(Translated by https://www.hiragana.jp/)
DEL-Abstieg: Klassenkampf in Kassel - DER SPIEGEL
Zum Inhalt springen

DEL-Abstieg Klassenkampf in Kassel

Es ist eine paradoxe Situation: Sportlich sind die Kassel Huskies aus der Deutschen Eishockeyliga abgestiegen, doch der Traditionsclub könnte auch in der kommenden Saison in der DEL spielen. Denn den Aufstiegskandidaten fehlen Hallenkapazitäten - und schlüssige Konzepte.

Kurz vor dem Ziel mussten die Fans der Fischtown Pinguine aus Bremerhaven noch einen Rückschlag hinnehmen. Das Forum des Eishockey-Zweitligisten auf der Vereinshomepage wurde durch einen Datenbankfehler zerstört und ist nicht erreichbar. Gejubelt werden kann deshalb einstweilen nur in der Halle am Wilhelm-Kaisen-Platz, wo die Pinguine am Abend den Einzug ins Endspiel um den Aufstieg in die Deutsche Eishockeyliga DEL schaffen können. 2:0 steht es in der Serie gegen die Dresdner Eislöwen, spannender sieht es im anderen Halbfinale zwischen dem Schwenninger ERC aus und den Straubinger Tigers aus, dort steht es 1:1.

Welcher Verein am Ende über den Aufstieg jubelt, steht noch nicht fest. Genau genommen ist es sogar unklar, ob überhaupt einer aus dem Quartett im kommenden Jahr in der höchsten deutschen Liga spielt. Denn alle vier Vereine laufen einem Rückstand hinterher, der mit Toren nicht auszuholen ist: Sie brauchen Punkte, viele Punkte. Genau 9000 bis Ende Mai. Das ist die Vorgabe für einen Aufstieg in die DEL, und Gernot Tripcke zeigt sich unerbittlich: "Wer uns bis dahin kein eindeutiges Konzept abliefert, wie er den Kapazitätenindex erfüllen will, hat schlechte Karten", erklärt der DEL-Geschäftsführer im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

In den Aufstiegsbedingungen von DEL, dem Deutschen Eishockey-Bund DEB und der Eishockeyspielbetriebs-Gesellschaft steht, dass neben der sportlichen Qualifikation für die DEL auch eine geeignete Spielstätte vorhanden sein muss. Punkte gibt es für die Anzahl der Steh- und Sitzplätze sowie einen VIP-Bereich und eine fernsehtaugliche Technik.

Kleine Hallen, große Probleme

Das Problem: Niemand der vier möglichen Aufstiegskandidaten erreicht nach aktuellen Berechnungen die notwendigen 9000 Zähler. Nach Recherchen von SPIEGEL ONLINE sind auch in den nächsten Monaten keine schlüssigen Konzepte in Sicht. Mit einer notwendigen Ausnahmegenehmigung tut sich Gernot Tripcke schwer: "Eigentlich wollen wir da hart bleiben, höchstens ein paar Wochen sind denkbar."

Die niedrige Toleranzgrenze ist für die Aufstiegskandidaten ein Problem: Schon einmal verzichteten die Fischtown Pinguins aus wirtschaftlichen Gründen auf einen Aufstieg in die DEL. Ihre Halle in Bremerhaven, mit einer Kapazität von höchstens 2.050 Zuschauern, ist zu klein. Ein neues Eisstadion ist frühestens für die Saison 2007/2008 angepeilt. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bestätigte Pressesprecher Alfred Prey, dass es in diesem Fall "sehr, sehr schwer für die Pinguins" werde.

Auch die Halle der Schwenninger Wild Wings bleibt unter dem Index: 5.200 Zuschauer können den ehemaligen DEL-Club sehen. Dass das zuwenig sein könnte, hat hier allerdings bisher niemand geahnt. Knapp zwei Monate vor der DEL-Deadline zeigte sich jedenfalls Pressereferent Christian Arnold von den Ansprüchen der Liga überrascht. "Wir sind bis jetzt davon ausgegangen, dass der Kapazitätenindex erst ab der übernächsten Saison greift", sagt Arnold SPIEGEL ONLINE. Hinzu kommt, dass ein Hallenausbau derzeit unwahrscheinlich ist. "Es gibt zwar Pläne, aber kein Geld", sagt der Geschäftsführer der Kunsteisbahn GmbH, Erich Schlenker. Das stimme zwar, erklärt Arnold, "aber die Mannschaft kämpft ohne Ende, das werden wir dann auch tun".

Profitieren die "Schlittenhunde"?

Geldsorgen haben auch die Straubinger Tigers. Zwar zeigt sich der Verein zuversichtlich, eine Stadionerweiterung bis zur nächsten Saison hinzubekommen, Johann Czieslik vom Sportamt Straubingen bezweifelt allerdings, "dass der kleine Ort diesen finanziellen Akt Schultern kann." Die Dresdner Eislöwen spekulieren laut Geschäftsführer Jan Pabor auf eine "Ausnahmegenehmigung", bis das neue Stadion Anfang Dezember fertig ist. Da wäre nur ein kleines Problem: Auch die neue Eishalle entspricht nicht der geforderten DEL-Norm.

Nutznießer dieser Situation könnten ausgerechnet die Kassel Huskies werden. Sollte der Zweitliga-Meister oder der Zweitplazierte nicht aufsteigen können, wäre der Klassenerhalt der "Schlittenhunde", trotz fehlender sportlicher Qualifikation, gesichert. DEL-Geschäftsführer Tripcke bestätigt: "Wenn sich in den Hallen nicht ernsthaft etwas tut, erhöht sich die Chance der Huskies".

Für die Nordhessen wäre es Glück zum richtigen Zeitpunkt, denn pikanterweise wird es ab der nächsten Saison keinen sportlichen Absteiger in der DEL mehr geben. Huskie-Eigentümer Rainer Lippe übt sich derzeit noch im Understatment ("Wir konzentrieren uns vollkommen auf die 2.Bundesliga"), aber die Hoffnung auf den Klassenerhalt bleibt.

Auch innerhalb der DEL-Clubs scheint man sich mit Kassels Verbleib anfreunden zu können. Tenor: Zwar bleibt der sportliche Abstieg des Konkurrenten ein großes Manko, die wirtschaftliche Attraktivität sei allerdings ebenfalls unbestritten. Als Gründungsmitglied verfügt Kassel über Erfahrung und viele Fans - nicht zu unterschätzende Größen im schnelllebigen Eishockeygeschäft. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE sagt der Geschäftsführer eines DEL-Spitzenclubs zum Thema Auf- und Abstieg einen "heißen Kampf" voraus, "viel knapper als in der Vergangenheit".

Nicht ganz so lange zurück liegt übrigens ein Fall, der sowohl Kassels Hoffnungen als auch die Sorgen der Noch-Zweitligisten befördern dürfte. In der vergangenen Saison wurde den Grizzly Adams Wolfsburg trotz sportlicher Qualifikation der Aufstieg am Grünen Tisch verweigert. Grund war die fehlende Hallenkapazität. Und auch damals profitierte ein DEL-Club, der eigentlich bereits abgestiegen war: die Kassel Huskies.