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Kevin Kühnert: SPD entsetzt über Bespitzelung durch Konrad Adenauer - DER SPIEGEL
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Historischer Fall Sozialdemokraten entsetzt über Bespitzelung durch Adenauer

500 vertrauliche Berichte aus zehn Jahren: Laut einem Zeitungsbericht hat Konrad Adenauer die SPD systematisch ausspionieren lassen. Deren Generalsekretär Kevin Kühnert fordert nun Konsequenzen.
»Ungeheuerlicher Vorgang«: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert äußerte sich nach Berichten über Adenauer-Bespitzelung entsetzt (Archivbild)

»Ungeheuerlicher Vorgang«: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert äußerte sich nach Berichten über Adenauer-Bespitzelung entsetzt (Archivbild)

Foto: Hannibal Hanschke / AFP

Bis heute wird er verehrt als einer der bedeutendsten Deutschen, als Gründer der Bundesrepublik, Vater des Wirtschaftswunders: Dass ausgerechnet »der Alte« Konrad Adenauer die gesamte sozialdemokratische Spitze offenbar jahrelang bespitzeln ließ, sorgt für Entsetzen bei der SPD.

»Es ist ein ungeheuerlicher und in der bundesrepublikanischen Geschichte wohl beispielloser Vorgang, dass der erste demokratische Bundeskanzler seine Macht systematisch unter Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien ausbaute und festigte«, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert der »Süddeutschen Zeitung«. Die »SZ« hatte am Freitag publik gemacht , dass die SPD in Adenauers Auftrag systematisch ausgehorcht wurde. Das Blatt sprach von einem »deutschen Watergate« .

Schon 2017 SPIEGEL-Berichte über Bespitzelung

Aber: Bereits 2017 förderte der SPIEGEL Geheimakten zutage , die zeigen, in welchem Ausmaß Adenauer seinen SPD-Konkurrenten Willy Brandt bespitzeln ließ – und auch, wie sehr der Kanzler sein Volk verachtete. »Der dumme Bürger, meine Herren – und der Bürger in Deutschland, ich weiß nicht, wie er anderswo ist, ist strohdumm! –, glaubt das«, sagte Adenauer 1960 hinter verschlossenen Türen zu seinen Parteifreunden.

Zu den neuerlichen Berichten über Adenauers Bespitzelung sagte Kühnert nun: Die Aufdeckung des »skrupellosen Machtmissbrauchs lässt Teile unserer bundesrepublikanischen Geschichte in einem gänzlich anderen Licht erscheinen«. Es werde Zeit, »sich als deutsche Christdemokratie einer kritischen Aufarbeitung zu stellen«, forderte er gegenüber den heutigen Verantwortlichen der CDU. Dabei müsse auch »das Werk Adenauers in Anbetracht seines Missbrauchs des Auslandsgeheimdienstes neu eingeordnet werden«.

»Skrupelloser Machtmissbrauch«: Bundeskanzler Konrad Adenauer

»Skrupelloser Machtmissbrauch«: Bundeskanzler Konrad Adenauer

Foto: Photo12 / IMAGO

Kühnert sagte weiter, auf die CDU komme nun »eine schmerzhafte, aber zwingend notwendige Aufgabe« zu. »Sie muss sich dazu verhalten, dass die Geschichte ihres prägendsten Vorsitzenden und somit auch die eigene Parteigeschichte mehr als ein Jahrzehnt lang auf systematischer Bespitzelung des politischen Gegners, insbesondere der SPD, beruhte.« Der SPD-Generalsekretär nannte es schwer erträglich, dass es mehr als 60 Jahre gebraucht habe, um diesen Skandal aufzuklären.

Zwei Informanten

Die von der »SZ« veröffentlichten Enthüllungen gehen nach Angaben der Zeitung auf die Auswertung von Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung  durch den Historiker Klaus-Dietmar Henke zurück. Demnach ließ Adenauer die SPD fast zehn Jahre lang mithilfe zweier Informanten ausspähen, von denen einer, Siegfried Ortloff, in der Parteispitze der Sozialdemokraten arbeitete. Seine eigentliche Aufgabe sei dort damals die Abwehr kommunistischer Unterwanderung gewesen.

Fast 500 vertrauliche Berichte aus dem SPD-Parteivorstand seien damals auf diesem Weg in das CDU-geführte Kanzleramt gelangt, heißt es in der »SZ«. Ortloff habe dabei mit Siegfried Ziegler zusammengearbeitet, einem Mitglied der Organisation Gehlen, der Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes (BND). Im Kanzleramt habe dessen damaliger Chef Hans Globke  die Berichte entgegengenommen, der in der NS-Zeit als Ministerialrat im Reichsinnenministerium tätig gewesen war.

Konrad Adenauer war von 1949 bis 1963 erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und bis 1966 Parteivorsitzender der CDU.

kik/dpa