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Hyäne |
F. (-; -n), in der 2. Hälfte des 11. Jhs. in der ahd. Form
igena/ijēna aufgekommen, über lat. (canis) hyaena zurückgehend auf
gleichbed. griech. ὓα ι ν α (wohl aufgrund der Ähnlichkeit beider Tiere
hinsichtlich der borstigen Rückenmähne abgeleitet von ὗς ‘Schwein’), im
15. Jh. in der verdeutlichenden Form hientier, bis ins 17. meist und
vereinzelt bis ins 18. Jh. in der lat. (flekt.) Form hyaena, daneben auch
hyena, hiena und huina.
a Zunächst, veraltete
Entsprechungen wie Abendwolf, Grabtier, Vielfraß verdrängend, in der Bed.
‘in Afrika und Asien beheimatetes, der äußeren Erscheinung nach einem Hund oder
Wolf ähnelndes, hochbeiniges, geflecktes oder gestreiftes Raubtier mit einer
borstenartig gesträubten Mähne längs des Rückens, buschigem Schwanz und starkem
Kiefer, das sich angeblich v. a. von Aas ernährt und meist nachts auf Beute
ausgeht’ (vgl. Aasgeier, Schakal), in Wendungen wie die gefleckte,
gestreifte, hungrige Hyäne, die Hyäne kniff ängstlich den Schwanz ein, eine
Hyäne jault in der Nähe, Hyänen ließen ihr verrücktes Gekicher erschallen, sie
sprang auf ihn zu, kratzte und biss wie eine Hyäne und in Zss. wie
Hyänengesang, -geschrei, -hund, -meute, -rudel; Flecken-, Höhlen-, Hunds-,
Wüstenhyäne, auch auf andere, ähnliche Eigenschaften (z. B. gierig,
gefräßig, hässlich, scheußlich) aufweisende Tiere (bes. Haie) ausgedehnt (s.
Belege 1734, 1797, 1873, 1901), z. B. Meereshyäne, selten (speziell
hinsichtlich äußerer Merkmale) bildlich vergleichend verwendet (s. Belege 1722,
1957), z. B. Hyänenaugen (‘Augen mit Flecken auf der Iris’), -lächeln,
-grinsen; hyänenköpfig; bis Mitte 18. Jh. selten auch als (z. T. übertragen
verwendete) Bezeichnung für ein antikes Fabeltier, das menschliche oder
tierische Stimmen nachahmend seine Opfer anlockt und zerreißt (s. Belege 1667,
1754; vgl. Harpyie, → Sirene 1).
b Seit spätem 18. Jh.
bezogen auf Menschen mit entsprechenden Eigenschaften und Verhaltensweisen
bildlich vergleichend (s. Belege 1898, 1920, 2000) und im Sinne einer
Tiermetapher (wie (Aas-)Geier, Hai, Raubtier, Ungeheuer, Untier)
übertragen verwendet als ugs. Schimpfwort, speziell für ‘streitsüchtige,
wütende, rasende, außer Kontrolle geratene, hysterische Frau’ (s. Belege 1835,
1945; → Furie 2, → Megäre), z. B. eine Schar streitsüchtiger weiblicher
Hyänen fiel über die schutzlosen Ehemänner her, und v. a. im Zitat (aus
Schillers „Glocke“) da werden Weiber zu Hyänen (s. Belege 1957, 1986),
daneben bes. im Umfeld des Krieges im eigentlichen und übertragenen Sinne von
‘grausamer, gewissenloser Leichenräuber, -plünderer, -fledderer’, bes. in den
Wendungen die Hyänen des Schlachtfeldes, menschliche Hyänen und in den
Zss. Feld-, Schlachthyäne; im 18. Jh. vereinzelt, seit etwa Mitte des
20. Jhs. zunehmend in den Bereichen Wirtschaft und Politik (oft auch
personifizierend auf Firmen oder Teile der Öffentlichkeit bezogen) für
‘(hab-)gieriger, profitsüchtiger Wucherer, Schmarotzer, Blutsauger; skrupellos
handelnder Schuft, Verbrecher’ (s. Belege 1779, 1942, 1964, 1999; → Spekulant),
gelegentlich als (historischer) Beiname (s. Belege 1859, um 1890), in (z. T.
redensartlichen) Wendungen wie sich wie gierige Hyänen die Millionen unter
den Nagel reißen, wenn Journalisten zu Hyänen werden, Hyänen der Landstraße, die
Aas schnuppernden Hyänen der freien Marktwirtschaft, von den Hyänen der
Konkurrenz weggeschnappt, die Hyäne Publikum, die korsische Hyäne
(Napoleon), als Grundwort alternierend mit -geier, -hai, -ungeheuer u. Ä.
in meist okkasionellen Zss. wie Börsen-, Arbeitsmarkt-, Erdöl-, Finanz-,
Geld-, Gesellschafts-/Society-, Kommerz-, Konsum-, Kriegs-, Macht-, Medien-,
Miet-, Presse-, Profit-, Trinkgeld-, Verkaufs-, Versicherungs-,
Wirtschafts-, Zinshyäne, seltener als Bestimmungswort in
Hyänenarbeit, -horden, -journalismus, -kapitalismus, -mentalität,
-system.
Dazu das im späten 16. Jh. und vereinzelt bis heute regional
(österr.) nachgewiesene, seltene Adj. hyänisch (zu a und b) und die im
Laufe des 19. Jhs. aufgekommenen adj. Ableitungen hyänenartig,
-haft.
Belege
2. Hälfte 11. Jh. Physiologus (Piper
464)
De Hyaena. Ein tier heizzit igena un íst uuílon uuíb uuílon mân. unde
durih daz ist ez uile unreine solihe uuarin dider erist Crist petiton. un after
diu abgot beginen;
Megenberg 1350 Buch d. Natur 132
Cyrogrates ist ain
tier, daz menschleich stimm lernt, reht sam ain ander tier tuot, daz haizt hiena
. . daz tier hât sein augen alle zeit offen . . kümt von ainer hundsmuoter und
von aim wolf;
ebd. 142
Von dem Grabtier (Überschr.) Iena mag ze däutsch
ain grabtier haizen . . daz tier wont in tôter läut greber, und hât zwuo nâtûr,
aines mannes und aines weibes;
1495 Voc. inc. teut. o. S.
Hientier, hiena
est asal quadrupes in magnitudine lupi;
Sachs 1559 (Keller IX 218)
Fabel
des gekrönten trachen mit der hiena (Überschr.) . . Als ongfehr bey ihm
[Drachen] umbrefieret/ Ein hyena, die redt er an;
Gessner 1563 Thierbuch
156
Von dem vil fraß. Hyaena. Grabthier . . sol billich vnder das geschlächt
der Wölffen gezelt werden;
Thurneysser 1583 Onomasticum II 142
Ist ein
Thier/ welches ein mittel zwischen einem Wolff vnd einem Hunde hat/ sonst Hyaena
genandt/ welches die todten Leichnam frisset;
Miller 1593 Lobspruch auf Ulm
152
Ein Bemontht unnd crocodill,/ linndtwurm hielten sich nit still,/ der
scorpio unnd huina,/ satiris und die schlang hydra;
Rollenhagen 1595
Froschmeuseler I 70
Ja wie der wolf, hyena gnant,/ Zu tun pflegt in der
Moren land,/ Der lernt die hund rufen bei namen/ Und locket sie freundlich
zusamen,/ Frißt sie darnach, wien fuchs die raben;
Guarinonius 1610 Greuel
120
Das wilde Thier Hyaena;
Porta 1612 Magia D4a
Das Thier Hyaena,
wenn es einen Menschen oder Hund schlaffen siehet/ strecket es sich neben ihn:
. . [D4b] Ist . . das schlaffend grösser/ begibt es sich schnel in die
Flucht . . Wenn dir ein grimmig Hyaena entgegen kömmet/ schaw/ daß du nicht
gegen der rechten hand angreiffest;
1667 (1882 Alemannia X 186)
o du
holdselige Hyena, wie lockest du so freundlich?;
1722 Gespräch, ob die Weiber
467
antwortet Euripides, sie [die Weiber] seyen einer hyänae, das ist,
Grabenthier, Vilfrass, oder Prasserwolff zu vergleichen;
Weber 1734 Enc.
605
Hyaena . . Vielfraß, ein Thier in Africa, von sehr listiger Natur, indem
es der Menschen und Thiere Stimmen und Laut natürlich nachmachen soll, dadurch
sie dieselbigen an sich locket und zerreisset . . auch eine Fisch-Art . . eine
Schlangen-Art;
Schönaich 1754 Ästhetik 72
nichts, als häßliche und
ungestalte Ungeheuer: Gorgonen, Hyänen, Amphisbänen, Hydern. Bey uns sind diese
Ungeheuer sehr zahlreich . . B-dm-r, Kl-pst-ck;
Schiller 1797 Taucher (S. W.
I 368)
und dräuend wies mir die grimmigen Zähne/ der entsetzliche Hai, des
Meeres Hyäne (DiBi 215);
Bacherer 1840 Stellungen VII
wenn nicht der
Hyänen-Rachen der fünfmächtigen Eifersucht [der europäischen Politik] noch immer
den bedrohten Islamismus erhalten hätte;
Bruges 1873 Reiseskizzen 97
[Haifische] des Meeres Hyänen;
Kerr 1898 Br. a. d. Reichshauptstadt 436
Ein wüster Bandit, eitel wie ein Affe und wahrscheinlich feig wie eine Hyäne;
Brandt 1901 Ost-Asien I 81
ein Angeln nach Haifischen, das uns drei der
Meereshyänen einbrachte;
Winkler 1921 Bomberg 57
wie die Hyäne auf den
Kadaver lauert (DUDEN 1999);
Rogge 1957 Holstein 398
der Mann mit den
Hyänenaugen, die „Flecken auf der inneren Iris“;
Grzimek 1959 Serengeti
224
Wilderer, Hyänen, Geier und Schakale haben schnelle Arbeit geleistet.
Das Gras ringsum ist rot . . von frischem Blut;
Salzb. Nachr. 15. 6. 1991
Über kein anderes Säugetier gibt es so viele Vorurteile wie über die Hyäne . .
Nicht nur Großwildjäger, auch Wissenschaftler meinten lange Zeit, daß sich
Hyänen ausschließlich von Aas ernähren. Erst seit gut drei Jahrzehnten weiß man,
daß Hyänen hauptsächlich selbstgerissene Beute fressen. Da das Rudel vorwiegend
nachts auf die Jagd geht, konnten bisher nur wenige Menschen den Beutezug der
Hyänen beobachten;
taz 1. 9. 2001
Kröte und Ratte, Fledermaus, Spinne und
Hyäne sind so hässlich, dass sich sogar die anderen Tiere vor diesen
„Fürchterlichen Fünf“ fürchten.
Fischart 1581
Dämonomania 362
Dann die zauberer vnd Zäuberin seind von alten zeiten her
stäts solcher Vnmenschlicher Narung verschreyet gewesen/ also daß sie die
Todenkörper auß gegraben/ vnd sie biß auffs beyn zernagt haben [Marginalie:]
Hyänische Todenfresser.
Schummel 1779 Spitzbart
45
die eigentliche, wahre Hyäne, die das Mark des Landes auffrißt, ist die
stehende Armee;
Schiller 1781 Räuber (S. W. I 514)
oh, daß ich durch die
ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider das
Hyänengezücht ins Treffen zu führen! (DiBi 125);
ders. 1784 Kabale u. Liebe
34
Die Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmer satte Hyäne, die sich
mit Heißhunger Opfer sucht;
ders. 1799 Glocke (S. W. I 429)
Freiheit und
Gleichheit! hört man schallen,/ Der ruhge Bürger greift zur Wehr,/ Die Straßen
füllen sich, die Hallen,/ Und Würgerbanden ziehn umher,/ Da werden Weiber zu
Hyänen/ Und treiben mit Entsetzen Scherz,/ Noch zuckend, mit des Panthers
Zähnen,/ Zerreißen sie des Feindes Herz (DiBi 125);
Jäger 1835 F. Schnabel
163
wie Megären fiel die weibliche Phalanx . . über diese [Flüchtlinge] her,
schlug, kratzte, zerriß die leichte, dünne Kleidung der armen Geschöpfe, und
würde diese noch länger gemißhandelt, wohl gar ermordet haben – denn was ist
weiblichen Hyänen nicht zuzutrauen! – wenn der Wirth dem Gefecht nicht ein Ende
gemacht hätte;
Scheidler 1859 Jenaer Bl. II 140
Vorwärts! Vorwärts! hat’s
geklungen,/ Von der Oder bis zur Seine,/ Und die korsische Hyäne/ Hat der alte
Held bezwungen;
1866 Gartenlaube 680
strömten die menschlichen Hyänen auf
die Schlachtfelder, die sie raubend und plündernd durchzogen;
1870 (1890
Dtsch. Dichtung VII 188)
Es liegt im Schnee des Schlachtfelds an der Seine/
Ein Leichnam – und die gierige Schlachthyäne/ Reisst ihm den Ring von der
erstarrten Hand;
Nordau 1881 Paris I 138
Die Mehrheit des Publikums
besteht aus den professionellen Hyänen der Auktionen, aus Trödlern und
Kuriositätenhändlern;
um 1890 (Brauer 1936 Im Dienste Bismarcks 326)
ein
Mann von schärfster Juristenart und wahrhaft göttlicher Grobheit. Man nannte ihn
im Bundesrat nach seinem Heimatorte die „Hyäne von Munderkingen“;
Bierbaum
1910 Reife Früchte 189
Wahr ist der Geist, der wirkend souveräne./ Dogma ist
Aas. Wer liebt das? Die Hyäne;
Dombrowski 1920 System II 132
Eigentlich
hatte man ihn [den Salonzug mit der Friedensdelegation] schon um Mitternacht
erwartet, und wie Hyänen hatten nachrichtenhungrige Journalisten von Stunde zu
Stunde den Bahnhof umschlichen . . Endlich kam der Zug. Im Nu war ein Rudel
Hyänen auf dem Perron;
Lokal-Anz. 21. 9. 1934
Auf der Landstraße . .
ereignete sich ein schwerer Autounfall, bei dem Hyänen der Landstraße ihr
Unwesen trieben;
Th. Mann 1942 Reden u. Aufs. (W. XIII 189)
bloß die
Allermächtigsten, und neben ihnen die Findigsten und Frechsten, allerlei
hergelaufenes Gesindel, Hyänen des Wirtschaftslebens, können sich retten;
Süddtsch. Ztg. 14. 12. 1945
Diese widernatürlichen [weiblichen]
Kriegshyänen, die es fertigbrachten, für den „geliebten Führer“ in „stolzer
Trauer“ die Väter ihrer Kinder und ihre Söhne bedenkenlos zu opfern, darf es nie
wieder geben;
ebd. 3. 8. 1957
Da werden Weiber zu Hyänen (Überschr.) Die
Polizei kann Männer daran hindern, sich gegenseitig den Hals abzuschneiden, aber
einem wütenden Weibe können selbst die Götter nur hilflos zusehen;
Stuttg. Ztg. 15. 9. 1964
die internationalen Mineralölkonzerne – die „Erdöl-Hyänen“,
wie sie manchmal genannt werden;
Zeit 5. 12. 1986
Wir [Frauen] können
auch furchtbar fies sein, mischen Gift in den Schlummertrunk des Gatten, greifen
zu Brotmessern und tragen, für alle Fälle, den handlichen Colt im
Abendtäschchen. Gewisse Männer haben das übrigens schon lange gewußt und
sprachen von „wehe, wenn sie losgelassen“ oder „da werden Weiber zu Hyänen“ und
ähnlichem;
taz 7. 1. 1991
Inzwischen muß der Union-Macher die „Hyänen“
vertreiben, die in Gestalt zahlreicher Talentspäher aus den alten Bundesländern
um die herrliche Fußballarena in Köpenick streunen;
Kleine Ztg.
8. 5. 1999
Nun wird dieses Unternehmen auch zu einer Hyäne, die aus
sterbenden Unternehmen Schwindel-Profit schlagen möchte.