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Türkei: Erdogan bezieht Präsidentenpalast mit 1000 Zimmern - DER SPIEGEL
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Erdogan-Palast: Prachtbau in Ankara

Foto: ADEM ALTAN/ AFP

Türkischer Präsidentenpalast 1000 illegale Zimmer für Erdogan

Der türkische Staatspräsident bezieht seine neue Residenz. Dabei hatten mehrere Gerichte den Bau in einem Naturschutzgebiet untersagt. Beim geplanten Empfang hätte es zum Eklat kommen können; Erdogan sagte ihn wegen eines Grubenunglücks ab.

Genau am Geburtstag der Republik Türkei weiht Recep Tayyip Erdogan seinen umstrittenen neuen Präsidentenpalast ein. Er ist Amtssitz und Residenz des türkischen Staatsoberhauptes. Als Erdogan vor drei Jahren den Bauauftrag gab, war er selbst noch Premierminister. Dann zeichnete sich ab, dass er kein viertes Mal Regierungschef werden durfte, woraufhin er sich entschloss, für das Präsidentenamt zu kandidieren - und selbst in den neuen Prunkbau einzuziehen. Der Plan ging auf: Seit August ist er der zwölfte Präsident der Türkei.

Und am Morgen nahm Erdogan im prunkvollen Neubau Glückwünsche von geladenen Gästen entgegen. Den für den Abend geplanten Staatsempfang sagte er jedoch am Mittwochvormittag wegen eines Grubenunglücks im Süden der Türkei ab. Im Ort Ermenek werden seit einem Wassereinbruch am Dienstagmittag 18 Bergleute vermisst. Erdogan will im Laufe des Tages den Unglücksort besuchen, anstatt seine neue Residenz zu feiern.

Gerichte untersagten Bau im Naturschutzgebiet

Rund 1000 Zimmer hat der umgerechnet 270 Millionen Euro teure Palast. Er heißt Ak Saray, Weißer Palast - oder im übertragenen Sinn Reiner Palast. Das hat schon für ordentlich Spott gesorgt, denn Erdogan hat seit dem vergangenen Jahr mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen. Einen unterirdischen Fluchtweg soll es geben, außerdem einen abhörsicheren Bunker, der Schutz vor Bomben und Chemiewaffen bietet. Das Grundstück umfasst Berichten zufolge 210.000 Quadratmeter, das Gebäude selbst etwa 40.000. Erdogans neues Domizil ist damit größer als der Buckingham Palace, der Élysée in Paris und das Weiße Haus in Washington sowieso.

Der neue Palast ist eine von vielen baulichen Machtdemonstrationen Erdogans. Das Gebäude verkörpert, was er für sich und die Türkei beansprucht: wieder eine Großmacht zu sein, anknüpfend an das Osmanische Reich. Man habe daher architektonisch auf "osmanische und seldschukische Elemente" geachtet. Ankara sei schließlich eine "seldschukische Hauptstadt", erklärte er mit Bezug auf die Vorgänger der Osmanen - was historisch falsch ist: Ankara wurde erst mit der Ausrufung der Republik 1923 Hauptstadt, 729 Jahre nach dem Untergang der Seldschuken.

Erdogan hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht nur repräsentative Aufgaben wahrnehmen will. Anders als die Präsidenten der vergangenen Jahre will er sich in die Regierungsgeschäfte einmischen, sie sogar bestimmen. Als erster direkt vom Volk gewählter türkischer Präsident sei er dazu befugt, begründete er seine Pläne. Ein solches Staatsoberhaupt könne "nicht wie seine Vorgänger sein".

Er will also in die Geschichte eingehen mit seiner neuen Machtfülle und seiner "Neuen Türkei", an der er baut. Gesetze und Regeln, scheint es, stören da nur, wie am Beispiel von Ak Saray sichtbar wird. Denn der Palast steht inmitten eines Naturschutzgebietes. Mehrere Gerichte, zuletzt das höchste Verwaltungsgericht, haben den Bau untersagt. Erdogan reagierte daraufhin mit einer inzwischen viel zitierten Aussage: "Sollen sie (die Richter, d. Red.) ihn doch abreißen, wenn sie die Macht dazu haben." Und weiter: "Ich werde das Gebäude eröffnen, dort einziehen und meines Amtes walten." Das Naturschutzgebiet ließ er kurzerhand zum Baugebiet erklären.

Proteste von Naturschützern, Kritik von Opposition

Faktisch ist der Bau damit illegal, aber Erdogan steht über dem Gesetz. Er hat damit gezeigt, wer die Macht im Land hat.

Da nützten die Proteste gegen das Abholzen von Hunderten von Bäumen gar nichts. Auch die Beschwerden von Oppositionspolitikern verpufften. Sie hatten ihm vorgeworfen, durch den Auszug aus dem Palast von Mustafa Kemal Atatürk mit einer 91 Jahre alten Tradition zu brechen - und das ausgerechnet am Tag der Republik, der an Atatürk erinnern soll. Der Präsidentensitz des Republikgründers trug den Namen Cankaya und nahm sich vergleichsweise bescheiden aus. Dort zieht nun der Premierminister ein.

Beim Verfassungsgericht ist eine Klage anhängig, wonach Erdogan das "historische Gedächtnis" auslöschen wolle. Die Entscheidung der obersten Richter dürfte aber keine Rolle spielen. Weder wird der Palast abgerissen, noch wird Erdogan je eine Strafe wegen Missachtung eines gerichtlich angeordneten Baustopps zahlen.

Aus den beiden Oppositionsparteien CHP und MHP erklären Politiker, Erdogan versuche einmal mehr, sich von Atatürk abzusetzen. Er wolle die Orientierung der Türkei gen Westen rückgängig machen und stattdessen die Islamisierung vorantreiben. Sie hatten deshalb angekündigt, die Einweihungsfeier zu boykottieren - doch nun ist sie eh abgesagt.