Einheitliches Patentgericht – und das deutsche Ratifizierungsgesetz

Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die sich gegen das am 18.12.2020 erneut von Bundestag und Bundesrat erneut beschlossene Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19.02.2013 über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG II) richteten. 

Einheitliches Patentgericht – und das deutsche Ratifizierungsgesetz

Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) ist Teil eines umfassenderen europäischen Regelungspakets zum Patentrecht, dessen Kern die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung als neues Schutzrecht auf der Ebene der Europäischen Union ist. Das Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es sieht die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten für Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor. Dem Einheitlichen Patentgericht soll in Bezug auf die Patente die ausschließliche Zuständigkeit für einen umfangreichen Katalog von Streitigkeiten übertragen werden. Dieser umfasst insbesondere Klagen wegen Patentverletzungen, Streitigkeiten über den Bestand von Patenten und Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts in Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben. Das angefochtene EPGÜ-ZustG II ersetzt das vom Deutschen Bundestag am 10.03.2017 beschlossene EPGÜ-ZustG I, das das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 13.02.2020 für nichtig erklärt hat.

Die Beschwerdeführer rügen im Wesentlichen eine Verletzung ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG. Sie machen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz, Verstöße gegen das Unionsrecht als auch eine unzulässige Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität durch den in Art.20 EPGÜ geregelten Vorrang des Unionsrechts geltend.

Das Bundesverfassungsgericht sah dies jedoch anders: Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seien zurückzuweisen, weil die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig seien, denn diedie Beschwerdeführer hätten die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Die Beschwerdeführer haben die Möglichkeit einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz oder Verstöße gegen das Unionsrecht nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sie haben insbesondere nicht näher dargelegt, inwieweit das Übereinkommen wegen der organisatorischen Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und der Rechtsstellung seiner Richter das in Art.20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verletzt und damit das über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein subjektivierte und in Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip berührt wird. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG darf eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen nicht dazu führen, dass der integrationsfeste Kern des Grundgesetzes im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG – seine Identität – berührt wird. Eine Identitätsrüge ist allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden und das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG ergebende Recht der Bürgerinnen und Bürger auf demokratische Selbstbestimmung strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt. Es gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über dessen Sicherung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen. Eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsgehalts des Demokratieprinzips setzt daher die Darlegung voraus, dass durch das angegriffene Übereinkommen Hoheitsrechte auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen diesen eine sogenannte Kompetenz-Kompetenz zuerkannt wird, Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt werden oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert, etwa sein Budgetrecht und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung beeinträchtigt werden.

Der Vortrag der Beschwerdeführer beschränkt sich indes auf die Darstellung, dass Art. 6 ff. EPGÜ wegen der Ernennung der Richter des Einheitlichen Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederbestellung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs. 3 GG verstießen. Inwieweit hierdurch das Demokratieprinzip berührt ist, tragen sie nicht vor.

Nicht hinreichend substantiiert ist die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers auch, soweit sie sich gegen die Regelung des Vorrangs des Unionsrechts in Art.20 EPGÜ richtet:

23 Abs. 1 Satz 1 GG enthält ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht, zu dem auch gehört, dem Unionsrecht im Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht einzuräumen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht und führt bei einer Kollision in aller Regel zu dessen Unanwendbarkeit. Dieser Anwendungsvorrang reicht indes nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen. Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet diese Grenzen insbesondere im Rahmen der Identitäts- und der Ultra-vires-Kontrolle. Einen uneingeschränkten Anwendungsvorrang des Unionsrechts lässt das Grundgesetz nicht zu. Diese Anforderungen binden alle Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland und dürfen weder relativiert noch unterlaufen werden. Vor diesem Hintergrund enthalten der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auch keine ausdrückliche Festlegung zum Vorrang des Unionsrechts. Art.20 EPGÜ kann daher nur so verstanden werden, dass mit ihm Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollen, er hingegen keine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht enthält. Dies entspricht auch dem im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Verständnis der Bundesregierung sowie der im Bundesrat abgegebenen Protokollerklärung mehrerer Länder. Den anderen Vertragsmitgliedstaaten ist dieses Verständnis allerdings nicht mitgeteilt worden.

Mit alldem setzt sich dieserBeschwerdeführer nicht weiter auseinander, sondern beschränkt sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2020 auf die Feststellung, dass ihm durch Art.20 EPGÜ die Identitätskontrolle abgeschnitten werde, was mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Das genügt den Substantiierungsanforderungen nicht.

Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht

Mit ihren Verfassungsbeschwerden und Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenden sich die Beschwerdeführer gegen das am 18.12.2020 zustande gekommene Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19.02.2013 über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: EPGÜ-ZustG II; vgl. BT-Drs.19/22847; BR-Drs. 448/20), mit dem die Voraussetzungen für die Ratifikation des genannten Übereinkommens geschaffen werden sollen.

Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: Übereinkommen – EPGÜ; vgl. ABl EU Nr. C 175 vom 20.06.2013, S. 1 ff.) ist Teil eines umfassenderen europäischen Regelungspakets zum Patentrecht, dessen Kern die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung als neues Schutzrecht auf der Ebene der Europäischen Union ist, und welches im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art.20 EUV, Art. 326 ff. AEUV1 beschlossen wurde. Das Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Vertragsmitgliedstaaten; vgl. Art. 2 Buchstaben b und c EPGÜ) und steht ausschließlich Mitgliedstaaten der Europäischen Union offen (vgl. Art. 84 Abs. 1 und Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Buchstabe b EPGÜ). Mit ihm soll ein von der Mehrheit der Mitgliedstaaten getragenes Einheitliches Patentgericht (EPG) errichtet werden. Zu dem Regelungspaket gehören ferner die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes2 sowie die Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen3. Diese sind nicht Gegenstand der vorliegenden Verfahren4.

Das Übereinkommen sieht die Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten für Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor (Art. 1 EPGÜ). Dieses soll in jedem Vertragsmitgliedstaat eigene Rechtspersönlichkeit besitzen (Art. 4 Abs. 1 EPGÜ). Nach Art. 32 Abs. 1 EPGÜ soll dem Einheitlichen Patentgericht in Bezug auf die Patente im Sinne des Art. 2 Buchstabe g EPGÜ – europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Schutzwirkung – die ausschließliche Zuständigkeit für einen umfangreichen Katalog von Streitigkeiten übertragen werden. Dieser umfasst insbesondere Klagen wegen Patentverletzungen, Streitigkeiten über den Bestand von Patenten und Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts in Ausübung der ihm gemäß Art. 9 Verordnung (EU) 1257/2012 übertragenen Aufgaben. 

Das Zustimmungsgesetz zum EPGÜ

Das nunmehr angefochtene EPGÜ-ZustG II ersetzt das vom Deutschen Bundestag am 10.03.2017 beschlossene EPGÜ-ZustG I5, das das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 13.02.2020 für nichtig erklärt hat6

Den Regierungsentwurf für das EPGÜ-ZustG II leitete die Bundesregierung dem Bundesrat am 7.08.2020 zu7. Dieser erhob in seiner Sitzung am 18.09.2020 keine Einwendungen8. Daraufhin brachte die Bundesregierung den Gesetzentwurf am 25.09.2020 in den Bundestag ein9. Dieser stimmte dem EPGÜ-ZustG II nach Beteiligung der zuständigen Ausschüsse am 26.11.2020 in dritter Lesung mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages zu10. Der Zustimmungsbeschluss des Bundesrates wurde am 18.12.2020 einstimmig gefasst11.

Das EPGÜ-ZustG II hat folgenden Wortlaut12:

Artikel 1

Dem in Brüssel am 19.02.2013 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht sowie dem in Luxemburg am 1.10.2015 unterzeichneten Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht betreffend die vorläufige Anwendung wird zugestimmt. Das Übereinkommen und das Protokoll werden nachstehend veröffentlicht.

Die Bundesregierung ist verpflichtet, einer Änderung des Übereinkommens durch Beschluss des Verwaltungsausschusses nach Artikel 87 Absatz 1 des Übereinkommens nach Artikel 87 Absatz 3 des Übereinkommens zu widersprechen, sofern sie nicht hinsichtlich der Änderung zuvor durch Gesetz zur Zustimmung ermächtigt wurde.

Artikel 2

Die Änderungen des Übereinkommens durch Beschluss des Verwaltungsausschusses nach Artikel 87 Absatz 2 des Übereinkommens sind vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen.

Artikel 3

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Der Tag, an dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 89 Absatz 1 sowie das Protokoll nach seinem Artikel 3 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft treten, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Der Begründung zu dem Entwurf des EPGÜ-ZustG II ist folgende Feststellung vorangestellt13

Das Gesetz enthält die Zustimmung zu dem Übereinkommen und dem Protokoll nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes unter Beachtung der qualifizierten Mehrheit gemäß Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes.

Der Wortlaut des Gesetzes ist unverändert; die Begründung enthält jedoch notwendige Aktualisierungen.

Die Tatsache, dass Großbritannien das Übereinkommen in Folge des Brexit verlässt, steht dessen Durchführung nicht entgegen:

Die Regelungen zum Inkrafttreten im Übereinkommen und seinen Protokollen sollten sicherstellen, dass alle drei am Vertrag beteiligten Staaten, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Großbritannien, bereits beim Start des Einheitlichen Patentgerichts am Gerichtssystem teilnehmen. Insofern sollte vermieden werden, dass zum Beispiel aufgrund der unterschiedlichen Dauer der Ratifikationsverfahren der Vertrag zunächst nur mit einem oder zwei der drei Staaten in Kraft tritt. Die Bezugnahme auf diese hat damit den Zweck, den Zeitpunkt des Inkrafttretens unter den am Vertrag tatsächlich Beteiligten zu koordinieren.

Unabhängig davon, dass die britische Zustimmung derzeit vorliegt, hat ein Ausscheiden von Großbritannien auf die Anwendbarkeit der Regelungen zum Inkrafttreten jedenfalls deshalb keinen Einfluss, weil diese so auszulegen sind, dass ein von niemandem vorhersehbares Ausscheiden einer dieser drei Staaten das gesamte Inkrafttreten für die verbleibenden Beteiligten nicht hindert.

Das Übereinkommen sieht im Übrigen ausdrücklich vor, dass neben dem Sitz der erstinstanzlichen Zentralkammer des Gerichts in Paris und dem Standort München auch eine Abteilung in London angesiedelt ist. Es kann aber nicht so verstanden werden, dass es einen Kammerstandort in einem Nicht-Vertragsmitgliedstaat errichten beziehungsweise belassen möchte. Bei einem Fortfall der Londoner Zentralkammereinheit ist das Übereinkommen so auszulegen, dass deren Zuständigkeiten zumindest übergangsweise der (fort)bestehenden Zentralkammer in Paris und München anwachsen. Eine ausdrückliche Regelung kann zu gegebener Zeit im Rahmen einer nach Artikel 87 Absatz 1 und 3 des Übereinkommens vorgesehenen Überprüfung der Funktionsweise des Gerichts erfolgen.

Unter den verbleibenden Vertragsmitgliedstaaten wird eine politische Erklärung zu diesen Fragen angestrebt. In der einvernehmlichen Durchführung der Verträge läge schließlich auch eine völkerrechtlich beachtliche Übung beziehungsweise Vereinbarung der Vertragsstaaten nach Artikel 31 Absatz 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge.

Zur Begründung des EPGÜ-ZustG II heißt es unter anderem14:

Zu Artikel 1

Zu Absatz 1

Auf das Übereinkommen und das Protokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da sie sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen.

Eines Gesetzes bedarf es auch deshalb, weil mit der Schaffung der Gerichtsbarkeit des Einheitlichen Patentgerichts durch das Übereinkommen Hoheitsrechte im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Grundgesetzes übertragen werden, da das Übereinkommen in einem besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union steht. Gemäß Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist hierfür eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates erforderlich.

Zudem folgt das Zustimmungserfordernis des Bundesrates aus Artikel 74 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 25 des Grundgesetzes, da in Artikel 22 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht die Haftung der Vertragsmitgliedstaaten für Rechtsverletzungen des Gerichts und somit eine Staatshaftung angeordnet wird.

Die Zustimmung des Bundesrates ist auch nach Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes erforderlich, da durch die Steuerbefreiung nach Artikel 8 Absatz 4 der Satzung des Einheitlichen Patentgerichts auch Steuern betroffen sind, deren Aufkommen gemäß Artikel 106 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes ganz oder zum Teil den Ländern zufließt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Nichtigkeit des am 10.03.2017 beschlossenen Gesetzes in seiner Entscheidung vom 13.02.202015 allein auf den Verstoß gegen Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes gestützt. Es hat zudem angesprochen, ob sich ein rechtliches Problem aus Artikel 20 des Übereinkommens ergeben könnte. Artikel 20 des Übereinkommens lautet: „Das Gericht wendet das Unionsrecht in vollem Umfang an und achtet seinen Vorrang.“ Ein Konflikt dieser Vertragsklausel mit Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes besteht nicht. Die Klausel dient der Klarstellung, dass das internationale Gericht in Bezug auf das Recht der Europäischen Union die gleiche Stellung hat, die den nationalen Gerichten zukommt. Der Vorrang des Unionsrechts ist grundsätzlich unstreitig und wird auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt16. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Gutachten A-1/09 auch für das Europäische Patentgericht – soweit dieses Unionsrecht anwendet – vorausgesetzte Vorrang ist in Artikel 1 und 20 des Übereinkommens so ausgestaltet, dass er dem aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für nationale Gerichte geltenden Vorrang entspricht. Auf diese ständige Rechtsprechung wird auch in der Erklärung Nr. 17 zum Vorrang Bezug genommen, die der Schlussakte der Regierungskonferenz beigefügt ist, die den am 13.12.2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat. Auch die das Europäische Patentgericht nun als gemeinsames Gericht der Mitgliedstaaten betreffende Regelung in Artikel 20 des Übereinkommens lässt deshalb die Ausübung verfassungsrechtlich gegebener Prüfungskompetenzen durch das Bundesverfassungsgericht, insbesondere wenn Rechtsschutz auf Unionsebene ausnahmsweise nicht zu erlangen ist, unberührt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Lissabon-Urteil17 festgestellt, dass es „nicht von Bedeutung (ist), ob der Anwendungsvorrang des Unionsrechts, den das Bundesverfassungsgericht bereits für das Gemeinschaftsrecht im Grundsatz anerkannt hat18, in den Verträgen selbst oder in der der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon beigefügten Erklärung Nr. 17 vorgesehen ist.“ Dieses bereits seit langem geklärte Verhältnis der Rechtsordnungen zueinander wird weder durch Artikel 20 des Übereinkommens noch durch den hierauf bezogenen Erwägungsgrund mit der Formulierung einer „uneingeschränkten Anwendung und Achtung des Unionsrechts“ verändert.

Dem EPGÜ-ZustG II sind der Text des Übereinkommens19, die Satzung des Einheitlichen Patentgerichts (im Folgenden: EPG-Satzung), eine Erklärung der „vertragschließenden Mitgliedstaaten“ sowie ein Protokoll betreffend die vorläufige Anwendung (im Folgenden: VA-Protokoll) beigefügt20. Das in Art. 1 Abs. 1 EPGÜ-ZustG II in Bezug genommene Protokoll sieht die vorläufige Anwendung vorwiegend institutioneller und organisatorischer Vorschriften des Übereinkommens und der Satzung vor, wodurch der Aufbau des Gerichts vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens ermöglicht und seine Arbeitsfähigkeit ab dem Tag des Inkrafttretens gesichert werden soll. 

 In einer dem Gesetzentwurf beigefügten Denkschrift wird zu Art.20 EPGÜ ausgeführt21

Zu Artikel 20 (Vorrang und Achtung des Unionsrechts)

Dieser Artikel des Übereinkommens stellt klar, dass das Einheitliche Patentgericht als gemeinsames Gericht der beteiligten EU-Mitgliedstaaten das Recht der Europäischen Union und dessen Vorrang vor dem einzelstaatlichen Recht wie jedes nationale Gericht in der EU in vollem Umfang zu beachten hat. Dazu gehört auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14.12.200722, namentlich das justizielle Recht des Artikels 47 der Charta auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht.

 Im Rahmen der Beschlussfassung im Bundesrat am 18.12.2020 wurde folgende Protokollerklärung abgegeben23

Erklärung 
von Staatsminister Dr. Florian Herrmann 
 (Bayern)
 zu Punkt 10  der Tagesordnung 

Für die Regierungen der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gebe ich folgende Erklärung zu Protokoll:

Das Übereinkommen und der dadurch garantierte Patentschutz  sind für die innovative deutsche Wirtschaft sehr bedeutsam. 

Der Zustimmung liegt klarstellend folgendes verfassungskonformes Verständnis des Gesetzes zugrunde:

Der in Artikel 20 des Übereinkommens vorgesehene Vorrang des Unionsrechts lässt die Gewährleistung der grundlegenden innerstaatlichen Verfassungsgarantien, insbesondere der in Artikel 1 und Artikel 20 Absatz 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsätze, unberührt. Ebenso unberührt bleibt die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts betreffend die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Mindeststandards bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf europäische oder zwischenstaatliche Einrichtungen.

Der Bundespräsident hat sich am 13.01.2021 – der ständigen Staatspraxis entsprechend24 – dem Bundesverfassungsgericht gegenüber bereit erklärt, das EPGÜ-ZustG II bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die vorliegenden Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weder auszufertigen noch zu verkünden. 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG zurückgewiesen, weil die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig sind. Das gilt sowohl soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz oder Verstöße gegen das Unionsrecht rügen, als auch, soweit ein Beschwerdeführer in der Regelung des Art.20 EPGÜ eine unzulässige Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität sieht:

Prüfungsmaßstab bei völkerrechtlichen Verträgen

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Richtet sich der Antrag gegen das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag, kann dieser bereits vor der Ausfertigung und Verkündung durch den Bundespräsidenten gestellt werden. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 BVerfGG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die vorgetragenen Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme bleiben dabei grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, ein dem Antrag entsprechendes Hauptsacheverfahren erweist sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen können mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, wenn der Vertrag Regelungen enthält, die unmittelbar in die Rechtssphäre des Einzelnen eingreifen25. Auch wenn die Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag in aller Regel nicht teilbar ist, weil das Zustimmungsgesetz grundsätzlich eine mit dem völkerrechtlichen Vertrag nicht trennbare Einheit bildet und beide insoweit einen einheitlichen Angriffsgegenstand darstellen26, schließt dies eine am Rechtsschutzbegehren orientierte inhaltliche Beschränkung des Verfahrensgegenstands im Hinblick auf die in Bezug genommenen Regelungen des völkerrechtlichen Vertrages nicht aus27. Allerdings ist auch bei Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen eine genaue Bezeichnung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen erforderlich.

Das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) kann bereits vor seinem Inkrafttreten tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn das Gesetzgebungsverfahren bis auf die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung abgeschlossen ist28, weil nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde eine völkerrechtliche Bindung eintritt, die gegebenenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sodass der Rechtsschutz in der Hauptsache dann zu spät kommen könnte29. In diesem Fall bestünde die Gefahr, dass Deutschland völkerrechtliche Verpflichtungen unter Verletzung seiner Verfassung einginge. Damit könnte auch die Verfassungsbeschwerde ihren Zweck verfehlen, durch Klärung der verfassungsrechtlichen Lage dem Rechtsfrieden zu dienen und ein Auseinanderfallen völker- und verfassungsrechtlicher Bindungen zu vermeiden30. Es entspricht daher dem Gebot effektiven (Grund-)Rechtsschutzes und der Staatspraxis, schon zu diesem Zeitpunkt eine vorbeugende Prüfung künftiger Regelungen zu ermöglichen31.

Im Rahmen eines Antrags nach § 32 Abs. 1 BVerfGG haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiesen sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet32.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen33. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt wird34, weil darin oder in der Unterbindung seines Inkrafttretens ein erheblicher Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers liegt35. Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie in einem solchen Fall darüber hinaus besonderes Gewicht haben36. Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder nur sehr erschwert revidierbar sind37, um das Aussetzungsinteresse zu bejahen. Diese Anforderungen werden noch weiter verschärft, wenn eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen in Rede steht38.

Vor diesem Hintergrund haben die Beschwerdeführer in der Begründung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beziehungsweise ihrer Verfassungsbeschwerden darzulegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert. Dazu müssen sie aufzeigen, inwieweit die Maßnahme die bezeichneten Grundrechte verletzen soll39. Liegt zu den von ihnen aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen40

Die vorliegenden Verfassungsbeschwerden

Hieran gemessen haben die Beschwerdeführer in den beiden hier entschiedenen Verfahren die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch das angegriffene Übereinkommen angesichts der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 23 Abs. 1 GG und insbesondere des Beschlusses vom 13.02.202041, der das streitgegenständliche Übereinkommen zum Gegenstand hatte, nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Dies gilt sowohl für das als verletzt gerügte Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG als auch für die Rüge, das Übereinkommen verletze das Grundrecht aus Art.19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK. Auch der Vortrag zu einer möglichen Verletzung des Rechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG genügt nicht den von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG aufgestellten Substantiierungsanforderungen:

Das EPGÜ – und das Recht auf demokratische Selbstbestimmung

Einer der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seines Rechts auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG im Kern mit der Behauptung geltend, das Übereinkommen verletze wegen der organisatorischen Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und der Rechtsstellung seiner Richter das in Art.20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip. Er legt jedoch nicht dar, inwieweit damit zugleich das über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein subjektivierte und in Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip berührt wird.

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG darf eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nicht dazu führen, dass der integrationsfeste Kern des Grundgesetzes im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG – seine Identität – berührt wird. Deshalb prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Identitätskontrolle, ob bei einer Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder – wie hier – Einrichtungen, die in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehen, die durch Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze berührt werden42. Das betrifft die Wahrung des Menschenwürdekerns der Grundrechte im Sinne von Art. 1 GG43 ebenso wie die in Art.20 GG niedergelegten Grundsätze44.

Eine Identitätskontrolle unter Berufung auf eine Verletzung des Rechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG45 ist allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden. Das sich daraus ergebende Recht der Bürgerinnen und Bürger auf demokratische Selbstbestimmung ist strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt, der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist. Es gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über dessen Sicherung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen und dient insbesondere nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet46.

Wird mit einer auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gestützten Identitätskontrolle nicht die Berührung des Demokratieprinzips, sondern anderer Staatsstrukturprinzipien wie das Rechtsstaatsprinzip gerügt, muss der Beschwerdeführer nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Zusammenhang mit dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar rügefähigen Demokratieprinzip herstellen47. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht die Rüge einer Verletzung des Sozialstaatsprinzips in Art.20 Abs. 1 GG unter Berufung auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zugelassen, weil die Beschwerdeführer hinreichend bestimmt vorgetragen hatten, dass die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages auf dem Gebiet der Sozialpolitik durch die Zuständigkeiten der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon derart beschränkt würden, dass der Deutsche Bundestag die sich aus Art. 79 Abs. 3 GG ergebenden Mindestanforderungen des Sozialstaatsprinzips nicht mehr erfüllen könnte48.

Der Beschwerdeführer legt die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG durch das EPGÜ-ZustG II nicht in einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise dar. Dabei wird insbesondere nicht erkennbar, inwieweit die von ihm geltend gemachten Einwände gegen die organisatorische Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und die Rechtsstellung seiner Richter mit dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein rügefähigen Demokratieprinzip in Zusammenhang stehen.

Zwar ist das Rechtsstaatsprinzip als solches eng mit dem Demokratieprinzip verknüpft, weil die demokratische Herrschaft der Mehrheit durch ihre rechtsstaatliche Einhegung die notwendige Mäßigung, Begrenzung und Kontrolle erfährt49. Nicht jede Verletzung rechtsstaatlicher Gewährleistungen stellt jedoch auch eine Verletzung des Demokratieprinzips dar. Eine Beeinträchtigung seines Gewährleistungsgehalts setzt vielmehr etwa die Darlegung voraus, dass durch das angegriffene Übereinkommen Hoheitsrechte derart übertragen werden, dass bei ihrer Inanspruchnahme durch die Europäische Union beziehungsweise ihre Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen neue Hoheitsrechte begründet werden können, das heißt diesen eine sogenannte Kompetenz-Kompetenz zuerkannt wird50, dass Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt werden51 oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert52, insbesondere sein Budgetrecht53 und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung beeinträchtigt werden54. Auch die Darlegung, dass der Anspruch aller Bürgerinnen und Bürger auf freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation und Beeinflussung der sie betreffenden Hoheitsgewalt beeinträchtigt wird und sie einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen55, genüge den Anforderungen. Dem stünde es gleich, wenn dargelegt würde, dass die organisatorische Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und seiner Organe das aus Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 GG abgeleitete Mindestmaß an demokratischer Legitimation und Kontrolle verfehlt56.

Der Vortrag des Beschwerdeführers  beschränkt sich indes auf die Darstellung, dass Art. 6 ff. EPGÜ wegen der Ernennung der Richter des Einheitlichen Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederernennung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs. 3 GG verstießen. Inwieweit hierdurch das Demokratieprinzip berührt ist, bleibt unklar. Daran ändert auch die allgemeine Bezugnahme auf den Gewaltenteilungsgrundsatz, der nach dem Vortrag des Beschwerdeführers im Demokratieprinzip wurzeln soll, nichts.

Im Übrigen fehlt es an einem hinreichenden Vortrag dazu, welche verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an Wahl, wiederholte Ernennung und Amtsenthebung von Richtern zu stellen sind. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Richter auf Zeit – wenn auch mit Blick auf den Verfassungsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit57 – mögliche Wiederernennungen von Richtern auf Zeit als verfassungswidrige Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit angesehen58, dies jedoch schon für die Richter der Landesverfassungsgerichte und für ehrenamtliche und Laienrichter eingeschränkt59. Vor allem für internationale Gerichte gelten insoweit Besonderheiten, die bei der Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu berücksichtigen sind und Abweichungen von den Anforderungen des Grundgesetzes zur Sicherung der Unabhängigkeit der Richter rechtfertigen können. Zeitlich begrenzte Amtszeiten für Richter stellen an internationalen Gerichten den Regelfall dar und sind häufig auch mit der Möglichkeit der Wiederwahl verbunden. Auf der Ebene der Europäischen Union sehen Art. 253 Abs. 1 Halbsatz 2 und Abs. 4 sowie Art. 254 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 AEUV sechsjährige Amtszeiten am Gerichtshof und am Gericht der Europäischen Union sowie die Möglichkeit einer Wiederernennung ausdrücklich vor60, während eine Wiederwahl für die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach einer Amtszeit von neun Jahren mit Inkrafttreten des 14. Zusatzprotokolls am 1.06.2010 ausdrücklich ausgeschlossen wurde (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EMRK).

An hinreichendem Vortrag fehlt es auch, soweit der Beschwerdeführer die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit der Richter des Einheitlichen Patentgerichts im Falle einer Amtsenthebung rügt. Zwar gehört ein wirkungsvoller Rechtsschutz zu den rechtsstaatlichen Grunderfordernissen61, wobei ein solcher gegenüber einer Amtsenthebung von Richtern essentiell für deren Unabhängigkeit ist. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelnen ergeben, kann jedoch dahinstehen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit durch fehlende Rechtsschutzmöglichkeiten der Richter am Einheitlichen Patentgericht das Recht des Beschwerdeführers auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sein kann.

Einheitliches Patentgericht – und die Rechtsschutzgarantie

Auch soweit die Beschwerdeführer geltend machen, das Übereinkommen verletze ihr Grundrecht aus Art.19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. 

Ermächtigt der Gesetzgeber zwischenstaatliche Einrichtungen oder internationale Organisationen dazu, öffentliche Gewalt unmittelbar gegenüber den Betroffenen in Deutschland auszuüben, muss er gemäß der in Art.19 Abs. 4 GG enthaltenen objektiven Wertentscheidung einen wirkungsvollen Rechtsschutz sicherstellen62. Dieser Maßstab deckt sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 EMRK und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, an die ein Konventionsstaat auch gebunden bleibt, wenn er Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen überträgt63.

Ein wirkungsvoller Rechtsschutz erfordert sowohl eine Kontrolle hoheitlichen Handelns durch sachlich und persönlich unabhängige sowie unparteiische Richter als auch den Zugang zu einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Instanz, die jedenfalls eine möglichst lückenlose sowie rechtzeitige Überprüfung staatlichen oder staatlich zu verantwortenden Handelns ermöglicht64. Hierbei ist die persönliche und sachliche Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) ein wesentliches Kennzeichen65

Steht die Wirksamkeit gerichtlichen Rechtsschutzes in Rede, kommt eine Verletzung von Art.19 Abs. 4 GG durch den Gesetzgeber allerdings nur in Betracht, wenn sich die Beeinträchtigung gegenwärtig, das heißt aktuell und nicht nur potentiell, auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers auswirkt66. Allein die Aussicht, dass der Beschwerdeführer irgendwann einmal in der Zukunft betroffen sein könnte, genügt insoweit nicht67. Ebenso muss der Beschwerdeführer selbst und unmittelbar betroffen sein. Dies ist der Fall, wenn er Adressat der Regelung und kein weiterer Vollzugsakt mehr erforderlich ist, der seine Rechtsstellung verändert68

An diesen Maßstäben gemessen haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass sie durch das EPGÜ-ZustG II selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrem Grundrecht aus Art.19 Abs. 4 GG betroffen sind. 

Zwar trägt eine Beschwerdeführerin vor, dass sie als Entwicklerin für Computerprogramme im Bereich der künstlichen Intelligenz Programme herstelle und es in diesem Bereich zu widerstreitenden Patenten vor dem Europäischen Patentamt sowie zu anschließenden Rechtsstreitigkeiten vor dem Einheitlichen Patentgericht kommen könne. Insoweit könne ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz betroffen werden, da die Organisation des Einheitlichen Patentgerichts rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genüge. In der Sache handelt es sich dabei jedoch nur um unbestimmte Ausführungen zu einer in der Zukunft liegenden potentiellen Betroffenheit, die nicht in den Schutzbereich von Art.19 Abs. 4 GG fällt. Ob es jemals zu einem konkreten Rechtsstreit der Beschwerdeführerin zu I. 2. vor dem Einheitlichen Patentgericht kommen wird, ist ungewiss. Weder steht fest, dass die von der Beschwerdeführerin befürchteten Patentanträge überhaupt gestellt werden, noch dass das Einheitliche Patentgericht in einem solchen Fall entscheiden wird. Daran ändert der weitere Vortrag nichts, demzufolge die Beschwerdeführerin gegen ein vom Europäischen Patentamt erteiltes Patent Einspruch eingelegt hat. 

Bezüglich des beschwerdeführenden gemeinnützigen Vereins, der sich für freie Standards in der Software einsetzt, fehlt es zudem an einer substantiierten Darlegung, inwiefern er Partei einer Patentrechtsstreitigkeit vor dem Einheitlichen Patentgericht sein könnte. Die Ausführungen zu etwaigen Verfahren vor dem Gericht sind nicht hinreichend konkret und erschöpfen sich darin, dass der beschwerdeführende Verein überhaupt einen Rechtsstreit vor dem Einheitlichen Patentgericht führen könnte. Dabei wird der Zusammenhang zwischen der geltend gemachten defizitären Rechtsposition der Richter am Einheitlichen Patentgericht und einer gegenwärtigen und unmittelbaren Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art.19 Abs. 4 GG nicht erkennbar. 

Das EGPÜ und das Recht auf demokratische Selbstbestimmung

Auch der Vortrag eines Beschwerdeführers zu einer möglichen Verletzung seines Rechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG genügt nicht den Substantiierungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Dieser erhebt zwar zahlreiche Rügen gegen das Übereinkommen und das dieses billigende EPGÜ-ZustG II. Einen konkreten Bezug zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben, insbesondere zu der Frage, inwiefern das Recht auf demokratische Selbstbestimmung durch die angeführten rechtsstaatlichen Mängel des Übereinkommens betroffen wird, stellt er jedoch nicht her. 

Soweit er Verstöße des Übereinkommens gegen Unionsrecht rügt, scheidet eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG von vornherein aus69. Aus dem Unionsrecht ergeben sich keine formellen oder materiellen Anforderungen, welche die Gültigkeit deutscher Gesetze in Frage stellen könnten70. Vor diesem Hintergrund kann die Verletzung von Unionsrecht – von einer Verletzung der Grundrechte der Grundrechtecharta abgesehen71 – grundsätzlich nicht mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden72

Das EGPÜ und der Brexit

Die Rüge, dass das Übereinkommen mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union nicht in Kraft gesetzt werden könne, betrifft dagegen die konkrete Auslegung des Übereinkommens und nicht mögliche Anforderungen des Grundgesetzes. Sie ist mit der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht angreifbar. 

Das EGPÜ, der Anwendungsvorrang des EU-Rechts – und die ultra-vires-Kontrolle

Nicht hinreichend substantiiert ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen Art.20 EPGÜ richtet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zugleich ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht73, zu dem auch gehört, dem Unionsrecht im Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht einzuräumen74. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht und führt bei einer Kollision im konkreten Fall in aller Regel zu dessen Unanwendbarkeit75. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts besteht allerdings nur kraft und im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ermächtigung76. Daher findet die vom Grundgesetz ermöglichte; und vom Integrationsgesetzgeber ins Werk gesetzte Öffnung der deutschen Rechtsordnung für das Unionsrecht ihre Grenzen nicht nur in dem vom Gesetzgeber verantworteten Integrationsprogramm, sondern auch in der ebenso änderungs- wie integrationsfesten Identität der Verfassung (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG). Der Anwendungsvorrang reicht nur soweit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen77. Nur in diesem Umfang ist die Anwendung von Unionsrecht in Deutschland demokratisch legitimiert78

Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet diese Grenzen insbesondere im Rahmen der Identitäts- und der Ultra-vires-Kontrolle. Auch die Verfassungs- oder Höchstgerichte anderer Mitgliedstaaten kennen ähnliche verfassungsrechtliche Vorbehalte79.

Diese europaverfassungsrechtlichen Kontrollvorbehalte stehen einem uneingeschränkten Anwendungsvorrang des Unionsrechts entgegen80. Die ihnen zugrunde liegenden Anforderungen des Grundgesetzes binden alle Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland und dürfen weder relativiert noch unterlaufen werden. 

Vor diesem Hintergrund enthalten der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union keine ausdrückliche Festlegung zum Vorrang des Unionsrechts. Zwar findet sich im Subsidiaritätsprotokoll zum Vertrag von Amsterdam81 insoweit ein – allerdings auslegungsfähiger und -bedürftiger – Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Vorrang des Unionsrechts; eine ausdrückliche Anerkennung eines schrankenlosen und unbedingten Vorrangs des Unionsrechts fand jedoch keine Zustimmung. Auch in den Vertrag von Lissabon wurde eine solche Regelung – in Abkehr vom gescheiterten Verfassungsvertrag (vgl. Art. I-6 Vertrag über eine Verfassung für Europa vom 29.10.2004, ABl EU Nr. C 310/12) – bewusst nicht aufgenommen, sondern ist lediglich in einer beigefügten Erklärung der Mitgliedstaaten enthalten82. Diese hält fest, dass die Nichtaufnahme des Vorrangs im Vertragstext am Status quo ante nichts ändere. Aus diesem Grund gab es gegen die Erklärung Nr. 17 aus Sicht der Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich nichts zu erinnern83.

Danach muss Art.20 EPGÜ so verstanden werden, dass mit ihm Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollen, es hingegen nicht um eine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht geht. Für die Auslegung von Art.20 EPGÜ ist von Bedeutung, dass er auf das Gutachten 1/09 des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 08.03.2011 zurückgeht, in dem dieser den Vorrang des Unionsrechts in der von ihm vorgenommenen Auslegung sowie die Wahrung der Autonomie der Unionsrechtsordnung als zwingende Anforderungen für die unionsrechtliche Zulässigkeit einer einheitlichen Europäischen Patentgerichtsbarkeit beschrieben hat84, auch wenn sich diese Aussagen auf die damalige Fassung des Übereinkommens und Art. 14a des Entwurfs des Übereinkommens alte Fassung richteten, der das Unionsrecht erst nach dem Recht des Übereinkommens auflistete und der nur auf das „unmittelbar anwendbare Unionsrecht“ Bezug nahm85. Für dieses Verständnis spricht auch, dass nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vertragsmitgliedstaaten sind und Art.20 EPGÜ das Verhältnis von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht somit nicht betrifft. 

Das entspricht auch der Sicht der Bundesregierung, die in ihrer Begründung zum Entwurf des EPGÜ-ZustG II ausführt, dass Art.20 EPGÜ der „Klarstellung“ diene, dass das Einheitliche Patentgericht als internationales Gericht in Bezug auf das Recht der Europäischen Union die gleiche Stellung habe, die den nationalen Gerichten zukomme. In diesem Zusammenhang betont sie ausdrücklich, dass Art.20 EPGÜ die Ausübung verfassungsrechtlich gegebener Prüfungskompetenzen durch das Bundesverfassungsgericht unberührt lasse. Das Bundesverfassungsgericht habe im Lissabon, Urteil festgestellt, dass es nicht von Bedeutung sei, ob der Anwendungsvorrang des Unionsrechts in den Verträgen selbst oder in der der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon beigefügten Erklärung Nr. 17 vorgesehen sei. Daher geht die Bundesregierung davon aus, dass das „seit langem geklärte Verhältnis der Rechtsordnungen zueinander“ weder durch Art.20 EPGÜ noch durch den hierauf bezogenen Erwägungsgrund mit der Formulierung einer „uneingeschränkten Anwendung und Achtung des Unionsrechts“ verändert werde14.

Für diese Auslegung lässt sich auch die im Bundesrat abgegebene Protokollerklärung der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern heranziehen, Art.20 EPGÜ in Verbindung mit dem EPGÜ-ZustG II sei verfassungskonform derart zu verstehen, dass die Gewährleistung der grundlegenden innerstaatlichen Verfassungsgarantien, insbesondere der in Art. 1, Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Grundsätze sowie die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts betreffend die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Mindeststandards bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf europäische oder zwischenstaatliche Einrichtungen unberührt bleiben23

Dieses Verständnis von Art.20 EPGÜ hat die Bundesregierung den anderen Vertragsmitgliedstaaten nicht mitgeteilt. 

Der Beschwerdeführer setzt sich mit all dem nicht hinreichend auseinander, sondern beschränkt sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2020 auf die Feststellung, dass ihm durch Art.20 EPGÜ die Identitätskontrolle abgeschnitten werde, was mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. 

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2021 – 2 BvR 2216/20 – 2 BvR 2217/20

  1. vgl. BT-Drs.19/22847, S. 82[]
  2. vgl. ABl EU Nr. L 361 vom 31.12.2012, S. 1; Nr. L 307 vom 28.10.2014, S. 83[]
  3. vgl. ABl EU Nr. L 361 vom 31.12.2012, S. 89[]
  4. vgl. zur  weiteren Erläuterung auch BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020, BVerfGE 153, 74 <76 ff. Rn. 3 ff.>[]
  5. vgl. BT-Drs. 18/8826[]
  6. vgl. BVerfGE 153, 74 <74 ff.>[]
  7. vgl. BR-Drs. 448/20, S. 7[]
  8. vgl. BRPlenarprotokoll Nr. 993 vom 18.09.2020, S. 297, 338 f.[]
  9. vgl. BT-Drs.19/22847, S. 7[]
  10. vgl. BTPlenarprotokoll 19/195 vom 26.11.2020, S. 24668, 24677[]
  11. vgl. BR-Drs. 723/20 BR-Plenarprotokoll Nr. 998 vom 18.12.2020, S. 498[]
  12. vgl. BT-Drs.19/22847, S. 9[]
  13. vgl. BT-Drs.19/22847, S. 2 f.[]
  14. vgl. BT-Drs.19/22847, S. 10[][]
  15. BVerfG, Beschluss – 2 BvR 739/17[]
  16. BVerfG, 2 BvE 2/08 u.a. vom 30.06.2009 – Lissabon-Vertrag, Rn. 331 ff m. w. N.[]
  17. BVerfG, a. a. O., Rn. 343[]
  18. vgl. BVerfGE 31, 145, 174[]
  19. abgedruckt in BVerfGE 153, 74, 85 Rn. 23[]
  20. vgl. BTDrucks 19/22847, S. 14 ff., 58 ff., 73 f., 79 ff.[]
  21. vgl. BT-Drs.19/22847, S. 89[]
  22. ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 1[]
  23. vgl. BRPlenarprotokoll Nr. 998 vom 18.12.2020, S. 524[][]
  24. vgl. BVerfGE 123, 267 <304> 132, 195 <195 ff. Rn. 1 ff.> 153, 74 <131 Rn. 90> vgl. Schneider, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 32 Rn. 268 Fn. 478[]
  25. vgl. BVerfGE 6, 290 <294 f.> 40, 141 <156> 84, 90 <113> 123, 148 <170> 153, 74 <131 f. Rn. 93>[]
  26. vgl. BVerfGE 103, 332 <345 f.>[]
  27. vgl. BVerfGE 14, 1 <6> 123, 148 <170, 185> 142, 234 <245 ff. Rn. 10 ff.> 153, 74 <131 f. Rn. 93>[]
  28. vgl. BVerfGE 153, 74 <132 Rn. 94 m.w.N.> stRspr[]
  29. vgl. BVerfGE 46, 160 <164> 111, 147 <153> 132, 195 <233 Rn. 88> 143, 65 <88 Rn. 36>[]
  30. vgl. BVerfGE 24, 33 <53 f.> 123, 267 <329> 153, 74 <132 Rn. 94>[]
  31. vgl. BVerfGE 123, 267 <329> 153, 74 <132 Rn. 94>[]
  32. vgl. BVerfGE 89, 344 <345> 92, 130 <133> 103, 41 <42> 118, 111 <122> 132, 195 <232 Rn. 87> 143, 65 <87 Rn. 35> 145, 348 <356 Rn. 28> 150, 163 <166 Rn. 9> 151, 58 <63 Rn. 11> stRspr[]
  33. vgl. BVerfGE 55, 1 <3> 82, 310 <312> 94, 166 <216 f.> 104, 23 <27> 106, 51 <58> 143, 65 <87 Rn. 34>[]
  34. vgl. BVerfGE 55, 1 <3> 82, 310 <312> 94, 166 <216 f.> 104, 23 <27> 106, 51 <58> 121, 1 <17 f.> 122, 342 <361> 131, 47 <61> 132, 195 <232 Rn. 86> 140, 99 <106 f. Rn. 12> stRspr[]
  35. vgl. BVerfGE 131, 47 <61> 140, 99 <106 f.>[]
  36. vgl. BVerfGE 104, 23 <27 f.> 117, 126 <135> 122, 342 <361 f.> stRspr[]
  37. vgl. BVerfGE 91, 70 <76 f.> 118, 111 <123> 140, 211 <219 Rn. 13> stRspr[]
  38. vgl. BVerfGE 35, 193 <196 f.> 83, 162 <171 f.> 88, 173 <179> 89, 38 <43> 108, 34 <41> 118, 111 <122> 125, 385 <393> 126, 158 <167> 129, 284 <298> 132, 195 <232 Rn. 86> 143, 65 <87 Rn. 34> Beschluss vom 15.04.2021 – 2 BvR 547/21, Rn. 67[]
  39. vgl. BVerfGE 99, 84 <87> 120, 274 <298> 140, 229 <232 Rn. 9> 142, 234 <251 Rn. 28> 149, 346 <359 Rn. 23>[]
  40. vgl. BVerfGE 99, 84 <87> 101, 331 <346> 123, 186 <234> 142, 234 <251 Rn. 28> 149, 346 <359 Rn. 23>[]
  41. BVerfGE 153, 74[]
  42. vgl. BVerfGE 142, 123 <195 Rn. 138> unter Hinweis auf BVerfGE 123, 267 <344, 353 f.> 126, 286 <302> 129, 78 <100> 134, 366 <384 f. Rn. 27>[]
  43. vgl. BVerfGE 140, 317 <341 Rn. 48>[]
  44. vgl. BVerfGE 142, 123 <195 Rn. 138>[]
  45. vgl. BVerfGE 89, 155 <187> 123, 267 <340> 129, 124 <169, 177> 132, 195 <238 Rn. 104> 135, 317 <386 Rn. 125> 151, 202 <286 Rn. 118>[]
  46. vgl. BVerfGE 129, 124 <168> 134, 366 <396 f. Rn. 52> 142, 123 <190 Rn. 126> 151, 202 <286 Rn. 118>[]
  47. vgl. BVerfGE 123, 267 <332 f.> 129, 124 <177> 132, 195 <238 Rn. 104> 134, 366 <397 Rn. 53> 135, 317 <386 Rn. 125> 142, 123 <190 Rn. 126> 146, 216 <249 f. Rn. 44 ff.> 153, 74 <139 Rn. 107>[]
  48. vgl. BVerfGE 123, 267 <332 f.>[]
  49. vgl. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl.2004, § 24 Rn. 93[]
  50. vgl. BVerfGE 89, 155 <187 f., 192, 199> 123, 267 <349> vgl. auch BVerfGE 58, 1 <37> 104, 151 <210> 132, 195 <238 Rn. 105> 142, 123 <191 f. Rn. 130> 146, 216 <250 Rn. 48> 151, 202 <287 Rn. 121>[]
  51. vgl. BVerfGE 58, 1 <37> 89, 155 <183 f., 187> 123, 267 <351 ff.> 132, 195 <238 Rn. 105> 135, 317 <399 Rn. 160> 142, 123 <191 f. Rn. 130> 151, 202 <287 Rn. 121>[]
  52. vgl. BVerfGE 123, 267 <341> 142, 123 <190 Rn. 125> 151, 202 <288 f. Rn. 123>[]
  53. vgl. BVerfGE 123, 267 <359> 129, 124 <177, 181> 151, 202 <288 Rn. 123>[]
  54. vgl. BVerfGE 123, 267 <359> 129, 124 <177> 132, 195 <239 Rn. 106> 135, 317 <399 f. Rn. 161> 142, 123 <195 Rn. 138> 146, 216 <253 f. Rn. 54> 151, 202 <288 Rn. 123>[]
  55. vgl. BVerfGE 123, 267 <341> 142, 123 <191 Rn. 128> 151, 202 <285 f. Rn. 117>[]
  56. vgl. BVerfGE 89, 155 <208> 134, 366 <389 f. Rn. 32> 142, 123 <220 Rn. 189> 151, 202 <290 ff. Rn. 127 ff.>[]
  57. vgl. BVerfGE 148, 69 <89 Rn. 53>[]
  58. vgl. BVerfGE 148, 69 <126 f. Rn. 140 ff.>[]
  59. vgl. BVerfGE 148, 69 <121 Rn. 128 f., 129 f. Rn. 148>[]
  60. krit. insoweit allerdings Everling, DRiZ 1993, S. 5 <6> Jacobs, in: Liber amicorum Lord Slynn of Hadley, 2000, S.?17 <24? f.> Baltes, Die demokratische Legitimation und die Unabhängigkeit des EuGH und des EuG, 2011, S. 32 ff., 203 f.; Stürner, JZ 2017, S. 905 <906 f.>[]
  61. vgl. BVerfGE 149, 346 <363 f. Rn. 35>[]
  62. vgl. BVerfGE 58, 1 <40 ff.> 59, 63 <85 ff.> 73, 339 <376> 149, 346 <364 Rn. 36>[]
  63. vgl. BVerfGE 149, 346 <364 f. Rn. 38> m.w.N.[]
  64. vgl. BVerfGE 8, 274 <326> 51, 176 <185> 54, 39 <41> 58, 1 <40> 96, 27 <39> 101, 106 <122 f.> 101, 397 <407> 103, 142 <156> 104, 220 <231> 149, 346 <363 f. Rn. 35>[]
  65. vgl. BVerfGE 103, 111 <140> 133, 168 <202 Rn. 62>[]
  66. vgl. BVerfGE 140, 42 <58 Rn. 59>[]
  67. vgl. BVerfGE 114, 258 <277> 140, 42 <48 Rn. 59>[]
  68. vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.> 102, 197 <206 f.> 110, 141 <151 f.>[]
  69. vgl. hierzu bereits BVerfGE 153, 74 <141 f. Rn. 114>[]
  70. vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.> 82, 159 <191> 110, 141 <154 f.> 115, 276 <299 f.> 153, 74 <141 f. Rn. 114> BVerfG, Beschluss vom 27.04.2021 – 2 BvR 206/14, Rn. 38[]
  71. vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 42 f., 179 ff. Rn. 63 ff.> 152, 216 <236 Rn. 50, 237 Rn. 52> BVerfG, Beschluss vom 01.12.2020 – 2 BvR 1845/18 u.a., Rn. 36; Beschluss vom 27.04.2021 – 2 BvR 206/14, Rn. 39 f.[]
  72. vgl. BVerfGE 153, 74 <141 f. Rn. 114 f.>[]
  73. vgl. BVerfGE 126, 286 <302> 140, 317 <335 Rn. 37> 142, 123 <186 f. Rn. 117>[]
  74. vgl. BVerfGE 73, 339 <375> 123, 267 <354> 129, 78 <100> 134, 366 <383 Rn. 24>[]
  75. vgl. BVerfGE 126, 286 <301> 129, 78 <100> 140, 317 <335 Rn. 38 f.> 142, 123 <187 Rn. 118>[]
  76. vgl. BVerfGE 73, 339 <375> 75, 223 <242> 123, 267 <354> 134, 366 <381 f. Rn.20 f.>[]
  77. vgl. BVerfGE 37, 271 <279 f.> 58, 1 <30 f.> 73, 339 <375 f.> 75, 223 <242> 89, 155 <190> 123, 267 <348 ff., 402> 126, 286 <302> 129, 78 <99> 134, 366 <384 Rn. 26> 140, 317 <336 Rn. 40> 142, 123 <187 f. Rn. 120> 154, 17 <89 f. Rn. 109>[]
  78. vgl. BVerfGE 142, 123 <187 f. Rn. 120>[]
  79. vgl. insoweit für das Königreich Belgien: Verfassungsgerichtshof, Entscheidung Nr. 62/2016 vom 28.04.2016, Rn. B.08.07.; für das Königreich Dänemark: Højesteret, Urteil vom 06.04.1998 – I 361/1997, Abschn.09.08.; Urteil vom 06.12.2016 – I 15/2014; für die Republik Estland: Riigikohus, Urteil vom 12.07.2012 – 3-4-1-6-12, Abs.-Nr. 128, 223; für die Französische Republik: Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.2006-540 DC vom 27.07.2006, Rn.19; Entscheidung Nr.2011-631 DC vom 09.06.2011, Rn. 45; Entscheidung Nr.2017-749 DC vom 31.07.2017, Rn. 9 ff.; Conseil d’État, Entscheidung Nr. 393099 vom 21.04.2021, Rn. 5; für Irland: Supreme Court of Ireland, Crotty v. An Taoiseach, <1987>, I.R. 713 <783> S.P.U.C. Ltd. v. Grogan, <1989>, I.R. 753 <765> für die Italienische Republik: Corte Costituzionale, Entscheidung Nr. 183/1973, Rn. 3 ff.; Entscheidung Nr. 168/1991, Rn. 4; Entscheidung Nr. 24/2017, Rn. 2; für Lettland: Satversmes tiesa, Urteil vom 07.04.2009 – 2008-35-01, Abs.-Nr. 17; für die Republik Polen: Trybuna? Konstytucyjny, Urteile vom 11.05.2005 – K 18/04, Rn.04.01., 10.02.; vom 24.11.2010 – K 32/09, Rn.02.01. ff.; vom 16.11.2011 – SK 45/09, Rn.02.04., 2.05.; für das Königreich Spanien: Tribunal Constitucional, Erklärung vom 13.12.2004, DTC 1/2004; für die Tschechische Republik: Ústavní Soud, Urteil vom 31.01.2012 – 2012/01/31 – Pl. ÚS 5/12, Abschn. VII; für Kroatien: Ustavni Sud, Entscheidung vom 21.04.2015 – U-VIIR-1158/2015, Rn. 60[]
  80. vgl. BVerfGE 142, 123 <203 Rn. 153> 153, 74 <163 Rn. 166> 154, 17 <151 Rn. 234>[]
  81. vgl. Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ABl EG 1997 Nr. C 340 vom 10.11.1997, S. 105 unter Nr. 2[]
  82. vgl. Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13.12.2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, ABl EU Nr. C 326 vom 26.10.2012, S. 346[]
  83. vgl. nur BVerfGE 123, 267 <401 f.> ferner Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.2004-505 DC vom 19.11.2004, Rn. 9 ff.; Ruffert, in: Calliess/ders., EUV/AEUV, 5. Aufl.2016, Art. 1 AEUV Rn. 18[]
  84. vgl. EuGH, Gutachten vom 08.03.2011, 1/09, Slg. 2011, I-1143 <1168 Rn. 65, 67>[]
  85. vgl. zu der alten Fassung des Übereinkommens: EuGH, Gutachten vom 08.03.2011, 1/09, Slg. 2011, I-1143 <1150 Rn. 9>[]

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