(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Fußball-Rüpel Legat: "Ich war wie ein Wildpferd" - DER SPIEGEL
Zum Inhalt springen

Fußball-Rüpel Legat "Ich war wie ein Wildpferd"

Thorsten Legat war ein Besessener, die Bundesliga sein Leben. Stets gab er Vollgas. Leider hatte sich der Fußballer abseits des Platzes oft nicht im Griff. Mit dem Magazin "11 FREUNDE" sprach Legat über Ausraster, den Traum vom Trainerjob - und arg ausschweifende Meisterfeiern.

Frage: Herr Legat, Sie waren ein sehr erfolgreicher Spieler und holten mit Bremen, Stuttgart und Schalke etliche Titel. Wie haben Sie die Feiern danach in Erinnerung?

Legat: In solchen Situationen fällt die gesamte Anspannung einer Saison von einem ab. Man ist aufgewühlt und gleichzeitig stolz auf das Erreichte. Ich habe immer gedacht: "Thorsten, das kann dir keiner mehr nehmen". Vor vier, fünf Uhr war ich bei solchen Anlässen nie im Bett. Nach meinem Ermessen bin ich aber immer neben meiner Frau eingeschlafen.

Frage: Das klingt seriöser, als wir angenommen hatten.

Legat: Na gut, nach der Deutschen Meisterschaft 1993 mit Werder – das war das Größte für mich – ging schon die Post ab. Da war ich wie ein Wildpferd, da hat mich anderthalb Tage niemand halten können.

Frage: Wer war an Ihrer Seite?

Legat: Ich kann keine Namen nennen. Aber die Leute, mit denen ich unterwegs war, die waren Hardcore pur. Wenn man Erfolg hat, muss man Spaß haben. Da musst du alles rauslassen, da darfst du nichts unterdrücken. Wer das nicht begreift, ist fehl am Platze.

Frage: In physischer Hinsicht waren Sie absolut professionell. Abseits des Trainings hatten Sie sich nicht immer im Griff. Stuttgart mussten Sie 1999 verlassen, weil Sie Ihren Mitspieler Pablo Thiam rassistisch beleidigt hatten.

Legat: Ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte, glauben Sie mir. Ich kam nach einem halben Jahr Reha zurück ins Training, wollte zurück ins Team. Der Pablo und ich haben uns gekabbelt. Man gönnt ja dem anderen nichts, schließlich geht es um einen Stammplatz. In der Kabine ging es verbal weiter. Dann habe ich den Bogen überspannt, nicht nachgedacht, und dieses Wort auf Pablos Flasche geschrieben ("Negersaft", Anm. d. Red.). Ein dummer Witz. Es tut mir immer noch von ganzem Herzen leid.

Frage: Waren Sie erschrocken über die Konsequenzen für Sie? Der VfB kündigte Ihnen fristlos.

Legat: Ja, klar. Ich war entsetzlich naiv.

Frage: Sie waren in der Folge drei Monate vereinslos. Dann hat Rudi Assauer Sie angerufen.

Legat: Der Rudi ist wie ein Ziehvater für mich, er hat mich zurückgeholt ins Ruhrgebiet und mir eine neue Chance gegeben. Ich war wieder zu Hause, durfte Fußball spielen. Ich habe mich wieder wie ein Mensch gefühlt. Dafür werde ich dem Rudi immer dankbar sein.

Frage: Das klingt schön. War es wirklich so harmonisch?

Legat: Bei Schalke gab es kein Mobbing. Tolle Jungs. Das war für mich wie eine zweite Familie. Bei anderen Vereinen kam es schon mal vor, dass so ein alter Platzhirsch ausgekeilt hat. Wenn du dich durchsetzen willst, musst du den Kampf annehmen. Ich habe eingesteckt und ausgeteilt. Von der Athletik her war ich immer der Beste, vom Willen her, von der Kompetenz her.

Frage: Sie sprechen vom Fußball wie andere von der Fremdenlegion.

Legat: Ich bin auf der Straße groß geworden. Man hat mich gehänselt, als "asozial" und "Penner" bezeichnet. Der wichtigste Mensch in meinem Leben war Hermann Gerland, mein Trainer in Bochum. Er hat mir die Leviten gelesen und zu mir gesagt: "Wenn du nicht zurück willst auf die Straße, dann musst du kämpfen, kämpfen, kämpfen." Das habe ich getan.

Frage: Manche Spieler schauen sich Filme an oder hören Musik, um sich zu motivieren. Hatten auch Sie ein besonderes Ritual?

Legat: Mein Papa hat unter Tage gearbeitet. Das waren schreckliche Verhältnisse. Ich habe gesehen, wie er gelitten hat. Da wollte ich niemals hin. Das war Motivation genug. Der liebe Gott hat mir diesen Körper gegeben, und ich habe ihn geformt.

Frage: Haben Sie jemals festgestellt, dass Kollegen aufgrund Ihres Auftretens Angst vor Ihnen hatten?

Legat: Ich bin mein Leben lang eine Figur gewesen, von der man sagt: "Der ist nicht normal". Ich stehe außen vor, immer noch.

Frage: "Der ist nicht normal", das gilt auch in anderer Hinsicht. Bei den Aufnahmen zu den Mannschaftsfotos etwa waren Sie immer für einen Scherz gut. In Ihrer Schalker Zeit zogen Sie sich die Hose bis unter die Achseln. Die Aktion blieb unbemerkt, und das Bild erschien im "Kicker"-Sonderheft.

Legat: Ja, ich war immer für einen Joke gut. Aber was soll ich machen? Wenn mir zwei Kollegen 1000 Mark für die Aktion bieten, dann wäre ich ja doof, wenn ich es nicht machen würde. Leider musste ich das Zehnfache an Strafe zahlen. Das habe ich nicht verstanden, das Sponsoren-Logo war ja schließlich noch zu sehen. Mittlerweile lache ich wieder darüber und der Rudi Assauer auch. Damals war er aber an die Regularien gebunden.

Frage: Seit 2001 fehlen Sie aufgrund Ihrer Sportinvalidität auf diesen Fotos. Vermissen Sie die Bundesliga?

Legat: Ich würde den Jungs gern noch mal zeigen, was ein Zweikampf ist.

Frage: Man hört, Sie seien damals in ein tiefes Loch gefallen.

Legat: Ja, das stimmt. Ich war schwer verletzt, und als ich wieder fit war, sagte man mir: "Es ist wohl besser, wenn du aufhörst". Das war das Ende. Ich bin ein Jahr lang in kein Stadion mehr gegangen, habe noch nicht mal mehr die Sportschau geguckt. Ich saß zu Hause. Meine Frau hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt: "Was ist nur aus dir geworden?". Ich habe noch nicht mal Alkohol getrunken oder geraucht. Ich habe mich einfach nur versteckt.

Frage: Wie geht es Ihnen heute?

Legat: Ich fühle mich reif, als Trainer zu arbeiten. Die B- und A-Lizenz habe ich schon gemacht. Aber ob ich jemals im Profi-Bereich arbeiten werde, da muss ich ein großes Fragezeichen hinter machen. Das ist Glücksache. Mein Traumverein als Trainer ist der VfL Bochum! Ich liebe den VfL.

Anmerkung der Redaktion: Die Dokumentationsabteilung des SPIEGEL hat sich diesen Text nach Hinweisen auf mögliche Manipulationen Anfang 2019 noch einmal vorgenommen, aber keine Auffälligkeiten festgestellt.

Die Fragen stellte Dirk Gieselmann