von 雧 (3 Vögel auf einem Baum) | |
zwei Vögel über der rechten Hand: „Paar“ | |
Frau und Kind: „gut“ | |
Sonne hinter einem Baum: „Osten“ | |
Sonne und Mond: „Licht“ | |
Feuer unter Holz: „brennen“ | |
禾 + qiū
|
Getreide und Feuer: „Herbst“ |
Phonogramme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Kategorie der Phonogramme (chinesisch
Die Sinn- und Lautkombinationen der Phonogramme bestehen aus dem Radikal als semantischer (Sinnträger, Signifikum) und einer phonetischen Komponente (Lautträger, Phonetikum). Das Chinesische hat relativ wenig Silben. Das bedeutet, dass viele Zeichen gleich ausgesprochen werden. Das führte dazu, dass neue Zeichen geschaffen wurden, indem ein Teil den Laut und der andere Teil einen Hinweis auf die Bedeutung angibt. Im Laufe der mehr als 2000 Jahre andauernden Entwicklung des Chinesischen über das Altchinesische und Mittelchinesische zum modernen Hochchinesisch hat sich die Aussprache der Lautträger zum Teil sehr stark verändert, sodass die moderne Aussprache des Zeichens stärkere Abweichungen aufweist.
Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Sinngeber | Lautgeber | Zeichen |
---|---|---|
氵 Wasser (Radikal 85)
|
沐 mù, „sich die Haare waschen“
| |
氵 Wasser (Radikal 85)
|
淋 lín, „ausgießen“
| |
艹 Gras (Radikal 140)
|
Beispiele zum Zeichen
嗎 ma
|
駡 mà
|
碼 mǎ
| |
Radikal 187 „Pferd“ | Radikal 30 („Mund“) + ma = Fragepartikel ma | zweimal Radikal 30 („Mund“) + ma: „schimpfen“ | Radikal 112 („Stein“) + ma: „Zahlzeichen, Ziffer“ |
螞 mǎ, mà
|
瑪 mǎ
|
獁 mǎ
|
媽 mā
|
Radikal 142 („Insekt“) + ma: in folgenden Kombinationen: 螞蟻 mǎyǐ „Ameise“, 螞蟥 mǎhuáng „Blutegel“, 螞蚱 màzhà „Heuschrecke“ | Radikal 96 („Jade“) + ma: in der Kombination |
Radikal 94 („wildes Tier“) + ma: in der Kombination |
Radikal 38 („Frau“) + ma: „Mutter“ |
Beispiele zum Zeichen
蜻 qīng
|
||||
Radikal 174 „blaugrün“ | Radikal 85 („Wasser“) + qing: „klar, sauber“ | Radikal 142 („Insekt, Wurm“) + qing: „Libelle“ | Radikal 195 („Fisch“) + qing: „Makrele“ | Radikal 61 („Herz“) + qing: „Gefühl, Liebe“ |
請 qǐng
|
菁 jīng
|
睛 jīng
| ||
Radikal 72 („Sonne“) + qing: „klar, heiter“ | Radikal 149 („sprechen“) + qing: „bitten“ | Radikal 119 („Reis“) + jing: „Extrakt, Essenz, Geist“ | Radikal 140 („Gras“) + jing: „üppig gedeihend“ | Radikal 109 („Auge“) + jing: „Augapfel“ |
Entlehnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die heutigen Schriftzeichen bestehen zu einem recht kleinen Teil aus Entlehnungen (chinesisch
Bei den Zeichen für gleichlautende Wörter verwendete man nach dem Rebusprinzip Zeichen für Wörter, die inhaltlich verschieden waren, aber gleich oder sehr ähnlich klangen. Das Zeichen 其 bezeichnete ursprünglich eine spezielle Art von Schaufeln aus Bambus. Da die als Pronomen „er/sie/es“, eine Fragepartikel und eine Futurpartikel sehr ähnlich oder gleich ausgesprochen wurden, wurde das Zeichen in der Shang- und Zhou-Zeit für diese abstrakten Wörter entlehnt. In den meisten Fällen wurde die Entlehnung (
Piktogramm oder Ideogramm |
neue Bedeutung | ursprüngliche Bedeutung | neues Zeichen für die ursprüngliche Bedeutung |
---|---|---|---|
其 | qí "er, sie es, dies" | jī "Schaufel" | |
rán "Art; wie das da" | rán "brennen" | ||
běi "Nord" | bèi "Rücken" | ||
yāo "fordern, verlangen", yào "wollen, wichtig" | yāo "Taille, Hüfte" | ||
shǎo "wenig" | shā "Sand" | ||
yǒng "immer, ewig" | yǒng "schwimmen" |
Synonyme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Synonyme (chinesisch
Zhuǎnzhù-Zeichen sind Xíngshēng-Zeichen für Synonyme, die oft ihren Ursprung in verschiedenen Dialekten haben. Sie werden so konstruiert, dass man das Radikal des ursprünglichen Zeichens beibehält und den Aussprache andeutenden Teil durch einen passenden anderen ersetzt. Beispiele:
顛 ist ein Synonym für
Es muss sich aber nicht um Synonyme im eigentlichen Sinne handeln.
Häufigkeit der Kategorien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Sinologe John DeFrancis nennt folgende Zahlen für die Häufigkeit der Kategorien in einer vorklassischen Zeichensammlung und drei sehr umfangreichen klassischen Wörterbüchern über die Jahrtausende.[1] Zu beachten ist dabei, dass die Unterscheidung in die sechs Kategorien auf das Shuowen im 2. Jahrhundert zurückgeht.
Kategorie | Orakelknochen (Shang-Dynastie) |
Shuowen (2. Jhd.) |
Zheng Qiao (12. Jhd.) |
Kangxi (18. Jhd.) |
---|---|---|---|---|
Piktogramme | 227 (23 %) | 364 (4 %) | 608 (3 %) | ±1.500 (3 %) |
Einfache Ideogramme |
20 (2 %) | 125 (1 %) | 107 (1 %) | |
Zusammengesetzte Ideogramme |
396 (41 %) | 1.167 (13 %) | 740 (3 %) | |
Phonogramme | 334 (34 %) | 7.697 (82 %) | 21.810 (93 %) | 47.141 (97 %) |
Summe | 977 | 9.353 | 23.265 | 48.641 |
Demnach hat der prozentuale Anteil der Phonogramme stetig auf Kosten aller anderen Kategorien stark zugenommen, sodass die weitaus meisten der heute bekannten Zeichen aus einem Sinnträger plus einem Lautträger gebildet wurden.
Diese Zahlen sagen jedoch nicht viel über die Häufigkeit der einzelnen Schriftzeichen in einem modernen Text aus. Beispielsweise gehören von den 100 häufigsten chinesischen Zeichen etwa 1⁄5 nicht zur Kategorie Phonogramme.[2]
Moderne Kategorien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Shuowen präsentiert eine alte, traditionelle Kategorisierung mit Erklärungen, wie sie zur damaligen Zeit als richtig verstanden wurden. Die Sechs Kategorien waren bis in die Moderne das Standardsystem für die Kategorisierung chinesischer Schriftzeichen. Generationen von Gelehrten modifizierten es, ohne die Grundbegriffe infrage zu stellen. Tang Lan (
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ John DeFrancis: The Chinese Language. Fact and Fantasy. University of Hawaii Press, Honolulu, 1984; S. 84.
- ↑ Most common Chinese characters - ordered by frequency