Der gerichtlich aufgehobene ausländische Schiedsspruch

Ein ausländischer Schiedsspruch, der von einem Gericht dieses Staates aufgehoben wurde, kann in Deutschland nicht mehr für vollstreckbar erklärt werden.

Der gerichtlich aufgehobene ausländische Schiedsspruch

Nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10.06.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ)[1]. Die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bleiben unberührt (§ 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Art. V Abs. 1 Buchst. a bis d, Abs. 2 Buchst. a und b UNÜ regeln – in gleicher Weise wie § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a bis d, Nr. 2 a und b ZPO für inländische Schiedssprüche – die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs.

Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ enthält (unter anderem) als zusätzlichen Versagungsgrund, dass der Schiedsspruch von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben worden ist. Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ lassen die Bestimmungen des Übereinkommens die Gültigkeit mehr- oder zweiseitiger Verträge, welche die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt. Eine im Sinne von § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO sowie Art. VII Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung stellt insoweit das Europäische Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.04.1961 (EuÜ)[2] dar.

Deutschland und die Ukraine sind jeweils Vertragsstaaten sowohl des UNÜ als auch des EuÜ. Art. IX EuÜ schränkt Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ dahingehend ein, dass die Aufhebung durch die Gerichte des Staates, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, nicht generell, sondern nur dann für eine Versagung ausreicht, wenn die Aufhebung durch das staatliche Gericht auf einen der in Art. IX Abs. 1 Buchst. a bis d EuÜ angeführten Gründe gestützt worden ist (vgl. Art. IX Abs. 2 EuÜ). Hierzu gehört unter anderem die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. IX Abs. 1 Buchst. d EuÜ), nicht aber ein Verstoß gegen den nationalen ordre public.

Zwar ist umstritten, ob die Regelung über die Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 ZPO auf Entscheidungen ausländischer Gerichte, durch die ein Schiedsspruch aufgehoben worden ist, Anwendung findet, das heißt, ob das über die Anerkennung des Schiedsspruchs befindende Gericht inzidenter zu prüfen hat, ob dem aufhebenden Urteil in einem Verfahren nach § 328 ZPO die Anerkennung zu versagen wäre.

Überwiegend wird dies verneint[3]. Auch in den sogenannten Denkschriften zum UNÜ[4] und zum EuÜ[5] wird das Verfahren nach § 328 ZPO nicht erwähnt, vielmehr davon gesprochen, es sei „an sich selbstverständlich, dass die Aufhebung des Schiedsspruchs der Anerkennung und Vollstreckung entgegenstehen muss“[6] beziehungsweise „das Gericht des Vollstreckungsstaates hat sich bei der Prüfung, ob das Aufhebungsurteil anzuerkennen sei, darauf zu beschränken, festzustellen, ob das Aufhebungsurteil auf einem der genannten vier Gründe beruht“, wobei es „keinesfalls nachprüfen darf, ob das Gericht des Urteilsstaates das Gesetz und das Übereinkommen richtig angewendet hat“[7].

Von den Autoren, die eine Anwendung des § 328 ZPO im Grundsatz bejahen, wird hiervon zumeist § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ausgenommen, um Spannungen und Divergenzen mit dem Schiedsverfahrensstatut zu vermeiden[8].

Lediglich vereinzelt[9] wird die Meinung vertreten, auch § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO gelte. Zur Begründung wird angeführt, der Schuldner des Schiedsspruchs erfahre keinen Nachteil, wenn die Aufhebungsentscheidung mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit im Vollstreckungsstaat nicht anerkannt werden könne, da er die Gründe, die er im Ausland gegen den Schiedsspruch geltend gemacht habe, genauso im inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahren wieder vorbringen könne. Hierbei wird jedoch übersehen, dass es nicht um den Schutz des Schuldners, sondern um die in den internationalen Übereinkommen/Verträgen geregelte Frage der Anerkennung von Schiedssprüchen und deren Aufhebung im Ausland geht. Zwar sind die in Art. IX Abs. 1 Buchst. a bis d EuÜ angeführten Gründe im Kern mit denen des Art. V Abs. 1 Buchst. a bis d UNÜ identisch, also vom deutschen Gericht unabhängig von einer Aufhebung des Schiedsspruchs im Ausland (Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ) zu prüfen. Durch Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ, Art. IX EuÜ wird aber dem deutschen Gericht die Beachtung der ausländischen Entscheidung aufgegeben, auch wenn es bei einer eigenen Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 Buchst. a bis d UNÜ keinen Verstoß feststellen könnte. Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ, Art. IX EuÜ enthalten insoweit einen eigenständigen, über Art. V Abs. 1 Buchst. a bis d UNÜ hinausgehenden Versagungsgrund. Würde man die Anwendbarkeit von Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängen machen, stünde dies auch in Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche künftig generell – und nicht nur gegenüber Vertragsstaaten des UNÜ – nach dem UNÜ richtet[10]; die Bundesregierung hat dementsprechend den zunächst[11] erklärten Vertragsstaatenvorbehalt zum UNÜ zurückgenommen[12].

Die Frage der Anwendbarkeit des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist deshalb nicht im obigen Sinn klärungsbedürftig. Im Übrigen übersieht die Antragstellerin, dass selbst dann, wenn man die Verbürgung der Gegenseitigkeit für notwendig hielte, es nicht darauf ankäme, ob generell im Verhältnis zur Ukraine die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen verbürgt ist[13]. Vielmehr würde es für die Frage der Anerkennung und Vollstreckung des hier streitgegenständlichen ukrainischen Schiedsspruchs ausreichen, wenn die Gegenseitigkeit im Hinblick auf einen Schiedsspruch aufhebende gerichtliche Entscheidungen gewährleistet ist. Sowohl Deutschland als auch die Ukraine sind aber Vertragsstaaten des UNÜ und des EuÜ und haben sich insoweit den Regelungen in Art. V UNÜ, Art. IX EuÜ unterworfen. Damit ist die Gegenseitigkeit rechtlich abgesichert. Dass sich in der Gerichtspraxis die Ukraine an das UNÜ/EuÜ nicht halten würde, ist weder mit der Rechtsbeschwerde vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. April 2013 – III ZB 59/12

  1. BGBl.1961 II S. 121[]
  2. BGBl.1964 II S. 426[]
  3. vgl. nur OLG Rostock, BB 2000, Beilage 8, S.20, 23; Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 1061 Rn 18, MünchKomm-ZPO/Münch, 3. Aufl., § 1061 Rn. 12; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 30 Rn. 14[]
  4. BT-Drucks. III/2160, S. 26, 27 zu Art. V[]
  5. BT-Drucks. IV/1597, S. 36 f zu Art. IX[]
  6. aaO S. 27[]
  7. aaO S. 36 f[]
  8. vgl. etwa Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 328 Rn. 267, § 1061 Rn. 25, derselbe in Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 3944; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Anhang zu § 1061 Rn. 131a, der nur § 328 Abs. 1 Nr. 2, 4 ZPO anwenden will[]
  9. vgl. etwa Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO, 2. Aufl., § 1061 Rn. 120[]
  10. vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 61 f[]
  11. BGBl.1962 II 102[]
  12. BGBl.1999 II 7[]
  13. vgl. zu letzterem Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., E. 1 Rn. 247; Solotych in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Loseblattsammlung , O 115210 f; siehe auch den Hinweis bei Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Anh. V S. 3307 auf die Reformgesetze in der Ukraine im Jahr 2010[]