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Aufstände: Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen - DER SPIEGEL
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Aufstände Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen

Die Proteste gegen das diktatorische Regime in Ägypten werden immer stärker. In Suez zündeten Demonstranten eine Polizeiwache an. Die Kurse an der Kairoer Börse rasten um mehr als sechs Prozent in den Keller - der gesamte Handel wurde ausgesetzt.
Proteste in Suez: Demonstrationen verunsichern Anleger, Kurse brechen ein

Proteste in Suez: Demonstrationen verunsichern Anleger, Kurse brechen ein

Foto: MOHAMED ABD EL GHANY/ REUTERS

Kairo - Die Kurse an der Kairoer Börse sind an diesem Donnerstag massiv eingebrochen. Anleger reagierten auf die seit Tagen schwelenden politischen Proteste in Ägypten mit dem Verkauf ihrer Aktien. Die ägyptische Aktienbörse setzte den Handel am Morgen aus.

Der Leitindex war zuvor um 6,2 Prozent auf ein Sechsmonatstief von 5916,74 Punkten gefallen. Damit summiert sich das Minus seit Jahresbeginn auf mehr als 17 Prozent.

Dies ist der größte Monatsverlust seit den Turbulenzen nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 und der schwächste Januar überhaupt. Auch die Währung des nordafrikanischen Staats stand unter Verkaufsdruck: Der Dollar markierte mit 5,8470 ägyptischen Pfund den zweiten Tag in Folge ein Sechsjahreshoch.

Am Morgen gingen die teils gewalttätigen Proteste gegen das diktatorische Regime von Staatspräsident Mubarak weiter. In der Stadt Suez zündeten Demonstranten aus Wut über getötete Protestler laut der Nachrichtenagentur Reuters eine Polizeistation an. Die Polizisten flohen. Anschließend versammelten sich Dutzende aufgebrachte Menschen vor einer anderen Polizeistation, in der Angehörige von ihnen festgehalten werden.

Angesichts der Unruhen in seinem Land hatte der ägyptische Handels- und Industrieminister Raschid Mohammed Raschid angekündigt, seinen Besuch am Weltwirtschaftsforum in Davos absagen zu wollen.

ElBaradei reist nach Ägypten

Die Führung in Ägypten unter Präsident Husni Mubarak schweigt weiter zu den anhaltenden Protesten. Das einzige Zugeständnis war am Donnerstag eine Meldung der staatlichen Medien, wonach das Parlament am kommenden Sonntag über Maßnahmen zur Armutsbekämpfung debattieren soll, sowie über eine Anhebung des staatlichen Mindestlohns und eine bessere Gesundheitsversorgung. Die Führung ist bemüht, die Demonstrationen nicht als politische Herausforderung zu betrachten, sondern als Sicherheitsproblem.

Der ägyptische Oppositionspolitiker und frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed ElBaradei, wird nach Angaben seiner Familie noch im Laufe des Donnerstags nach Ägypten reisen. ElBaradei werde am "Abend aus Richtung Wien kommen", sagte sein Bruder Ali ElBaradei. Er ließ jedoch offen, ob ElBaradeis Rückkehr aus dem Ausland mit den Protesten zusammenhänge. ElBaradei gilt als einer der schärfsten Kritiker der ägyptischen Regierung.

In der Nacht zum Donnerstag hatte es heftige Proteste mit Dutzenden Verletzten in Kairo und auf dem Sinai gegeben. Mach Angaben von Krankenhausärzten wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei in Kairo und Suez ein Polizist und ein Demonstrant getötet. Dies wurde vom Innenministerium jedoch zunächst nicht bestätigt.

Angehörige eines 27 Jahre alten Mannes, der sich in der Provinz Nord-Sinai an den Protesten beteiligt hatte, erklärten, er sei durch Schläge und Tränengas ums Leben gekommen. Aus Sicherheitskreisen hieß es dagegen, er habe Selbstmord begangen.

Protestaufruf per Facebook

Einige Protestgruppen haben zu neuen Demonstrationen aufgerufen. Sie forderten die Bürger auf, nach dem Freitagsgebet von den Moscheen aus loszumarschieren. Die Christen sollten nach dem Kirchgang auf die Straße gehen. Auch für Donnerstag wurden weitere Proteste erwartet, zu denen vor allem die prodemokratische "Bewegung des 6. April" aufrief. Donnerstag werde "kein Urlaubstag werden", erklärte die Gruppe auf ihrer Seite in dem Internetnetzwerk Facebook. "Die Aktion auf den Straßen wird weitergehen."

Mehrere westliche Regierungen, die enge Beziehungen zur ägyptischen Führung unterhalten, hatten Mubarak und die Regierung in den vergangenen Tagen aufgerufen, einen Dialog mit der Opposition zu beginnen.

Seit Beginn der Proteste gegen die ägyptische Regierung am Dienstag sind nach Angaben der Sicherheitskräfte bereits tausend Menschen festgenommen worden. Ägypten erlebt derzeit die größte Protestwelle seit der Machtübernahme von Mubarak vor drei Jahrzehnten.

Ungeachtet einer Ausgangssperre hatten sich am Mittwoch erneut zahlreiche Menschen zu Kundgebungen gegen die Regierung versammelt. Im Zentrum Kairos und in Suez kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Polizei setzte Tränengas ein und feuerte Gummigeschosse ab, einige Demonstranten warfen Steine. Die Unruhen folgen auf das erfolgreiche Aufbegehren der Tunesier gegen ihren Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali.

amz/Reuters/dpa