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Plastinator Gunther von Hagens: Tote in Scheiben für jedermann - DER SPIEGEL
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Plastinator Gunther von Hagens Tote in Scheiben für jedermann

Der Mann hat Leichen im Keller und will Teile davon jetzt auch an Privatpersonen verscherbeln: Plastinator Gunther von Hagens lässt derzeit von Anwälten prüfen, ob er konservierte Körperscheiben an jedermann verkaufen darf. Die Preisliste ist bereits gedruckt.
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Hamburg - Vor einem Jahr eröffnete Gunther von Hagens sein Plastinarium in der brandenburgischen Kleinstadt Guben. Der Protest ist kaum verstummt, da zaubert der umstrittene Erfinder der Plastination die nächste Geschäftsidee aus seinem schwarzen Hut: Plastinate fürs Volk.

"Mein Ziel ist es, Anatomie zu demokratisieren und menschliche Präparate an Menschen zu verkaufen", sagt Gunther von Hagens SPIEGEL ONLINE. "Wir prüfen über Anwälte, ob das rechtlich zulässig ist." Bis jetzt fertigt er Plastinate nur für Mediziner an, die sie für Forschungs- oder Lehrzwecke verwenden. Die Mitarbeiter seiner Firma Plastinate GmbH seien bereits so gut aufgestellt, dass sie mit verschiedenen Präparationstechniken umgehend die neue Marketingidee umsetzen und konservierte Körperscheiben für Privatpersonen anfertigen können.

Die Zielgruppe beschränke sich jedoch auf jene, "die mit den Präparaten in angemessener Weise umgehen", sagt von Hagens. "Mein Anwalt in den USA will zum Beispiel unbedingt eine Ellenbogenscheibe haben - als Erinnerung an unsere Vergänglichkeit." Mit dieser Art von "Anatomiekunst" wolle jener Jurist die Schönheit des Körpers dokumentiert wissen. Plastinate als "Kunstwerk der Natur".

Eine Kniescheibe in der Glasvitrine, ein Handknochen im Bilderrahmen - das Kunstwerk muss als solches gepflegt werden, sagt von Hagens. Wichtig sei ihm, dass der Käufer "achtungsvoll im Sinne des Körperspenders" handelt und das jeweilige Präparat nicht umfunktioniert werden würde: "Eine Urinblase als Vase oder ein Magen als Karnevalsmaske" entspreche einer "Entmenschlichung". Wobei der Hochschullehrer bei der vehementen Betonung, man dürfe mit solchen Plastinaten keinen Unfug treiben, erst richtig in Fahrt kommt: "Einen Penis mit Hoden als Revolver oder ein Bein als Golfschläger" dürfe es übrigens auch nicht geben, sagt er SPIEGEL ONLINE. Ein Gehirn als dekorativer Blumenkohl-Verschnitt auch nicht. Ach ja, auch nicht als Untersetzer.

Die Preisliste liegt bereits vor: Ein komplettes Plastinat kostet demnach rund 50.000 Euro. "Es wird sich also allein schon wegen des Preises auf Körperscheiben und nicht komplette Körper beziehen", so von Hagens. 12.000 Euro kostet ein Ganzkörper-Längsschnitt. Die "Kollektion von 16 transparenten Horizontalscheiben" des Menschen - also Kopf, Hals, Rumpf und Extremitäten - kostet zwischen 1400 und 2800 Euro. Eine einzelne Scheibe 250 Euro.

Plastinierte Haustiere: Der Dackel als Wandschmuck

Von Hagens sieht sich als "ehrlicher" Vorreiter der Anatomie fürs Volk. Immerhin gebe es einen illegalen Markt, an dem sich zum Beispiel deutsche Kliniken bereichern. "Viele Orthopäden beziehen zu Forschungsprojekten Wirbelsäulen aus den USA oder aus Bestattungsunternehmen." Er dagegen habe das Einverständnis der Toten, dass deren Leichen zu Dauerpräparaten transformiert werden dürften. "Zwei Drittel der Spender sehen in der Plastination eine neue Form der Bestattung", behauptet von Hagens.

500 Körper seien ihm bereits gespendet worden und auf dem besten Weg zu einer menschlichen Plastik: Man finde sie bereits in Alkohol eingelegt. 7500 Menschen haben ihm angeblich ihren Körper versprochen. Er werde nicht gegen deren Willen handeln, sondern sich von jedem einzelnen zu Lebzeiten versichern lassen, dass Scheiben seines Körpers auch mal in einem Gelsenkirchener Barockschrank oder im Konferenzsaal einer Kanzlei landen könnten. Und wer nicht wolle, müsse nicht.

Er kenne genug Leute, die im großen Stil Mumien sammeln und die nicht nur scharf auf Plastinate seien, sondern sie auch mit dem nötigen Pflichtbewusstsein behandeln würden. Ein Angehöriger eines Körperspenders habe ihn mal vor Jahren gefragt, ob er den Kopf seines Vaters haben dürfe. Durfte er aber nicht. "Es entspricht nicht unserer Kultur, in anderen Ländern ist das durchaus möglich."

Warum sollte es dann jetzt erlaubt sein, den kleinen Finger des Ehemannes oder eine Brust der Liebsten als Kunstwerk getarnt ausgehändigt zu bekommen? "Noch ist unsere Gesellschaft sehr tradiert im Umgang mit dem Tod, aber ich rechne nicht damit, dass unsere Anwälte große Stolpersteine in unserem Vorhaben finden werden", glaubt von Hagens. "Im Internet kann man auf verbotenen Weg schon längst Skelette und plastinierte Körper kaufen."

Potentielle Kunden sieht der Plastinator auch in Tierhaltern: Die werden sich seiner Meinung nach gern einen Kopfquerschnitt des verstorbenen Pferdes oder eine Scheibe des verunglückten Dackels an die Wand hängen. "Auch für mich ist der Dackel als Scheibe eine Alternative anstatt ihn ausgestopft im Wohnzimmer aufzustellen", sagt von Hagens. "Da nimmt er nur Platz weg und staubt ein."

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