Ruhestandsversetzung infolge eines Dienstunfalls – und die Vergütung von Mehrarbeit

Der Dienstherr ist (hier: gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 des Saarländischen Beamtengesetzes – SBG -) verpflichtet, für angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit innerhalb eines Jahres Dienstbefreiung zu gewähren. Dieser vorrangige Freizeitausgleich darf nur unterbleiben, wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht realisierbar ist. In diesem Fall eröffnet § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung. Der Umstand, dass die wegen Mehrarbeit zu gewährende Dienstbefreiung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG erfolgen konnte, weil der Beamte infolge eines Dienstunfalls erkrankt und sodann wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird, stellt keinen zwingenden dienstlichen Grund i. S. d. § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG dar. Der Gesetzgeber ist nicht aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, für diese Konstellation eine finanzielle Ausgleichsregelung zu schaffen.

Ruhestandsversetzung infolge eines Dienstunfalls – und die Vergütung von Mehrarbeit

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte ein im saarländischen Landesdienst stehender Polizeikommissar geklagt, der in den Jahren 2015 und 2016 mehrfach zu Mehrarbeit im Rahmen von Polizeieinsätzen herangezogen wurde. Am 11.09.2016 erlitt er einen Unfall, der im November 2017 als Dienstunfall anerkannt wurde. An den Unfall schlossen sich Krankheitszeiten an, die u. a. durch den zeitlichen Ausgleich geleisteter Mehrarbeitsstunden und Erholungsurlaub unterbrochen wurden. Mit Ablauf des 31.07.2018 versetzte der Dienstherr den Polizeikommissar wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand. Im Hinblick darauf beantragte der Polizeikommissar die finanzielle Abgeltung geleisteter Mehrarbeit im Umfang von 205 Stunden.

Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage blieb in beiden Instanzen vor dem Verwaltungsgericht1 und dem Oberverwaltungsgericht des Saarlands2 ohne Erfolg. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeit bestehe nicht. Zwar seien sich die Beteiligten darin einig, dass der Polizeikommissar zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand insgesamt 205 nicht durch Dienstbefreiung oder Vergütung abgegoltene, dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeitsstunden geleistet habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung lägen aber nicht vor. Ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich sei nicht bereits während der aktiven Dienstzeit des Polizeikommissars als dienstfähiger Polizeibeamter entstanden. Der Polizeikommissar habe eine Dienstbefreiung als Ausgleich für die Mehrarbeitsstunden nicht beantragt. Die wegen angeordneter Mehrarbeit an sich zu gewährende Dienstbefreiung sei auch nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen unmöglich gewesen. Ein solcher Grund liege nicht in dem Umstand, dass Freizeitausgleich während der aktiven Dienstzeit nicht habe erfolgen können, weil der Beamte nach Ableistung der Mehrarbeit aufgrund eines Dienstunfalls erkrankt und infolgedessen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei. Ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung oder Entschädigung ergebe sich auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen.

Auf die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Polizeikommissars hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe zwar zutreffend entschieden, dass die Unmöglichkeit der Gewährung von Dienstbefreiung wegen einer auf einem Dienstunfall beruhenden Dienstunfähigkeit kein die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung ermöglichender zwingender dienstlicher Grund sei und diese Differenzierung auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Sowohl die Auffassung, die Gewährung von Dienstbefreiung setze einen vorangegangenen Antrag des Beamten voraus, als auch die Annahme, Mehrarbeitsvergütung könne nur ein noch im Dienst befindlicher Beamter beanspruchen, verletzten aber revisibles Recht. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts konnte das Bundesverwaltungsgericht über die Anträge des Polizeikommissars nicht abschließend entscheiden.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Entstehung des Anspruchs auf finanzielle Abgeltung geleisteter Mehrarbeitsstunden im (noch) aktiven Dienstverhältnis setze einen vorherigen Antrag des Beamten auf Dienstbefreiung voraus, um durch die förmliche Ablehnung dieses Antrags wegen entgegenstehender zwingender dienstlicher Gründe die Voraussetzung für eine finanzielle Abgeltung der geleisteten Mehrarbeit zu schaffen, verletzt revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG).

Gemäß § 78 Abs. 3 Satz 1 des Saarländischen Beamtengesetzes in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einsätze3 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 11.03.20094 sind Beamte verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit im Umfang von mehr als einem Achtel der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit im Monat beansprucht, ist ihnen gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG innerhalb eines Jahres grundsätzlich entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können an ihrer Stelle Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern gemäß § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG für einen Zeitraum von bis zu 480 Stunden im Jahr eine Vergütung erhalten.

§ 78 Abs. 3 Satz 2 SBG, an den § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG anknüpft, sieht das Erfordernis eines Antrags auf Dienstbefreiung nicht vor. Die Vorschrift verpflichtet – ebenso wie § 88 Satz 2 BBG und entsprechende landesrechtliche Regelungen – vielmehr den Dienstherrn, die erbrachte Mehrarbeit innerhalb eines Jahres durch Freizeit von Amts wegen auszugleichen. Dabei ist es dem Dienstherrn überlassen, innerhalb dieser Frist unter Berücksichtigung der dienstlichen Verhältnisse den Zeitraum auszuwählen, in dem er den Beamten – sei es zusammenhängend oder aufgeteilt – vom Dienst befreit, ohne dass der Beamte dies rechtlich beeinflussen oder auch nur mitbestimmen kann. § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG verlangt von dem Beamten kein bestimmtes Verhalten5 und kann deshalb auch nicht zu einem Rechtsausschluss führen, wenn der Beamte etwas unterlässt.

Zutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, es stelle keinen zwingenden dienstlichen Grund i. S. d. § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG für die Nichtgewährung der gebotenen Dienstbefreiung dar, dass der Beamte nach Ableistung der Mehrarbeit aufgrund eines Dienstunfalls erkrankt und infolgedessen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die dem § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG entsprechende Regelung des § 88 Satz 4 BBG und für inhaltsgleiche landesrechtliche Regelungen geklärt, dass die Tatbestandsvoraussetzung der einer Dienstbefreiung entgegenstehenden zwingenden dienstlichen Gründe nicht erfüllt ist, wenn in der Person des Beamten liegenden Gründe, wie etwa Krankheit, den fristgerechten Freizeitausgleich hindern. Zwingende dienstliche Gründe liegen nur dann vor, wenn der an sich dem Beamten zu gewährende Freizeitausgleich mit großer Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen oder einer Gefährdung des Dienstbetriebs führen würde6. Im Hinblick auf die auf höchster Prioritätsstufe verlangten dienstlichen Gründe muss die weitere Dienstleistung des betroffenen Beamten unerlässlich sein, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben – und damit die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsbereichs – sicherstellen zu können7. Insbesondere in den Verwaltungsbereichen, die, wie – hier – die Polizei oder die Feuerwehr und der Strafvollzug, der unmittelbaren Gefahrenabwehr dienen und mit denen der Staat Leib und Leben seiner Bürger unmittelbar schützt, müssen durch die Gewährung von Freizeitausgleich Einbußen am Sicherheitsstandard zu befürchten sein, die nicht hinnehmbar sind8.

Keine andere Sichtweise ergibt sich aus dem Vorbringen des Polizeikommissars, die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit habe unter anderem auch den Zweck, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten, deshalb liege darin – wie vom Verwaltungsgericht Würzburg9 angenommen – ein zwingender dienstlicher Grund i. S. d. § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG. Diese Argumentation übersieht, dass Bezugspunkt der gesetzlichen Regelung nicht die Versetzung in den Ruhestand, sondern die Möglichkeit der Gewährung von Dienstbefreiung ist. Diese muss aus zwingenden dienstlichen Gründen unmöglich sein.

Der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, Mehrarbeitsvergütung könne nur ein noch im aktiven Dienst befindlicher Beamter beanspruchen, weil nur diesem auch noch Dienstbefreiung gewährt werden könne, liegt aber ein fehlerhaftes Verständnis des Regelungssystems der Mehrarbeit zugrunde. Nach § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG ist für die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit innerhalb eines Jahres Dienstbefreiung zu gewähren. Dieser vorrangige Ausgleich darf nur unterbleiben, wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist. In diesem Fall eröffnet Satz 3 die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung, die vor Ablauf eines Jahres gesperrt ist. „An die Stelle“ der Dienstbefreiung tritt dann der Vergütungsanspruch: Der Anspruch auf Freizeitausgleich wandelt sich in einen Vergütungsanspruch um. Durch § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG ist damit dienstrechtlich die Möglichkeit eingeräumt, Beamten für die geleistete Mehrarbeit unter den genannten Voraussetzungen eine Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Ob und ggf. in welcher Höhe die Mehrarbeit vergütet wird, ergibt sich aus den einschlägigen Regelungen des Besoldungsrechts (vgl. zu § 88 Satz 4 BBG auch Corsmeyer, in: GKÖD Bd. I, Stand Dezember 2023, L § 88 Rn. 27).

Nach seiner Wortfassung enthält § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG die ausdrückliche Anordnung, dass für erbrachte Mehrarbeit Dienstbefreiung in gleichem zeitlichen Umfang innerhalb eines Jahres zu gewähren ist. Das Wort „grundsätzlich“ bezieht sich nach der Satzstellung nicht auf die einzuhaltende Jahresfrist, sondern auf die Gewährung von Dienstbefreiung. Von diesem Regelungsgehalt geht auch der in unmittelbarem systematischen Zusammenhang stehende § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG aus. Mit der im Präsens gehaltenen Formulierung „ist eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich“ ist ebenso wie mit der Formulierung „an ihrer Stelle“ die in § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG innerhalb eines Jahres zu gewährende Dienstbefreiung in Bezug genommen. Der vorrangige Freizeitausgleich innerhalb der Jahresfrist darf nur unterbleiben, wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht realisierbar ist; das Erfordernis entgegenstehender zwingender dienstlicher Gründe beschränkt den Dienstherrn. In diesem Fall eröffnet § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung.

Dieses Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der Norm. Die in § 78 SBG getroffenen Regelungen einschließlich der Regelung des Ausgleichs der Mehrarbeit durch Dienstbefreiung haben in erster Linie den Zweck, die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit – jedenfalls im Gesamtergebnis – zu gewährleisten. Dem Beamten soll in ungeschmälertem Umfang Freizeit zur Verwendung nach seinen persönlichen Bedürfnissen und Interessen zur Verfügung stehen, ungeachtet dessen, ob er diese Zeit auch zur Regeneration und Wiederherstellung seiner Arbeitskraft benötigt10.

Dieser arbeitszeitrechtliche Hauptzweck findet sich in den Motiven des Landesgesetzgebers bestätigt. Der bei der Umsetzung der Föderalismusreform durch Art. 1 des Gesetzes Nr. 1675 zur Anpassung dienstrechtlicher Vorschriften an das Beamtenstatusgesetz vom 11.03.2009 neu gefasste § 78 SBG basiert inhaltlich auf der bis dahin geltenden Arbeitszeitregelung des § 87 SBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.200511, dessen Regelung über Mehrarbeit in § 87 Abs. 3 SBG a. F. seine rahmengesetzliche Grundlage in dem bis zum 31.03.2009 geltenden § 44 BRRG fand. Bezweckt war mit dem rahmenrechtlich in § 44 Satz 2 BRRG vorgegebenen Ausgleichszeitraum für Mehrarbeit, dass innerhalb der gesetzlich festgelegten Zeitspanne Freizeitausgleich für die die normale Arbeitszeit übersteigende Mehrarbeit erfolgen muss12.

Der ursprünglich in § 44 Satz 2 BRRG 1971 auf drei Monate festgelegte Ausgleichszeitraum wurde durch Art. 2 Nr. 1 Buchst. b)) des Gesetzes zur Modernisierung der Besoldungsstruktur (Besoldungsstrukturgesetz) vom 21.06.202213 auf Initiative der Länder auf ein Jahr erweitert. Die Länder hatten sich in dem vom Bundesrat beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Fortsetzung der Dienstrechtsreform14 für eine Erweiterung des Ausgleichszeitraums ausgesprochen. In ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates hatte die Bundesregierung diese Erweiterung des Ausgleichszeitraums mit der Begründung befürwortet, für die Fälle flexibler Arbeitszeitgestaltung sei der Ausgleichszeitraum bereits auf ein Jahr heraufgesetzt und der Ausgleichszeitraum für geleistete Mehrarbeit solle dem angeglichen werden15. Im Rahmen des Besoldungsstrukturgesetzes wurde der Vorschlag des Bundesrates für die Erweiterung des Ausgleichszeitraums für geleistete Mehrarbeit für das Beamtenrechtsrahmengesetz umgesetzt und für das Bundesbeamtengesetz übernommen16.

Nach der ausdrücklichen und eindeutigen Anordnung in § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG ist die Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres zu gewähren. Da für die vorliegende Fallgestaltung Sonderregelungen – wie etwa für den Schuldienst oder im Hinblick auf die Anrechnung geleisteter Mehrarbeit auf Langzeitarbeitszeitkonten – nicht ersichtlich sind, kann die geleistete Mehrarbeit nach Ablauf dieses Jahres nicht mehr durch Dienstbefreiung abgegolten werden.

Hat der Dienstherr den betroffenen Beamten innerhalb der vorgeschriebenen Jahresfrist nach Ableistung der angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit nicht in entsprechendem Umfang vom Dienst befreit, kommt es – rückblickend betrachtet – darauf an, ob hierfür zwingende dienstliche Gründe vorlagen. Nur in diesem Fall eröffnet § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung, die vor Ablauf eines Jahres gesperrt ist. Der Anspruch auf Freizeitausgleich wandelt sich in einen Anspruch auf Vergütung um. Voraussetzungen und Höhe der dann dienstrechtlich zulässigen Vergütung sind im Besoldungsrecht geregelt. Maßgebend sind im vorliegenden Fall die im Zeitraum der geleisteten Mehrarbeit geltenden Vorschriften des Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 des Saarländischen Besoldungsgesetzes in der Fassung vom 21.01.201517 i. V. m. § 48 Abs. 1 BBesG 2006 und den in das Landesrecht übergeleiteten Regelungen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeit für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.12.199818, geändert durch das Gesetz zur Anpassung von Besoldungs- und Versorgungsbezügen in den Jahren 2015 und 2016 vom 23.09.201519.

Die Umwandlung des Freizeitausgleichanspruchs in einen Geldanspruch tritt aber auch dann ein, wenn der vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Fall gegeben sein sollte, dass zwar zwingende dienstliche Gründe der Dienstbefreiung nicht entgegenstanden, aber der Dienstherr dem Beamten den Freizeitausgleich innerhalb der dafür vorgesehenen Frist rechtswidrig vorenthalten hat. Denn hier muss der Anspruch erst recht bestehen. Es wäre mit dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung einschließlich des Ausgleichs der zeitlichen Mehrbeanspruchung durch Dienstbefreiung nicht zu vereinbaren, dass der in § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG vorgesehene Anspruch auf Dienstbefreiung nach einem Jahr ersatzlos nur deshalb entfiele, weil ihn der Dienstherr rechtswidrig nicht erfüllt hat20. Sekundäre Ansprüche bestünden in diesem Fall nicht. Für einen Schadensersatzanspruch fehlt es an einem in Geld zu ersetzenden Schaden21.

Aus der gesetzlichen Konzeption des § 78 Abs. 3 Satz 2 und 3 SBG folgt, dass es im Risikobereich des Beamten liegt, wenn Mehrarbeitszeiten, in denen Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres dienstlich noch möglich war, ohne Ausgleich bleiben, weil die Dienstbefreiung aus in seiner Person liegenden Gründen scheiterte. Denn innerhalb der Jahresfrist darf der Anspruch auf Kompensation von Mehrarbeit durch Freizeitausgleich erfüllt werden.

Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, dass ein Ausgleich in Geld nicht beansprucht werden kann, wenn die wegen Mehrarbeit zu gewährende Dienstbefreiung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG erfolgen konnte, weil der Beamte infolge eines Dienstunfalls erkrankt und sodann wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird. Der Gesetzgeber ist nicht aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verpflichtet, eine finanzielle Ausgleichsregelung für derartige Konstellationen zu schaffen. Der Gesetzgeber hat die Vergütung von Mehrarbeit als Ausnahme von den Grundsätzen des Beamtenrechts aus sachlichen Gründen nur begrenzt zugelassen22. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung ist Mehrarbeit grundsätzlich allein durch Dienstbefreiung auszugleichen; nur ausnahmsweise erfolgt eine finanzielle Kompensation. Lediglich für die Mehrarbeitsstunden, die dem betroffenen Beamten wegen seiner dienstlichen Inanspruchnahme aus zwingenden Gründen des Dienstbetriebs nicht innerhalb des dafür vorgesehenen Jahreszeitraums in Freizeit abgegolten werden können, entsteht ein Vergütungsanspruch. Mit dem Anknüpfen an die zwingende dienstliche Inanspruchnahme des betroffenen Beamten, die dem Dienstherrn eine fristgerechte Erfüllung des Freizeitausgleichs unmöglich macht, hat der Gesetzgeber ein sachliches Differenzierungsmerkmal gewählt und damit in zulässiger Weise ein darüber hinausgehendes finanzielles Interesse der Beamten an der Abgeltung von Mehrarbeit ausgeschlossen.

Ungeachtet dessen bleibt es dem Gesetz- und Verordnungsgeber in solchen oder anderen (Unmöglichkeits-)Konstellationen unbenommen, unter Billigkeitserwägungen Modelle eines Interessenausgleichs zu entwickeln (vgl. etwa § 14a Abs. 11 der Verordnung über die Arbeitszeit von Beamtinnen und Beamten im Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 13.04.2022 über den finanziellen Ausgleich von Zeitguthaben bei Langzeitarbeitskonten oder § 8b Abs. 5 der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten in der Fassung vom 30.09.2015 über den finanziellen Ausgleich von Zeitguthaben bei Freijahresregelungen und freiwilligen Arbeitszeitkonten).

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann das Bundesverwaltungsgericht nicht entscheiden, ob sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO). Für eine abschließende Entscheidung über den mit der Leistungsklage zu verfolgenden Hauptantrag des Polizeikommissars bedarf es weiterer Sachaufklärung, die dem Revisionsgericht verwehrt ist (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat der Polizeikommissar zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand insgesamt 205 nicht durch Dienstbefreiung oder Vergütung abgegoltene, dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeitsstunden geleistet. Nicht geklärt ist, bei welchen Einsatzlagen der Polizeikommissar Mehrarbeit geleistet hat. Auf informatorische Befragung in der mündlichen Verhandlung hat der Dienstherr erklärt, dass die Bereitschaftspolizei des Landes bei dem G7-Gipfel in Elmau vom 26.05.bis 9.06.2015, bei …-Demonstrationen in Leipzig vom 16. bis 18.10.2015 sowie vom 10. bis 12.01.2016, bei dem Besuch des Präsidenten Obama in Hannover vom 21. bis 26.04.2016 und bei dem GSZE-Gipfel in Hamburg vom 06. bis 12.12.2016 eingesetzt war. Die Beteiligten konnten aber keine Angaben dazu machen, ob der Polizeikommissar an sämtlichen Einsätzen teilgenommen hat, und damit auch nicht, in welchem Umfang er Mehrarbeit bei welchen Einsätzen geleistet hat. Keine Feststellungen enthält das Berufungsurteil auch zu der Frage, ob der Dienstherr aus zwingenden dienstlichen Gründen gehindert war, innerhalb der nach Ableistung der Mehrarbeit in Lauf gesetzten Jahresfristen den entsprechenden Freizeitausgleich gegenüber dem Polizeikommissar zu erfüllen, oder ggf. ob er ihm den Freizeitausgleich wegen eines vermeintlichen Antragserfordernisses rechtswidrig vorenthalten hat.

Insoweit weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass es dem Dienstherrn obliegt, darzulegen, ob er aufgrund der für erforderlich gehaltenen personellen Ausstattung des Dienstbetriebs gehindert war, fristgerecht Dienstbefreiung zu gewähren, und ob und wie – mit oder ohne Antrag – er den zeitlichen Ausgleich angefallener Mehrarbeit von Beamten in die Dienstplanung einbezogen hat. Zwar trägt der Polizeikommissar nach der allgemeinen Beweislastregel grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen bei dem geltend gemachten Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung nach § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG. Allerdings ist in dem vom Grundsatz der Amtsermittlung geprägten Verwaltungsprozess zu berücksichtigen, dass die Beteiligten ohne Rücksicht auf die Verteilung der materiellen Beweislast zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung verpflichtet sind (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Das schließt ein, dass einem Beteiligten eine besondere Mitwirkungspflicht hinsichtlich solcher Umstände obliegt, die allein in seiner Sphäre, seinem Verantwortungs- und Verfügungsbereich liegen. Dies trifft auf die im Organisationsermessen des Dienstherrn liegende sachliche und personelle Ausgestaltung des Dienstbetriebs zu. Kommt der Dienstherr einer danach bestehenden Mitwirkungspflicht nicht nach und wird dadurch die Sachverhaltsaufklärung schwierig oder gar unmöglich, kann das Gericht Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des anspruchsberechtigten Beamten erwägen23.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. März 2024 – 2 C 2.23

  1. VG Saarland, Urteil vom 22.09.2020 – 2 K 2140/18[]
  2. OVG Saarland, Urteil vom 27.12.2022 – 1 A 333/20[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2021 – 2 C 18.20 – 172, 254 Rn. 16[]
  4. Amtsbl. I S. 514, SBG[]
  5. vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.1970 – 2 C 45.68, BVerwGE 37, 21 <23 f.> zur inhaltsgleichen Regelung des § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG a. F.[]
  6. BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 – 2 C 27.09, Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 13 Rn. 11 zu § 85 Abs. 2 Satz 3 HBG Fassung 1997; Beschluss vom 24.05.1985 – 2 B 45.85, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 26 S. 10 zu § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG a. F.[]
  7. vgl. BVerwG, Urteile vom 25.06.2009 – 2 C 68.08, NVwZ-RR 2009, 893 Rn. 17; und vom 30.03.2006 – 2 C 23.05, Buchholz 236.2 § 76c DRiG Nr. 1 Rn. 17 f.[]
  8. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.07.2012 – 2 C 29.11, BVerwGE 143, 381 Rn. 36 f.[]
  9. BVerwG, Urteil vom 05.03.2013 ?- W 1 K 12.455 29[]
  10. BVerwG, Urteil vom 10.12.1970 – 2 C 45.68, BVerwGE 37, 21 <23 f.> zu § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG a. F.; und vom 17.11.2016 – 2 C 23.15, BVerwGE 156, 262 Rn. 16 ff. zu § 88 Satz 2 BBG[]
  11. Amtsbl. S.2010, SBG a. F.; vgl. LT-Drs. 13/2237, S. 84[]
  12. vgl. Schriftlicher Bericht des Innenausschusses vom 27.02.1971 S. 7, 11 f. zum Ersten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern <1. BesVNG> vom 18.03.1971 und der dort vorgesehenen Neufassung des § 44 BRRG durch Art. V § 4 Nr. 1 1. BesVNG, BRRG Fassung 1971[]
  13. BGBl I S. 2138[]
  14. BT-Drs. 14/3458 S. 3 und 5[]
  15. BT-Drs. 14/3458, S. 7[]
  16. vgl. BVerwG, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Besoldungsstruktur, BT-Drs. 14/8623, S. 28 f.[]
  17. Amtsbl. I S. 184[]
  18. BGBl. I S. 3494[]
  19. Amtsbl. I S. 720[]
  20. vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.1970 – 2 C 45.68, BVerwGE 37, 21 <28>[]
  21. vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 – 2 C 35.02, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 39 S. 10; Corsmeyer, in: GKÖD Bd. I, Stand Dezember 2023, L § 88 Rn. 66[]
  22. vgl. auch BVerwG, Urteile vom 21.02.1991 – 2 C 48.88, BVerwGE 88, 60 <65> und vom 28.05.2003 – 2 C 35.02, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 39 S. 10[]
  23. vgl. BVerwG, Urteile vom 26.11.1969 – 6 C 121.65, BVerwGE 34, 225 <226 f.> vom 20.01.2000 – 2 C 13.99, Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 4 S. 3 f.; und vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361 Rn. 45[]

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