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Steinbrück: Wirtschaft wendet sich von SPD-Kanzlerkandidat ab - DER SPIEGEL
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Manager gegen SPD-Kanzlerkandidat Wirtschaft wendet sich von Steinbrück ab

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will auch im Unternehmerlager Stimmen sammeln, doch die Wirtschaft geht auf Distanz. Führende Manager greifen den Sozialdemokraten an, Umfragen zufolge setzen die Firmenchefs klar auf Angela Merkel.
SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück: Die Wirtschaft wendet sich von dem Sozialdemokraten ab

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück: Die Wirtschaft wendet sich von dem Sozialdemokraten ab

Foto: Mathis Wienand/ Getty Images

Berlin - Bei den eigenen Leuten ist Peer Steinbrück neuerdings gut gelitten. Seine Vorschläge zur Bankenregulierung, zu höheren Steuersätzen für Spitzenverdiener sowie sein Bekenntnis zur Frauenquote haben viele in der SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten versöhnt. Allerdings gibt es plötzlich ein anderes Problem: Die Wirtschaft geht zum einst als Pragmatiker gelobten Steinbrück mehr und mehr auf Distanz.

Von dessen Comeback als Sozialdemokrat ist unter Managern offenbar kaum einer begeistert. "Steinbrück bedient Neidreflexe, indem er die Besteuerung von Vermögen und Personenunternehmen ganz oben auf die Agenda setzt", sagt Lencke Wischhusen, neue Chefin des Verbandes der Jungen Unternehmer. Wischhusens Vorwurf an Steinbrück: "Dabei vergisst er, dass diese wachstumsfeindliche Politik den Unternehmen die Möglichkeit nimmt zu reinvestieren, Eigenkapital aufzubauen und so langfristig Arbeitsplätze zu schaffen und auch in der nächsten Krise für Stabilität zu sorgen."

Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, kritisiert Steinbrück. "In Zeiten von Steuereinnahmen auf Rekordniveau halte ich es für völlig falsch, über Steuererhöhungen nachzudenken." Driftmann warnt: "Das kostet Wachstum und Arbeitsplätze." Und Arbeitgeberchef Dieter Hundt nennt die von Steinbrück mitgetragenen rot-grünen Pläne "hochgradig schädlich" für die Wirtschaft.

Steinbrück wollte in der Wirtschaft punkten

Die Unternehmer tun sich traditionell schwer mit der SPD - aber Steinbrück schien bisher alles andere als ein traditioneller Sozialdemokrat zu sein. Deshalb, so hofften er und die SPD-Führung, könnte ein Kanzlerkandidat Steinbrück auch in der Wirtschaft punkten.

Doch danach sieht es im Moment nicht aus, zumal auch zwei aktuelle Umfragen unter Spitzenmanagern eine starke Entfremdung der Wirtschaft von Steinbrück zeigen. Mehr als drei Viertel der deutschen Top-Entscheider wollen einer Erhebung des Magazins "Capital" zufolge, dass Kanzlerin Angela Merkel auch nach der kommenden Bundestagswahl im Amt bleibt. Die Studie des Allensbach-Instituts unter 500 Führungsspitzen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung kommt zu folgendem Ergebnis: Zwar halten 60 Prozent der Befragten Steinbrück für den bestmöglichen SPD-Kanzlerkandidaten - aber nicht einmal jeder Fünfte wünscht ihn sich als deutschen Regierungschef.

Die Unternehmer mögen Steinbrück zwar, auch wegen seiner Erfolge als Finanzminister in der Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 - aber im Zweifel setzen sie eben doch auf die CDU-Kanzlerin.

Ähnlich ist das Bild in der jüngsten "Handelsblatt"-Umfrage unter 700 Führungskräften von deutschen Konzernen und mittelständischen Unternehmen. "Die große Mehrheit der Führungskräfte möchte in der Tat Merkel als Kanzlerin auch nach dem Jahr 2013 behalten", sagt Forsa-Chef Manfred Güllner, dessen Institut die Studie durchgeführt hat. Zumal man Steinbrück offenbar wenig Prokura in der SPD zutraut. "Ich kann bisher nicht erkennen, dass er die Fehlentwicklungen in seiner Partei korrigiert", sagt Arbeitgeberchef Hundt. Nur sieben Prozent der von Allensbach Befragten glauben, dass Steinbrück den Kurs seiner Partei bestimmt.

Unternehmensbosse als dankbare Wahlkampfziele

Die Wirtschaft gegen Peer Steinbrück - nicht alle Sozialdemokraten halten das für einen Nachteil. Viele in der SPD sehen die Bosse als dankbare Wahlkampfziele. Das Kalkül: Je massiver führende Wirtschaftsvertreter gegen die Genossen Stimmung machen, desto stärker werden das eigene Profil und die Botschaft sichtbar, die man gerne ins Zentrum der Kampagne für 2013 stellen würde: mehr soziale Gerechtigkeit.

Und so geht mancher von Steinbrücks Leuten schon zum Gegenangriff über. "Auch die deutsche Wirtschaft muss einen Beitrag für mehr Sozialverantwortung leisten", fordert Hessens Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. "Die Zeit der Kannibalisierung ist vorbei." Der Finanzfachmann rät Teilen der Wirtschaft, sich nicht mehr "in die Büsche zu schlagen". Unternehmen könnten nicht länger nur darauf bedacht sein, Vorteile für sich selbst herauszuholen, sondern müssten sich stärker am Gemeinwohl orientieren.

Steinbrück selbst befindet sich in dieser Frage in einem strategischen Dilemma. Einerseits dürfte für ihn jetzt nicht gleich die Welt untergehen wegen der Distanzierung aus der Wirtschaft. In seinem Umfeld erinnert man dieser Tage daran, dass sein Papier zur Finanzmarktregulierung auch deswegen so einschlug, weil die Deutsche Bank gegen die Pläne damals rasch auf die Barrikaden ging. "Klare Fronten sind manchmal hilfreich", sagt einer, der Steinbrück gut kennt.

Andererseits weiß der Kanzlerkandidat: Verliert er seinen ordentlichen Ruf in der Wirtschaft, verliert er möglicherweise die ihm zugeschriebene Fähigkeit, über das eigene Lager hinaus Wähler an die SPD binden zu können. Allein die Stammwählerschaft aber hätten vielleicht auch andere Sozialdemokraten mobilisieren können.

Vielleicht sogar besser.