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Medienoffensive: CSU-Spitze empört sich über Guttenberg - DER SPIEGEL
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Karl-Theodor zu Guttenberg: Meister der Inszenierung

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Medienoffensive CSU-Spitze empört sich über Guttenberg

Auf dem Podium, in der Zeitung, in Buchform: Karl-Theodor zu Guttenberg ist wieder da und testet die Chancen für ein Polit-Comeback. Doch von Euphorie ist nichts zu spüren, auch nicht bei den Parteifreunden. CSU-Chef Seehofer ist sogar massiv verärgert über den einstigen Hoffnungsträger.
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Berlin - Kaum hat er sich zurückgemeldet, schießt Karl-Theodor zu Guttenberg schon wieder in die Top Ten. Nein, nicht in der Rangfolge der beliebtesten Politiker. Sein Buch aber, das er gemeinsam mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo herausbringt, steht beim Internethändler Amazon weit oben in der Bestsellerliste - und das Tage, bevor es überhaupt offiziell erscheint. Es sieht ganz danach aus, dass der Interviewband ein echter Renner wird.

Das Interesse am einstigen CSU-Hoffnungsträger und gestürzten Verteidigungsminister ist riesig. Guttenberg hat auch alles dafür getan, dass das so ist. Am Wochenende trat er nach vielen Monaten der Kamera-Abstinenz erstmals öffentlich auf, 5000 Kilometer entfernt von der Heimat im kanadischen Halifax, als frischgestylter "distinguished statesman" für eine US-Denkfabrik. Kurz darauf folgte die Ankündigung des Buchs, aus dem die "Zeit" an diesem Donnerstag vier großformatige Seiten vorabgedruckt hat. Und zwischendurch - perfektes Timing - wurde auch noch das Plagiatsverfahren wegen seiner in weiten Teilen abgeschriebenen Doktorarbeit eingestellt.

Der abgetauchte Freiherr ist wieder da, und das mit voller Wucht. Guttenbergs Operation Comeback ist angelaufen, da sind sich die Beobachter einig. Er fühlt vor, ob ein politischer Wiederaufstieg möglich ist. Guttenberg selbst schließt im Gesprächsband "Vorerst gescheitert" eine Rückkehr sogar noch vor der Bundestagswahl 2013 ausdrücklich nicht aus. Die Frage ist nur: Ist er überhaupt erwünscht? Beim Wähler? In seiner Partei?

Guttenberg-Kritik ärgert Seehofer

Die ersten Reaktionen zeigen: Von einer frischentflammten KTG-Euphorie kann keine Rede sein. In mehreren - wenn auch nicht repräsentativen - Online-Umfragen spricht sich eine meist große Mehrheit dagegen aus, dass Guttenberg noch einmal eine wichtige Rolle in der Politik spielen soll, so auch bei SPIEGEL ONLINE. Die deutschsprachige Zeitungslektüre verheißt ebenfalls nichts Gutes für den CSU-Mann im US-Exil: Die Münchner "Abendzeitung" glaubt, dass viele Bürger und Ex-Fans nicht noch einmal "Glamour mit Substanz verwechseln". Die "FAZ" spottet, es werde die Bayern "nicht verdrießen, auch ohne Guttenberg zu bleiben". Und die "Neue Zürcher Zeitung" fragt besorgt, "ob die bundesrepublikanische Öffentlichkeit auf den bayerischen Chef-Kopierer noch einmal hereinfällt".

In der CSU, der Guttenberg einst als Heilsbringer galt, herrschte zunächst vornehme Zurückhaltung - mittlerweile ist es eher Verärgerung. Parteichef Horst Seehofer hatte am Mittwoch zwar erklärt, dass Guttenberg in den christsozialen Reihen weiterhin willkommen ist. Hinter den verschlossenen Türen der Landtagsfraktion machte er allerdings deutlich, dass ihm an einer Comeback-Diskussion derzeit wenig gelegen ist. Die CSU sei gut aufgestellt, sagte er - auch ohne Guttenberg. Dieser Überzeugung dürfte Seehofer umso mehr sein, nachdem er den Vorabdruck aus Guttenbergs Buch gelesen hat. Darin lästert dieser nämlich ziemlich derb über die "Behauptung" der CSU, sie sei "die letzte verbliebene Volkspartei". Dies wirke "wie die Verhöhnung früherer Träume". Und überhaupt: In der CSU hätten sich "schon viele Spinnweben gebildet".

Am Donnerstag keilt Seehofer am Rande einer Tschechien-Reise zurück. "Völlig daneben" sei Guttenbergs Parteienkritik. "Es ist kein guter Stil, wenn alles und jeder herabgesetzt wird, um selbst erhöht zu werden." Verärgert äußert sich auch Ex-CSU-Chef Erwin Huber. Huber verweist auf die große Solidarität, die die CSU Guttenberg in schwerer Zeit gewährt habe. "Und deshalb habe ich wenig Verständnis dafür, wenn er mehr oder weniger als Entrée für die Rückkehr in die Politik in Deutschland zunächst einmal die handelnden Personen mit Kritik überzieht."

Euphorie nur in Kulmbach

Damit hatte Guttenberg schon am Samstag beim Diskussionsauftritt in Kanada begonnen. Kräftig zog er da über die Krisenbewältigung der europäischen Politiker her - und meinte unausgesprochen auch die Bundeskanzlerin. In der CDU schüttelten sie darüber heftig den Kopf. Auch auf die nun bekannt gewordenen Interviewaussagen reagiert man genervt. "Ziemlich dick aufgetragen", findet man das alles - "mal wieder". Neue Freunde hat sich Guttenberg in der Union offensichtlich nicht gemacht.

Abgesehen von den ziemlich dick aufgetragenen kritischen Tönen hält man in der CSU-Spitze die Schamfrist nach der Plagiatsaffäre für deutlich zu kurz. Dass sich der Ex-Minister nur acht Monate nach seinem Rücktritt wieder so offensiv ins Gespräch bringt, betrachten viele als unangemessen. Auch eine Rückkehr im nächsten Jahr, etwa als Bundestagskandidat, wird kritisch gesehen.

Anders sieht es in Guttenbergs Heimat Oberfranken aus: Dort hat die örtliche CSU ihm den Stimmkreis Kulmbach-Lichtenfels faktisch bis zum nächsten Sommer reserviert. "In Oberfranken gibt es eine tiefe Sehnsucht", wird der Kulmbacher Landtagsabgeordnete Martin Schöffel zitiert.

Außerhalb von Oberfranken aber ist es nicht weit her mit der Sehnsucht. Man gibt sich wortkarg. "Ich sehe überhaupt keinen großen Anlass, darüber zu diskutieren", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Umweltminister Marcel Huber meint: "Wir haben so viele andere Themen, dass über Guttenberg kaum diskutiert wird." Jedes Mitglied und jeder, der mitarbeiten will, werde mit Handschlag empfangen, sagt Ex-CSU-Chef Huber. Die Botschaft ist klar: Als Messias würde man den Rückkehrer sicher nicht empfangen - hinten anstellen, würde es auch für Guttenberg heißen. Huber sagt: "Es ist nicht so, dass wir einen Thron freihalten."

Vielleicht müssen sie das in der CSU auch gar nicht. Vielleicht bastelt sich Guttenberg ja seinen ganz eigenen Thron. Jedenfalls gefällt es ihm, mit Andeutungen zu spielen, er könne ja auch in einer ganz anderen Partei aktiv werden. "Zurzeit" sei er Mitglied der CSU, wobei diese Betonung natürlich nicht unbedingt eine Drohung sein müsse. Und selbstverständlich verfolge er die Überlegungen unter Konservativen, eine neue Partei zu gründen. Deren Chancen "wäre natürlich von den Köpfen abhängig".