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Noch-Schalke-Keeper Neuer: Ultra im Feindesland - DER SPIEGEL
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Nationaltorhüter Neuer: Schalker Jung vor dem Abgang

Foto: Phil Cole/ Getty Images

Noch-Schalke-Keeper Neuer Ultra im Feindesland

Manuel Neuer ist Schalke 04. Schon im fünften Lebensjahr war er Torhüter in Gelsenkirchen, er stand bei den Ultras in der Nordkurve. Jetzt spricht alles für einen Wechsel des 25-Jährigen zum FC Bayern. Dort gehen die Hardcore-Fans auf die Barrikaden.

Wenn Prinz William am 29. April in der Westminster Abbey zu London seiner Verlobten Kate Middleton das Jawort gibt, freuen sich weltweit Millionen Adelfans für das Paar. Einen Tag später steht in der Münchner Arena ein anderer "Blaublütiger" im Rampenlicht. Manuel Neuer tritt am 32. Spieltag (18.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) mit seinem FC Schalke beim FCB an. Und damit bei seinem - wohl - neuen Arbeitgeber. Doch diese Liaison löst bei vielen Bayern-Fans nur wenig Freude aus.

Damit abfinden müssen sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach dennoch. Dass Neuer seinen bis 2012 laufenden Vertrag nicht verlängern wird, hat er am Mittwochmorgen verkündet. Doch so ganz will Neuer die Hosen noch nicht runterlassen. "Ich habe diese Entscheidung getroffen und wollte sie jetzt bekanntgeben. Nun aber gilt die volle Konzentration den Saisonzielen des FC Schalke 04."

Kein Wort zum FC Bayern. Dabei ist die "Bild"-Zeitung bereits einen Schritt weiter. Sie vermeldete zu Wochenbeginn, Neuer wechsle für eine Ablöse zwischen 18 und 20 Millionen Euro zur kommenden Saison zum Rekordmeister und erhalte dort zunächst einen Vierjahresvertrag. Vier Jahre - in der heutigen Zeit ist das keine schlechte Verweildauer für einen durchschnittlichen Fußballprofi. Doch Manuel Neuer ist nicht durchschnittlich.

Vier Jahre - so alt war er, als er am 1. März 1991 Mitglied beim FC Schalke wurde. Seitdem hält er dem Verein die Treue, war als Fan Dauergast in der Nordkurve, durchlief die Jugendteams und reifte zu einem der besten Torhüter der Welt. Unter seinem Trikot trug Neuer lange das T-Shirt einer Ultra-Gruppe aus dem Gelsenkirchener Stadtteil Buer, mit der Aufschrift "Buerschenschaft". Neuer ist durch und durch Schalke oder - wie Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies zitiert wird - "das Gesicht von Schalke".

"Wir wollen keinen Ur-Schalker in unserem Tor"

So viel Verbundenheit, so viel königsblaues Blut. Grund genug für die Ultras von Bayern München, den Wechsel abzulehnen: Im Pokalhalbfinale der beiden Teams im März in München wurde Neuer mit Bierbechern beworfen, mit Schmährufen bedacht, in einer unter anderem von der einflussreichen Münchner Ultra-Gruppierung "Schickeria" entworfenen Choreografie hielten Tausende Stadionbesucher Schilder mit dem Slogan "Koan Neuer" in die Höhe. Die Bayern-Bosse entschuldigten sich medienwirksam bei ihrem Wunschtorhüter, Neuer nahm die Entschuldigung an.

Doch die Stimmung in der bayerischen Fan-Szene ist unverändert. Beim 1:0-Sieg gegen Mönchengladbach war diesmal Club-Präsident Uli Hoeneß Ziel der Attacken. Außer der Hilfe für den verhassten Nachbarn 1860 wurde Hoeneß die geplante Verpflichtung Neuers zur Last gelegt. Auf ihrer Homepage fordert die "Schickeria": "Nein zu Neuer!!" und "Manuel Neuer ist Hardcore-Schalker", heißt es dort weiter, "wir wollen keinen Ur-Schalker in unserem Tor".

Ganz unschuldig ist Neuer an der Abneigung nicht, hat er doch kaum eine Gelegenheit ausgelassen, sich zum FC Schalke zu bekennen - und ist dabei mitunter übers Ziel hinausgeschossen. Besonders übel wird ihm von den Münchner Fans eine Persiflage auf das Bayern-Idol Oliver Kahn genommen: 2009 feierte Neuer einen Sieg in München in "Titan"-Manier auf dem Boden liegend mit der Eckfahne. Diese übermotivierte Geste zeigt aber auch, was Neuer so stark macht: Außer seiner Klasse strotzt er vor sportlichem Ehrgeiz und bringt konstant Bestleistungen, vor allem unter extremen Druck.

Neuer unter Druck stark: Top-Leistungen gegen die Top-Clubs

Bei der WM in Südafrika spielte er so gut wie fehlerfrei, mit starken Paraden half er S04 bis ins Halbfinale der Champions League gegen Manchester United. Und auch in der Bundesliga zeigt er Woche für Woche sehr gute Leistungen. In der Liste der "Kicker"-Top-Spieler wird Neuer mit einem Notendurchschnitt von 2,76 bester Torhüter auf Platz sechs geführt. Zweimal benotete ihn das Fachmagazin in dieser Saison mit "sehr gut": beim 0:0 gegen Erzrivale Borussia Dortmund - und beim 2:0-Hinrundensieg gegen die Bayern.

Bei aller Liebe zum Verein: Um den vielzitierten "nächsten Schritt" zu machen in seiner persönlichen Weiterentwicklung, muss Neuer zu einem Top-Club von internationalem Format wechseln, der ihm dauerhaft die Teilnahme an der Champions League garantiert.

Bei den Bayern wird er es zunächst sicher nicht leichthaben, ausgepfiffen und überkritisch beobachtet werden. Doch nach einigen Wochen dürfte sich die Stimmung wandeln. Das sieht auch sein Vor-Vorgänger Oliver Kahn so: "Es wäre eine vernünftige Lösung, wenn er kommen sollte. Es dauert zwei bis drei Trainingseinheiten und einen gehaltenen Elfmeter, und alles ist auf deiner Seite", prophezeite er in der "Bild"-Zeitung. "Wenn man die gesamte Meinung aller Bayern-Fans zusammennehmen würde, würden 75 bis 80 Prozent sagen: Es ergibt Sinn, einen Manuel Neuer zu verpflichten, denn er ist auf dem Weg zur Weltklasse."

Gibt Neuer dem FC Bayern nach dem Duell mit Schalke sein Jawort?

Dass Neuer bei den Bayern-Bossen längst vollste Zustimmung findet, ist bekannt. Dem öffentlichen Werben folgen nun auf der Zielgerade, nachdem der Wechsel wohl perfekt ist, die leisen Töne: "Wir tun gut daran, diese Personalie nicht zu offensiv zu kommentieren", sagte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, ungewohnt besorgt um das öffentliche Auftreten seines Clubs. Rummenigge waren die Aussagen von Sportdirektor Christian Nerlinger, der zu Wochenbeginn von einer "klaren Tendenz" im Fall Neuer gesprochen hatte, wohl zu forsch. "Wir möchten ganz bewusst den FC Schalke vor dem wichtigen Champions-League-Halbfinale nicht stören", so Rummenigge.

Neuer selbst hatte am Wochenende nach dem 1:1 bei Werder Bremen erklärt, dass die Entscheidung gefallen sei. In welche Richtung, sagte er nicht. Aber die beteiligten "Leute" wüssten Bescheid. Dazu passend war der süffisante Kommentar von Bayern-Präsident Uli Hoeneß: "Ich kenne seine Entscheidung". Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis Neuer den Bayern öffentlich sein Jawort gibt.