Gerichtsstandsvereinbarung: „Die Gerichte Englands“

Der Anwendung von Art. 31 Abs. 2 EuGVVO steht nicht entgegen, dass die in Rede stehende Gerichtsstandsvereinbarung nicht ein bestimmtes einzelnes Gericht, sondern die Gerichte Englands für zuständig erklärt.

Gerichtsstandsvereinbarung: „Die Gerichte Englands“

Die Auffassung, Art. 31 Abs. 2 EuGVVO setze die Vereinbarung auch der örtlichen Zuständigkeit voraus, lässt sich weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Regelung vereinbaren1.

31 Abs. 2 EuGVVO verweist auf Art. 25 EuGVVO, der die Bestimmung eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats zulässt. Der Begriff „haben … vereinbart“ in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO kann nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Gerichtsstandsklausel so formuliert sein muss, dass sich das zuständige Gericht schon auf Grund ihres Wortlauts bestimmen lässt. Es genügt, wenn die Klausel die objektiven Kriterien nennt, über die sich die Parteien bei der Bestimmung des Gerichts oder der Gerichte, die über ihre Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollen, geeinigt haben2. Einigen sich die Parteien nur auf die internationale Zuständigkeit, bestimmt sich das örtlich zuständige Gericht nach dem Prozessrecht des prorogierten Staats3.

Die Verwendung des Singulars „ein Gericht“ in Art. 31 Abs. 2 EuGVVO ist darauf zurückzuführen, dass die Vorschrift die Anrufung eines bestimmten Gerichts voraussetzt und bedeutet nicht, dass sie nur die Vereinbarung eines bestimmten Gerichts erfasst. Soweit das vereinzelt anders beurteilt wird, wird eine analoge Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO befürwortet4.

Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist insoweit nicht geboten. Die Auslegung von Art. 31 Abs. 2 EuGVVO, wonach die Vorschrift nicht auch die Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit voraussetzt, ist derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel besteht und der Bundesgerichtshof überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (acte clair).

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Juni 2021 – II ZB 35/20

  1. vgl. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Art. 31 EuGVVO Rn. 10; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., Art. 31 EuGVVO Rn. 12; MünchKommZPO/Gottwald, 5. Aufl., Art. 31 EuGVVO Rn. 3; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., Art. 31 EuGVVO Rn. 4; Hohmeier, IHR 2014, 217, 219[]
  2. zu Art. 17 EuGVÜ EuGH, Urteil vom 09.11.2000 – C-387/98, Slg. 2000, I-9337 Rn. 15 = ZIP 2001, 213 Rn. 15 Coreck Maritime GmbH mwN[]
  3. MünchKommZPO/Gottwald, 5. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rn. 66; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rn. 2; jeweils mwN[]
  4. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozess und Kollisionsrecht, 5. Aufl., Art. 31 EuGVVO Rn. 9; Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 2016, S. 360 f. Fn. 31[]

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