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Schulddiskurs 1945-1955 : "Volk"
 
Schulddiskurs 1945–55
Volk
Volksdemokratie · Volksherrschaft · Volksmassen · Volksrechte · Volksregierung · Volksschichten · Volksteile · volksfeindlich
Nichttäterdiskurs
Politische Perspektive: Ost/West

Auf den gesamtdeutschen Sprachgebrauch bezogen, behält in der frühen Nachkriegszeit der Ausdruck Volk seine nationenbezeichnende Funktion.

Er wird verwendet, wenn zwischen den Nationalsozialisten und den Deutschen unterschieden werden soll. Diese Unterscheidung hat im Zuge der Schuldanalysen die Funktion, den Deutschen insgesamt eine andere Schuldart zuzuweisen als den als wirklich Schuldige (Schuld) ausgewiesenen Nationalsozialisten: das deutsche Volk als Ganzes ist nicht mit den Mord- und Brandbuben der SS und Gestapo zu identifizieren; Die Seele des deutschen Volkes wird nicht durch die entmenschten Verbrecher repräsentiert; in der Zeit des Nationalsozialismus hat es im deutschen Volk viele gegeben, die Hilfsbereitschaft gezeigt haben (s. Plank 1946, S. 13; Abusch 1946, S. 265; Pieck 1949, S. 301; Adenauer 1951b, S. 46f.). Diese Ausdeutung von Volk ermöglicht die Darstellung der Deutschen als Leidtragende der Folgen nationalsozialistischer Herrschaft: Der Nazifaschismus hat das deutsche Volk in tiefster Qual zurückgelassen; unser Volk aus seiner tiefsten Not herausbringen (s. SPD 1945, S. 28; Adenauer 1945, S. 80; Pieck 1949, S. 297). Daneben ist unter der Voraussetzung dieser Deutung von Volk das Urteil des ersten Nürnberger Prozesses als Freisprechung der Deutschen interpretierbar (s. Eckert 1946, S. 3; Jaspers 1946, S. 159; Geiler 1947, S. 210).

In Wendungen wie das/mein/unser (deutsches/ganzes) Volk, Masse des Volkes, Großteil des deutschen Volkes, große Volksteile drücken die Diskursteilnehmer im Zusammenhang mit der Schuldanalyse das Bewusstsein einer Schuld der Deutschen als Nation aus: die Mitschuld großer Volksteile; Erkenntnis von der Mitschuld des deutschen Volkes; das deutsche Volk trägt einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung; ein ganzes Volk ist einen falschen Weg gegangen (s. Schumacher 1945c, S. 216f.; Dahlem 1945, S. 257; KPD 1945, S. 15f.; Steltzer 1945, S. 32). Gleichzeitig wird aber auch, im Gegenteil, Schuld abgewehrt, wenn Volk Kontextpartner von Mitschuld, Kollektivschuld oder Gesamtschuld ist: falscher Haß gegen das gesamte deutsche Volk; gegen die Behauptung der Gesamtschuld des deutschen Volkes (s. Schumacher 1945a, S. 283f.; Jaspers 1946, S. 150; Pechel 1947, S. 13). In diesem Fall wird gleichzeitig auf die Verantwortung des deutschen Volks verwiesen und Haftung und Wiedergutmachung sind deshalb häufig belegte Kontextpartner: Verantwortung und Wiedergutmachung, die vom ganzen Volke zu tragen sind; Verantwortung des deutschen Volkes für die von dem Nazisystem begangenen Verbrechen; Gesamtverantwortung des deutschen Volkes für die Untaten des Hitler-Regimes; Verantwortung, die dem deutschen Volke aufgeladen wurde; Das deutsche Volk ist gewillt, das Unrecht wiedergutzumachen; Im Namen des deutschen Volkes sind Verbrechen begangen worden, die zur Wiedergutmachung verpflichten; dieser Akt der Wiedergutmachung durch das deutsche Volk ist notwendig (s. Deiters 1945, S. 9; Eckert 1946, S. 64f.; Geiler 1947, S. 210; Pechel 1947, S. 13; Keil 1948, S. 701; Pieck 1949, S. 301; Adenauer 1949c, S. 52f.; Adenauer 1951b, S. 46f.; Adenauer 1953b, S. 199f.).

Im Zuge der Konstruktion einer deutschen Mentalität, die dem Nationalsozialismus förderlich war (Idealismus, Militarismus, politische Unreife) dient Volk zur Bezeichnung nicht eines Nationenbegriffs, sondern einer Gefühls- und Wertegemeinschaft: der Harmonie und Heiterkeit entbehrendes Volk; kein politisches Volk; dieses so leicht zu mißleitende Volk; das deutsche Volk war apolitisch; die Seele des deutschen Volkes; Genius des deutschen Volkes; Befürchtung, daß etwas bei dem deutschen Volke nicht stimmt (s. Kaschnitz 1945, S. 107; Smend 1945, S. 373; Müller-Meiningen 1946, S. 11; Kogon 1946b, S. 113; Abusch 1946, S. 265; Kirschweng 1946, S. 44; Pribilla 1947, S. 45).

Neben diesen systemunabhängigen Gebrauchsweisen lässt sich eine ostspezifische Ausdeutung erkennen.

Ost

Insbesondere nach den Staatsgründungen von 1949 erhält Volk im Sozialismus eine systembedingte Komponente. Die Kontexte zeigen, dass der Bruch mit dem Nationalsozialismus, der als Antifaschismus zu den Gründungsmythen der DDR zählt, nicht so weit geht, dass man auf diese anpassungsfähige Bekenntnisvokabel Volk verzichtet hätte. Obwohl der Dichtersozialist Bertolt Brecht mit sprachkritischer Sensibilität 1939 den Volks-Topos der Nazis als Verführungsvokabel entlarvte - "Wer in unserer Zeit statt Volk Bevölkerung und statt Boden Landbesitz sagt, unterstützt schon viele Lügen nicht. Er nimmt den Wörtern ihre faule Mystik" ( Brecht 1939 , S. 231) -, hindert diese Entlarvung die Kämpfer wider den Faschismus nicht, mit diesem Ausdruck äußerlich ihr Politikverständnis zu bezeichnen.

Volk dient im sozialistisch-kommunistischen Kontext, wie Masse, als Kollektivbegriff zur Bezeichnung des sozialistischen Arbeits- (werktätiges Volk) bzw. Einheitsgedankens, der den "gesellschaftliche[n] Gesamtwille[n]" deutet als "eine Zusammenfassung des Einzelwillens sozialistischer Menschen, welcher der gesellschaftlichen Notwendigkeit entspricht" ( Klaus/Buhr 1971 I, S. 377): breite Massen unseres Volkes, Volksmassen, Volksherrschaft, Volksrechte, Volksregierung. Insbesondere ist Volk in diesem Sinn hoch frequenter Kontextpartner von Demokratie und Freiheit, die von diesem Gebrauch von Volk ihre besondere sozialistische Ausdeutung erhalten: alle demokratischen Rechte und Freiheiten für das Volk; die Herzen und Hirne unseres Volkes mit dem Geiste einer kämpferischen Demokratie zu erfüllen; unter aktivster Anteilnahme der Volksmassen; volle Volksherrschaft als Grundprinzip der Demokratie; Emanzipation des Volkes; Demokratisierung unseres Volkes (s. KPD 1945, S. 18; Pieck 1945b, S. 55; Pieck 1946b, S. 615; Grotewohl 1947, S. 284f.; Grotewohl 1947, S. 286; Grotewohl 1947, S. 287).

Seit der zweiten Hälfte der Vierzigerjahre dient die neue Zusammensetzung Volksdemokratie zur Bezeichnung für die sozialistisch-kommunistische Demokratie-Version, anknüpfend an die kommunistischen Einheitsfrontvorstellungen der Weimarer Zeit (s. Pieck 1948, S. 147; Klemperer 1952, Tagebücher 1950-1959, S. 299; Leonhard 1955, S. 593f.). Es ist die dominierende, im politischen Reden in der SBZ bzw. DDR ausgedrückte Leitidee, welcher "der terminologische Abschied der 'Diktatur des Proletariats' [vorausgeht]". Die Substituierung durch Volksdemokratie erweitert den Begriffsumfang von Demokratie so, "daß nun auch das Gegenteil der bisherigen Bedeutung darunter verstanden werden kann" ( Bergsdorf 1982 , S. 77f.).

Vgl. Felbick 2003 , s. v. Volk/Volks-

Belege (52)
 
Der Nazifaschismus .. hat das deutsche Volk in tiefster seelischer Qual, in einer unvorstellbaren Not zurückgelassen! Das Gefühl für Rechtlichkeit ist gelähmt! Die nackte Not grinst dem Volke aus den Ruinen vernichteter Wohnungen und geborstener Fabriken entgegen. (SPD 1945, S. 28)
 
falscher Haß gegen das gesamte deutsche Volk einschließlich seiner politischen Arbeiterbewegung .. Diese Ungerechtigkeiten nehmen wir nicht ruhig hin. (Schumacher 1945a, S. 283f.)
 
Die Mitschuld großer Volksteile an der Blutherrschaft der Nazis liegt in ihrem Diktatur- und Gewaltglauben! (Schumacher 1945c, S. 216f.)
 
Nicht diese Werte [unserer geistigen Überlieferung] haben versagt, das Volk hat ihnen gegenüber versagt, und ist der immer neuen Verkündung und Botschaft taub geblieben, die gerade ihm zum Überfluß geschehen war. (Benz 1945, S. 36f.)
 
der Harmonie und Heiterkeit entbehrende[s] Volk (Kaschnitz 1945, S. 107)
 
Fast will es manchem sogar scheinen, als stünden wir am Ende der Geschichte des ganzen deutschen Volkes. (Grimme 1945a, S. 13)
 
Da stehen wir nun .. So allein, wie niemals ein Volk allein war auf dieser Erde. So gebrandmarkt, wie nie ein Volk gebrandmarkt war. (Wiechert 1945, S. 31f.)
 
Erkenntnis von der Mitschuld des deutschen Volkes an den Untaten des Hitlerregimes, von der Verantwortung für die Tilgung dieser Schuld. Die Wiedergutmachung der Schäden ist die grundlegende Voraussetzung für jeden Neuaufbau in Deutschland. (Dahlem 1945, S. 257)
 
Daß wir für die Politik, die zwölf Jahre in unserem Namen geführt worden ist, politisch und juristisch verantwortlich sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Diese Haftung ergibt sich einfach aus dem Fortbestand des deutschen Volkes als einer geschlossenen Masse auf dem größten Teil ihres alten Bodens .. wir [müssen] solidarisch die Verantwortung auf uns nehmen für das, was in unserem Namen an unerhörten Freveln verübt worden ist. Wir müssen aus eigenem Entschluß versuchen wiedergutzumachen, was möglich ist, und unsere ganze Kraft dafür einsetzen, daß durch Menschen unserer Sprache und unseres Blutes nie wieder dergleichen geschieht. (Deiters 1945, S. 9)
 
nicht vergessen werden darf, daß wir, die wir von den Vertretern der Siegermächte einzeln aufgesucht und für die Leitung der Regierungsgeschäfte geradezu überredet werden mußten, ausschließlich nur aus innerem Pflichtgefühl dem Rufe gefolgt sind, dem Volk in der Stunde der Not beizustehen, eine vorläufige Regelung der Staatsgewalt zu schaffen, schließlich Wahlen auszuschreiben, um wiederum zu einer ordnungsmäßigen, vom Volk gewollten Regierung zu kommen. (Kaisen 1945, S. 16)
 
unser verführtes und gelähmtes Volk .. in das tiefste Elend gestürzt (Adenauer 1945, S. 80)
 
wir Deutsche [sind] kein politisches Volk .., sondern eins von gehorsamen Untertanen und treufleißigen Beamten. (Smend 1945, S. 373)
 
[wir] müssen mit Unerbittlichkeit und Wahrhaftigkeit die Schuldfrage vom ganzen Volk stellen .. ein ganzes Volk [ist] einen falschen Weg gegangen. (Steltzer 1945, S. 32)
 
in jedem deutschen Menschen [müssen] das Bewußtsein und die Scham brennen, daß das deutsche Volk einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung für den Krieg und seine Folgen trägt. Nicht nur Hitler ist schuld an den Verbrechen, die an der Menschheit begangen wurden! Ihr Teil Schuld tragen auch die zehn Millionen Deutsche, die 1932 bei freien Wahlen für Hitler stimmten, obwohl wir Kommunisten warnten: "Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg!" Ihr Teil Schuld tragen alle jene deutschen Männer und Frauen, die willenlos und widerstandslos zusahen, wie Hitler die Macht an sich riß, wie er alle demokratischen Organisationen, vor allem die Arbeiterorganisationen, zerschlug und die besten Deutschen einsperren, martern und köpfen ließ. Schuld tragen alle jene Deutschen, die in der Aufrüstung die "Größe Deutschlands" sahen und im wilden Militarismus, im Marschieren und Exerzieren das allein seligmachende Heil der Nation erblickten. Unser Unglück war, daß Millionen und aber Millionen Deutsche der Nazidemagogie verfielen, daß das Gift der tierischen Rassenlehre, des "Kampfes um Lebensraum" den Organismus des Volkes verseuchen konnte. Unser Unglück war, daß breite Bevölkerungsschichten das elementare Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit verloren und Hitler folgten, als er ihnen einen gutgedeckten Mittags- und Abendbrottisch auf Kosten anderer Völker durch Krieg und Raub versprach. (KPD 1945, S. 15f.)
 
Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk (KPD 1945, S. 18)
 
Das soll nicht die impotente Demokratie sein, die wir in der Weimar-Republik kennenlernten, die nicht die Rechte des deutschen Volkes stärkte, sondern wo diese Demokratie von allen reaktionären Elementen für ihre volksfeindlichen Ziele ausgenutzt wurde und an deren Ende die Hitlerherrschaft stand. Wir wollen eine Demokratie, in der die Rechte des werktätigen Volkes ständig erweitert und ihm der entscheidende Einfluß auf die Innen- und Außenpolitik des Landes gesichert ist. (Pieck 1945b, S. 55)
 
alles daransetzen, die Herzen und Hirne unseres Volkes .. mit dem Geiste einer kämpferischen, aufbauenden Demokratie zu erfüllen. (Pieck 1945b, S. 55)
 
Wir werden uns mit allen Kräften dafür einsetzen, daß die bisherige Fernhaltung der breiten Massen unseres Volkes von der kulturellen Betätigung .. beseitigt wird. (Pieck 1946a, S. 48)
 
wir müssen .. neu aufbauen .. Ausbau der Selbstverwaltung auf der Grundlage demokratisch durchgeführter Wahlen .. Sicherung der demokratischen Volksrechte (Pieck 1946b, S. 615)
 
Nur unter aktivster Anteilnahme der Volksmassen, nur unter unmittelbarer Führung der stärksten deutschen Partei .. können diese Aufgaben erfüllt werden. (Pieck 1946b, S. 615)
 
Das deutsche Volk ist zur Zeit in einem derartigen geistigen und seelischen Zustand, es ist derartig alles, schlechthin alles bei ihm zusammengebrochen .., daß man schon die tiefsten Kräfte, die in jedes Menschen Seele schlummern, erwecken muß: das sind die religiösen, um es wieder der Gesundung entgegenzuführen. (Adenauer 1946, S. 145)
 
Die Herrschaft und der Schutz der Freiheit müssen vom Volk als dem Träger des Freiheitsgedankens ausgehen. (Geiler 1946a, S. 118)
 
Der Nürnberger Spruch hat die Fundamente des Rechtes und der Gerechtigkeit auch für das Deutsche Volk wieder hergestellt. Er verurteilt wirklich Schuldige, nicht aber das Volk schlechthin. Dieser Urteilsspruch eröffnet dem Deutschen Volke den Weg der Selbstbesinnung und ist mehr als ein Akt versöhnlichen Geistes. Die Gebote der Gerechtigkeit sind göttliche Gebote. Deutsches Volk, hüte diese heiligen Flammen! (Eckert 1946, S. 3)
 
Verantwortung und Wiedergutmachung moralischer und materieller Werte, die vom ganzen Volke zu tragen sind und getragen werden (Eckert 1946, S. 64f.)
 
Es ist die Frage, ob es politisch sinnvoll, zweckmäßig, gefahrlos, gerecht sei, ein ganzes Volk zum Pariavolk zu machen. (Jaspers 1946, S. 150)
 
Für uns Deutsche hat der Prozeß den Vorteil, daß er unterscheidet zwischen den bestimmten Verbrechen der Führer, und daß er gerade nicht kollektiv das Volk verurteilt .. Nicht das deutsche Volk, sondern einzelne als Verbrecher angeklagte Deutsche - aber grundsätzlich alle Führer des Naziregimes - stehen hier vor Gericht. (Jaspers 1946, S. 159)
 
den anderen Völkern .. zeigen, daß das deutsche Volk als Ganzes nicht mit den Mord- und Brandbuben der SS und Gestapo zu identifizieren ist, daß es vielmehr .. genügend sittliche Kraft, Aufbauwillen und schöpferische Potenz besitzt, um auf Achtung und Anerkennung Anspruch erheben zu dürfen. (Plank 1946, S. 13)
 
dieses so leicht zu mißleitende[..] Volk (Müller-Meiningen 1946, S. 11)
 
das deutsche Volk war im Grunde apolitisch, mangelhaft politisch, ohne sicheren Instinkt. (Kogon 1946b, S. 113)
 
Das deutsche Volk hat so wenig die Aggression seit Tacitus' und der alten Germanen Zeiten "im Blute" wie irgendein anderes Volk. Die Seele des deutschen Volkes wird nicht durch die Trustherren und Junker repräsentiert - und auch nicht durch die entmenschten Verbrecher, die sie sich dingen konnten. So wissen wir, daß die Verwirrung des Denkens und der Gefühle im deutschen Volke überwunden werden kann, nachdem "die Hitlers" ihr verdientes Ende gefunden haben. (Abusch 1946, S. 265)
 
so müßten wir dazu kommen, endlich, endlich! uns selber zu erkennen, damit wir dann auch endlich uns selber leben können, das Leben einer Provinz des Abendlandes, die gesegnet ist vom schattenlosen, durch Blut und Schmach hindurchgeretteten Genius des deutschen Volkes wie von dem edlen und großmütigen des französischen, und die langsam zu dem verschütteten Schatz ihrer eigenen Tiefen zurückfindet. (Kirschweng 1946, S. 44)
 
Und doch erscheint nach dem jähen Erwachen alles so unwirklich, so unfaßbar wie ein böser Traum, den man verscheuchen möchte. Darum sind die Deutschen so stumm, so leb- und regungslos; sie wissen nicht, was sie antworten sollen. Etwas so Entsetzliches ist über sie hereingebrochen, daß es ihnen die Sprache verschlagen hat. Sie suchen ihm zu entrinnen, indem sie den Blick davon abwenden und sich in die vielen drängenden Sorgen des Alltags verlieren. Vielleicht finden sie dort Schutz .. vor der bangen Befürchtung, daß etwas bei dem deutschen Volke nicht stimmt, und zwar in den Grundlagen seines ganzen Daseins. (Pribilla 1947, S. 45)
 
Kein Volk kann so sehr nach Freiheit dürsten, wie unser Volk, .. das durch die furchtbare Tyrannei der Hitlerei hindurchgegangen ist. Hunderttausende von uns haben in den Kerkern und Konzentrationslagern geschmachtet und ihr Leben gelassen. (Reuter 1947, S. 197f.)
 
Wir haben völkerrechtlich die Verantwortung des deutschen Volkes für die von dem Nazisystem begangenen Verbrechen anzuerkennen. Dabei ist diese völkerrechtliche Verantwortung aber keineswegs gleichbedeutend mit einer Kollektivschuld des deutschen Volkes oder gar mit einer kriminellen Schuld jedes einzelnen Deutschen. Indem das Militärtribunal in Nürnberg sogar Männer wie Papen und Schacht, die in den Augen des deutschen Volkes schuldig sind, freigesprochen hat, ist die Sinnlosigkeit des Versuches, alle Deutschen zu Verbrechern zu stempeln, vor aller Welt dargetan. (Geiler 1947, S. 210)
 
Dieses Buch will in keiner Weise eine Gesamtverantwortung des deutschen Volkes für die Untaten des Hitler-Regimes ablehnen, wendet sich aber mit Schärfe gegen die Behauptung der Gesamtschuld des deutschen Volkes. (Pechel 1947, S. 13)
 
Wir Sozialisten sind konsequente Demokraten, indem wir für die allseitige Entfaltung dieses Verantwortungsbewußtseins des Volkes in den staatlichen Angelegenheiten eintreten. (Grotewohl 1947, S. 283)
 
die volle Volksherrschaft als Grundprinzip der Demokratie, ist für uns unabdingbar, und damit erst werden auch die Freiheitsrechte des Volkes für uns unabdingbar. (Grotewohl 1947, S. 284f.)
 
ein solcher Ruf nach dem starken Staat [ging] immer von denen aus .., die die Emanzipation des Volkes scheuten und das Freiheitsstreben des Volkes zu unterdrücken bemüht waren. (Grotewohl 1947, S. 286)
 
Demokratisierung unseres Volkes [ist] nur möglich .. durch seine allseitige politische Aktivierung (Grotewohl 1947, S. 287)
 
auf die 'Höhen der Menschheit' im Sinn früherer Jahrhunderte zu gelangen, ist heute für uns weder Hoffnung noch Ziel. Es wird schon sehr viel sein, wenn wir ein leidlich gesichertes Dasein als Kulturvolk retten können. Aber auch dazu bedarf es des Selbstvertrauens an Stelle mutloser Selbstverzweiflung. Und die Betrachtung unserer deutschen Vergangenheit gibt uns dazu - trotz allem - das Recht. (Ritter 1948, S. 200)
 
Heute sind wir Deutschen alle in der gleichen Verdammnis. .. wir zählen alle zum deutschen Volke und werden ohne Unterschied haftbar gemacht für die Folgen der wahnwitzigen Politik, die in seinem Namen getrieben worden ist. Aus dieser gemeinsamen Haftung kann sich keiner befreien. (Keil 1948, S. 701)
 
es geht um die Einheit Deutschlands, um die Entfaltung einer Volksdemokratie, um die Hebung des Wohlstandes des deutschen Volkes und um die Sicherung des Friedens. (Pieck 1948, S. 147)
 
Das ganze Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. (Giese 1949, S. 6)
 
die besten Vertreter der deutschen Arbeiterklasse, die .. mutig und entschlossen schon an die Aufbauarbeiten gingen, als die Trümmerstätten in unseren Städten und Dörfern noch rauchten. .. Zu den besten Vertretern der deutschen Arbeiterklasse gesellten sich die besten aktivsten Deutschen. Intellektuelle, Angestellte, fortschrittliche Menschen aus allen Schichten des Volkes arbeiteten unter den schwierigsten Lebensverhältnissen, von dem Willen erfüllt, unser Volk aus seiner tiefsten Not herauszubringen. (Pieck 1949, S. 297)
 
Wir sind uns der großen Verantwortung wohl bewußt, die dem deutschen Volke durch die Duldung und Unterstützung des barbarischen Hitlerkrieges aufgeladen wurde, und wir sind uns auch der Verpflichtungen bewußt, die wir zur Wiedergutmachung gegenüber den vom Hitlerkrieg betroffenen Ländern haben. (Pieck 1949, S. 301)
 
die Arbeitnehmer [sind] nicht verzweifelt. Sie haben die stumpfe Lähmung, die sich des ganzen Volkes zu bemächtigen drohte, abgeschüttelt und haben, im festen Glauben an die guten Kräfte unseres Volkes, selbstlos gearbeitet .., um .. das Ganze zu retten. (DGB 1949, S. 184)
 
Das deutsche Volk ist gewillt, das Unrecht, das in seinem Namen durch ein verbrecherisches Regime an den Juden verübt wurde, soweit wiedergutzumachen, wie dies nur möglich ist, nachdem Millionen Leben unwiederbringlich vernichtet sind. Diese Wiedergutmachung betrachten wir als unsere Pflicht. (Adenauer 1949c, S. 52f.)
 
hier, in der Heimat leben die wahren deutschen Möglichkeiten, vorübergehend verschüttet durch die Katastrophe, aber unversiegbar und unerschöpflich, wenn sich das deutsche Volk ihnen zuwendet. (Grotewohl 1950a, S. 52)
 
Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt. Es hat in der Zeit des Nationalsozialismus im deutschen Volk viele gegeben, die mit eigener Gefährdung aus religiösen Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben. Im Namen des deutschen Volkes sind aber unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten, sowohl hinsichtlich der individuellen Schäden, die Juden erlitten haben, als auch des jüdischen Eigentums, für das heute individuell Berechtigte nicht mehr vorhanden sind. (Adenauer 1951b, S. 46f.)
 
Borges sagte: Gestern noch war es absolut verboten, vom sozialistischen Aufbau unserer Republik zu reden. Wir waren eine 'antifaschistisch demokratische Republik', keine, ausdrücklich keine 'Volksdemokratie'. (Klemperer 1952, Tagebücher 1950-1959, S. 299)
 
Sicher: bei weitem nicht alle Deutschen waren Nationalsozialisten, und es hat auch manche Nationalsozialisten gegeben, die mit den begangenen Greueln nicht einverstanden waren. Trotzdem ist dieser Akt der Wiedergutmachung durch das deutsche Volk notwendig. Denn unter Mißbrauch des Namens des deutschen Volkes sind die Untaten begangen worden. Soweit überhaupt durch unsere Kraft etwas für die Beseitigung der Folgen geschehen kann - ich denke hier an die entstandenen materiellen Schäden, die der Nationalsozialismus den von ihm Verfolgten zugefügt hat -, hat das deutsche Volk die ernste und heilige Pflicht zu helfen, auch wenn dabei von uns, die wir uns persönlich nicht schuldig fühlen, Opfer verlangt werden, vielleicht schwere Opfer. Die Bundesregierung hat seit ihrem Bestehen diese Pflicht immer anerkannt. Durch ihre Erfüllung wollen wir die Schäden wiedergutmachen, soweit das möglich ist, soweit das in unserer Kraft steht. Der Name unseres Vaterlandes muß wieder die Geltung bekommen, die der geschichtlichen Leistung des deutschen Volkes in Kultur und Wirtschaft entspricht. (Adenauer 1953b, 199f.)
 
Der Beginn der von Ulbricht angekündigten 'neuen Phase' brachte die Frage der 'Volksdemokratie' auf die Tagesordnung - jenes System, das sich in den Ostblockstaaten herausgebildet hatte. Bis zum Frühjahr 1948 war die Definition von Inhalt und Wesen des Begriffes 'Volksdemokratie' eines der wenigen 'ungelösten' Probleme, für die es noch keine offiziellen Richtlinien gab. (Leonhard 1955, S. 593f.)