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Unruhen in Ägypten: Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht - DER SPIEGEL
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Unruhen in Ägypten Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht

Trotz einer Ausgangssperre reißen die Proteste in Ägypten nicht ab: In der Nacht lieferten sich Polizei und Demonstranten ein Katz-und-Maus-Spiel in den Straßen von Kairo und Suez. Neue Proteste sind angekündigt.
Unruhen in Ägypten: Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht

Unruhen in Ägypten: Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht

Foto: AMR ABDALLAH DALSH/ REUTERS

Kairo/Suez - Massiven Drohungen der ägyptischen Führung zum Trotz gehen die Menschen in Kairo, Suez und anderen Städten weiter auf die Straße. In der Nacht zum Donnerstag versammelten sich kleinere Gruppen von Demonstranten, um gegen Präsident Husni Mubarak, Korruption und Unterdrückung zu protestieren. Polizisten versuchten, sie auseinanderzutreiben.

Am Mittwoch waren Tausende Menschen in Kairo und anderen Städten auf die Straße gegangen. Sie forderten den Rücktritt Mubaraks, der seit 1981 autoritär regiert. Polizisten feuerten Augenzeugen zufolge mit Gummigeschossen in die Menge und schlugen mit Gummiknüppeln zu. Demonstranten zündeten Reifen an und warfen Steine auf die Polizei. In Suez setzten sie ein Regierungsgebäude in Brand.

Bei den Auseinandersetzungen starben seit Dienstag mindestens drei Demonstranten und ein Polizist, Dutzende Menschen wurden verletzt. Ägyptens Führung versucht mit aller Härte, die vom Volksaufstand in Tunesien inspirierten Proteste gegen soziale Ungerechtigkeit zu beenden. Internetaktivisten riefen jedoch zu neuen Aktionen nach dem Freitagsgebet auf.

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Proteste gegen Mubarak: Ägypten in Aufruhr

Foto: HEINZ-PETER BADER/ REUTERS

Widersprüchliche Informationen aus dem Umfeld der Sicherheitskräfte gab es zum Tod eines Polizisten und einer Zivilistin am Mittwoch. Demnach hieß es zunächst, die beiden seien bei den Demonstrationen ums Leben gekommen. Ein anderer Vertreter der Sicherheitskräfte widersprach dieser Darstellung später und nannte einen Verkehrsunfall als Ursache.

Nach Angaben des Innenministeriums wurden bislang 500 Menschen festgenommen. Eine unabhängige Vereinigung von Rechtsanwälten sprach dagegen von 1200.

Druck aus den USA

Besonders heikel war die Lage am Mittwoch in der Hafenstadt Suez, wo Demonstranten Feuer am Rathaus und einem Polizeigebäude legten. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden 52 Demonstranten und Polizisten verletzt. Das Innenministerium verhängte in der Stadt eine nächtliche Ausgangssperre.

Die ägyptische Führung hat bislang nicht auf die verschiedenen Forderungen der Demonstranten reagiert. Einige fordern höhere Löhne für Staatsdiener, andere protestieren gegen eine neue Kandidatur von Mubarak bei der geplanten Präsidentschaftswahl im Herbst.

US-Außenministerin Hillary Clinton rief am Abend zu Reformen in dem arabischen Land auf. Zugleich appellierte sie an die Behörden, friedliche Demonstrationen und den Zugang zu sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter zuzulassen.

Ägypten ist ein enger Verbündeter der USA in der arabischen Welt. Allerdings drängt Washington Mubarak seit Jahren zu Reformen. "Wir unterstützen die universellen Rechte des ägyptischen Volkes, was das Recht auf Meinungsfreiheit und Versammlung einschließt", sagte Clinton nach einem Treffen mit dem jordanischen Außenminister Nasser Judeh.

Reiseveranstalter stornieren Stadt-Ausflüge

Die ägyptischen Behörden blockierten den Zugang zum Kurzmitteilungsdienst Twitter. Auch ägyptische Facebook-Nutzer berichteten über Ausfälle. Google und Gmail waren ebenfalls zeitweise blockiert. Beobachter sagten, die Sicherheitskräfte wollten durch diese Störmanöver verhindern, dass sich kleinere Gruppen zu größeren Protestaktionen zusammenfinden.

Eine Gruppe von Hackern drohte mit Angriffen auf Regierungs-Websites, die Web-Seite des Informationsministeriums war vorübergehend nicht erreichbar. Die Proteste sind nicht zentral gesteuert, sondern werden von vielen politischen Bündnissen und Menschenrechtsgruppen organisiert.

In Kairo wurden mehrere Journalisten festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, die Massen aufgewiegelt und Chaos in den Straßen erzeugt zu haben. Demonstranten berichteten, sie seien von Polizisten in Zivil angegriffen worden.

In den auch bei deutschen Touristen beliebten ägyptischen Urlaubsorten am Roten Meer war von den Unruhen nichts zu spüren. Allerdings sagten die Reiseveranstalter Ausflüge nach Kairo ab. Diese Vorsichtsmaßnahme sei für zunächst einen Tag getroffen worden, hieß es bei den Anbietern Thomas Cook/Neckermann und FTI.

Die Rewe-Pauschaltouristik (ITS, Jahn Reisen, Tjaereborg) erklärte, sie bringe schon seit Dienstag keine Urlauber mehr in die Hauptstadt. Das Ägyptische Museum, das zu den wichtigsten Besuchermagneten der Stadt gehört, liegt direkt am Tahrir-Platz, auf dem sich in der Nacht die Demonstranten mit der Polizei geprügelt hatten.

amz/dpa/Reuters