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Hochschule für Musik und Theater in München: Studie zu Machtmissbrauch und Diskriminierung - DER SPIEGEL
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Münchner Musikhochschule »Bis heute finden sexualisierte Grenzüberschreitungen an unserer Hochschule statt«

Im Jahr 2018 wurde ein ehemaliger Präsident der Hochschule für Theater und Musik in München wegen sexueller Nötigung verurteilt. Die Vorfälle sollten aufgearbeitet werden, doch eine Befragung zeigt: Machtmissbrauch gibt es noch immer.
Hochschule für Theater und Musik in München

Hochschule für Theater und Musik in München

Foto: imagebroker / IMAGO

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Die Präsidentin der Hochschule für Theater und Musik in München (HMTM) wählte deutliche Worte: »Bis heute finden Machtmissbrauch, Diskriminierung und sexualisierte Grenzüberschreitungen an unserer Hochschule statt«, sagte Lydia Grün bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. »Das ist kein Thema der Vergangenheit.«

Damit kommentierte Grün eine Studie , deren Titel »Machtmissbrauch, Diskriminierung und sexualisierte Gewalt an der HMTM« wenig Spielraum für Interpretationen lässt. Das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (ipp) hatte dafür Antworten von mehr als 500 Studierenden, Lehrenden und Verwaltungsangestellten der Hochschule ausgewertet.

70 Prozent der Befragten gaben an, selbst mindestens in einer Situation Machtmissbrauch an der Hochschule erlebt zu haben. Rund die Hälfte konnte sich an mindestens vier solcher Situationen im Hochschulalltag erinnern. Als Machtmissbrauch gelten nach Definition des beauftragten Münchner Instituts etwa »destruktive Kritik« oder das Bloßstellen anderer Personen, aber auch das Übergehen von Zuständigkeiten oder das Verbreiten von Gerüchten über die eigene Person. Rund zehn Prozent der Studierenden sagten, sie hätten sogar körperliche und psychische Gewalt erlebt.

Studienleiterin Helga Dill vom ipp sagte bei der Vorstellung der Ergebnisse, bei der HMTM handle es sich um eine »traumatisierte Institution«.

Ehemaliger Präsident wegen sexueller Nötigung verurteilt

»Die hohe Zahl an berichteten Fällen erschüttert uns«, sagte Präsidentin Lydia Grün. Sie wolle sich deshalb bei allen entschuldigen, die an der Hochschule Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt und Diskriminierung erfahren hätten. Aufgrund ihrer Vergangenheit sei es für die HMTM dringende Verpflichtung, maximale Transparenz herzustellen und die Prävention offensiv anzugehen.

Die Hochschule für Theater und Musik in München war in die Schlagzeilen geraten. Der ehemalige Hochschulpräsident Siegfried Mauser soll in drei Fällen zwischen 2007 und 2013 eine Sängerin sexuell genötigt haben – einmal an der Grenze zur versuchten Vergewaltigung. Der angesehene Konzertpianist wurde zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Zudem wurde der ehemalige Kompositionsprofessor Hans-Jürgen von Bose im Juni 2021 wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt.

An der Münchner Musikhochschule soll eine Atmosphäre geherrscht haben, die ein Verteidiger im Mauser-Prozess als »Sodom und Gomorra« bezeichnet hatte. In einer internen Erhebung aus dem Jahr 2018 unter rund 800 Hochschulangehörigen gaben 115 von ihnen an, sie hätten während ihrer Zeit an der HMTM »anzügliche Bemerkungen« gehört, 56 sagten, sie hätten »anzügliche Gesten« wahrgenommen, 34 meldeten, »angegrapscht oder absichtlich berührt« worden zu sein. Neun Befragte berichteten, ihnen seien Genitalien gezeigt worden. Acht sagten aus, zu sexuellen Handlungen gezwungen worden zu sein. Sieben wurden demnach von ihrem Gegenüber Nachteile angedroht, weil sie einen Annäherungsversuch abgelehnt hatten. Auch eine Vergewaltigung wurde gemeldet.

Sieben-Punkte-Plan zur Prävention

Am Donnerstag stellte Präsidentin Grün einen Sieben-Punkte-Plan vor, um an der Hochschule ein »sicheres Umfeld« zu schaffen. So sollen künftig unter anderem neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein verpflichtendes Fortbildungsprogramm durchlaufen, das »Sensibilisierung für Nähe und Distanz, Diskriminierung und Ungleichbehandlung« in den Blick nehme. Geplant seien außerdem anonyme Lehrevaluationen und weitere anonyme Beschwerdewege. In den Tanz-, Theater- und Gesangsstudiengängen sollen sogenannte Intimitätscoaches einbezogen werden, außerdem soll es weitere Workshops und Schulungen zum Thema »Körperkontakt im Unterricht« geben.

Das Machtgefälle zwischen Lehrenden und Lernenden gilt an Musikhochschulen als besonders stark ausgeprägt. Die Studienplätze sind rar und dementsprechend umkämpft, die Klassen klein. Dozentinnen und Dozenten sind nicht selten bundesweit oder international bekannte Koryphäen. Außerdem findet häufig Einzelunterricht statt, die Studierenden stehen dem Professor oder der Professorin dann allein gegenüber. Was hinter verschlossenen Türen passiert, welche Sätze fallen, dringt häufig nicht nach außen.