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Denkmal gesetzt - DER SPIEGEL
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SUBVENTIONEN Denkmal gesetzt

Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit lieferte im Saarland ein Paradebeispiel für den allzu lässigen Umgang mit öffentlichen Mitteln.
aus DER SPIEGEL 30/1982

Tief in der Provinz, im saarländischen Homburg, hatte Josef Stingl, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, einen dankbaren Freund. Jahr für Jahr, wenn Hermann Forster die Fortschritte beim Bau des großzügigen Sportzentrums im Homburger Ortsteil Erbach bewunderte, pries der Vorsitzende des TV Erbach die Großzügigkeit seines Gönners Stingl.

Seit einigen Wochen ist die Dankbarkeit des Duzfreundes dem Präsidenten peinlich. Am 3. Juli nämlich meldete Hermann Forster für seinen Verein Konkurs an. Seither wird von Tag zu Tag klarer, daß die Nürnberger Behörde rund 13 Millionen Mark fehlinvestiert hat.

Der Chef der Nürnberger Arbeitsverwaltung muß sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, daß seine Behörde es bei der Vergabe öffentlicher Mittel nicht so genau nimmt. Begonnen hatte das Millionenspiel vor sieben Jahren mit einigen hunderttausend Mark. Damals kam Hermann Forster die Idee, die Attraktivität seines TV Erbach durch eine neue Sporthalle zu erhöhen. 3,6 Millionen Mark sollte das Bauwerk kosten.

Durch jahrelange gemeinsame Arbeit in den CDU-Sozialausschüssen war der Saarländer gut vertraut mit dem Christdemokraten Stingl. Da lag es nahe, die Stingl-Filiale in Neunkirchen um Zuschüsse für das Objekt aus den Mitteln für »Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen« (ABM) anzugehen.

Als Gegenleistung bot der rührige Sportfunktionär an, daß 30 bis 45 schwer vermittelbare Arbeitslose an seinem Bau Geld verdienen könnten.

Die ersten Schecks für das Prestigeprojekt lagen unter einer Million Mark. Über Summen in dieser Größenordnung konnten das Arbeitsamt Neunkirchen und das Landesarbeitsamt in Saarbrücken noch allein entscheiden.

Es gab Zuschüsse zur Bezahlung der angeheuerten Arbeitslosen; Darlehen wurden zu äußerst günstigen Bedingungen gewährt. Die Bundesanstalt verlangt, formal in Ordnung, lediglich einen Zins von zwei Prozent pro Jahr.

Je weiter der Bau fortschritt, desto pompöser geriet das Vorhaben. Forster begehrte Zuschüsse für einen behindertengerechten S.64 Ausbau seines Sportzentrums; er baute einen Rasenplatz, obwohl der TV Erbach keine Fußball-Abteilung unterhält; er plante unterirdische Schießstände und Kegelbahnen. Bis 1977 hatte der Mann aus Homburg-Erbach der Bundesanstalt zwei Millionen Mark entlockt.

Da war das Gesamtprojekt schon 6,5 Millionen Mark teuer geworden. Jetzt mußten die Gremien der Nürnberger Bundesanstalt über den Weitergang des Projekts befinden.

Am 7. Dezember 1977 bat Stingl den Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit, das Vorhaben seines Parteifreunds Forster zu genehmigen. Das Selbstverwaltungsgremium sollte insgesamt 1,9 Millionen Mark an Zuschüssen bewilligen, der zusätzliche Darlehnsanteil sollte auf 3,8 Millionen aufgestockt werden.

Nachdem das geschafft war, ging es unaufhaltsam weiter. Das Engagement der Bundesanstalt wuchs bis zum heutigen Tag auf einen Zuschuß für Lohnkosten von insgesamt 3,5 Millionen Mark und ein Darlehen von 9,4 Millionen an.

Die Gesamtkosten für das Sportzentrum kletterten mit. Gegenwärtig liegen sie bei etwa 30 Millionen Mark.

Trotz aller Großzügigkeit der Bundesanstalt für Arbeit reichten allerdings die Mittel nicht; im vorigen Sommer wurde klar, daß an der Gesamtfinanzierung mehr als sieben Millionen Mark fehlen.

Hermann Forster, Diplom-Volkswirt und von Beruf Vizepräsident der saarländischen Arbeitskammer, hatte allzu unbeschwert daran gearbeitet, sich in seiner Heimatstadt ein Denkmal zu setzen. Es existierte weder ein halbwegs verläßlicher Plan über die Gesamtfinanzierung, noch hatte sich irgend jemand darüber Gedanken gemacht, wie hoch die Folgekosten des Sportzentrums ausfallen würden.

Der Rat der Stadt Homburg übernahm Ende '81 eine Zwei-Millionen-Bürgschaft, Zuschüsse der Bundesanstalt gab es bis in das laufende Jahr hinein. Jeder der Geldgeber - die Stadtverwaltung und die Bundesanstalt - traute dem überforderten Vereinsvorsitzenden; keiner verständigte sich mit dem anderen über das Projekt.

»Der Mann ist schließlich Stadtrat«, rechtfertigt Luzie Lenske, Präsidentin des Landesarbeitsamts, ihre Vertrauensseligkeit. Eine Bonitätsprüfung des Trägers sei im übrigen weder üblich noch vorgeschrieben.

Schließlich hatte ja auch ihr Dienstherr Stingl den skeptisch gewordenen Homburger Oberbürgermeister Reiner Ulmcke noch im September des vorigen Jahres in einem persönlichen Schreiben beruhigt, die Gesamtfinanzierung der Super-Sporthalle sei nach wie vor gesichert.

Im Juni dieses Jahres aber reichten Ulmcke (CDU) solche Versicherungen nicht mehr. Bei den Stadtwerken waren für den Teilbetrieb der Anlage Energiekosten in Höhe von 200 000 Mark aufgelaufen. Der Rat lehnte eine weitere Stundung dieser Summe ab. Forster mußte den Gang zum Konkursrichter antreten.

Damit brachte er Stingl in eine unangenehme Lage. Der Präsident muß zumindest eine Erklärung für das auffällige Mißverhältnis zwischen dem Darlehen und dem viel geringeren Zuschuß finden.

Im Jahre 1976 hatte die Bundesanstalt von ihren gesamten Mitteln zur Arbeitsbeschaffung 65 Prozent als Zuschüsse zu Lohnkosten, aber nur 35 Prozent als zusätzliche Darlehen vergeben. Bis zum Jahre 1981 sank der Darlehenanteil auf sechs Prozent. Beim Erbacher Projekt aber liegt die Kreditquote bei über 72 Prozent.

Noch tröstet sich Stingl damit, daß der ungewöhnlich hohe Kredit »grundbuchlich abgesichert« ist. Doch diese Absicherung ist nicht viel wert.

Die Forderung der Bundesanstalt in Höhe von zehn Millionen Mark steht im Grundbuch an zweiter Stelle. Davor rangiert die Banque National de Paris mit einer Million Mark. Bei einer Zwangsversteigerung des vereinseigenen Grundstücks und der bereits fertigen Bauten würde vom Kaufpreis alles, was über eine Million erzielt wird, an die Nürnberger Bundesanstalt zurückfließen.

Bürgermeister Ulmcke wie auch sein Stadtkämmerer Raimund Fell bezweifeln jedoch, daß irgend jemand bereit ist, für den unfertigen Sportbau, mit dem kein Geld zu verdienen ist, eine Millionensumme zu zahlen.

Als Käufer käme letztendlich wohl nur die Stadt in Frage. Die aber ist nur zum Einstieg bereit, wenn Stingl völlig auf seine Millionen verzichtet. 640 000 Mark Zinsen und Tilgung jährlich für die Nürnberger Darlehen kann die Stadt nicht bezahlen. Ihr Sportetat beträgt gerade 200 000 Mark.

Bliebe als einzige magere Rechtfertigung für das Millionending nur, daß pro Jahr rund 30 Arbeitslose einen Job gefunden haben. Doch selbst die Rechnung mit den Arbeitslosen stimmt am Ende wohl nicht mehr. Seit dem Bankrott des TV Erbach melden sich fast täglich mittelständische Unternehmen mit hohen Forderungen beim Konkursverwalter. Wenn all dieses Geld uneintreibbar ist, dann werden dem TV Erbach auch noch einige Handwerksmeister in die Pleite folgen. Mindestens 50 Arbeitsplätze wären verloren.

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