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Solar Lexus - DER SPIEGEL
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Automobile Solar Lexus

Die vorweg vieldiskutierten »Luxus-Japaner« rollen nun an. Sind sie wirklich für die Konkurrenz zum Fürchten?
aus DER SPIEGEL 37/1989

Kreischende Reifen? Schlängelkurse, gesäumt von Gummipylonen? Räkelnde Mädels auf der Kühlerhaube? Hämmernde Werbesprüche? Von den gewohnten Sujets hat die seltsame Automobilreklame, die seit Tagen über Amerikas Mattscheiben flimmert, nichts zu bieten, nicht mal ein Auto ist zu erblicken.

Statt dessen breitet sich Natur aus vor den Augen der Betrachter: mal ein Wolkenpanorama mit zuckenden Blitzen, mal farbschillernde Blätter im Kräuselwasser eines Teiches, mal anrollende Wogen am ockerfarben leuchtenden Strand - so will es der japanische Hersteller Nissan für seinen neuesten Typ, den »Infiniti Q 45«. Er ist der eine.

Der andere heißt »Lexus«. Sein Erbauer, Toyota, größter aller japanischen Autoproduzenten, setzt auf eine Werbung im Rolls-Royce-Stil der fünfziger Jahre und läßt Technologie verkünden. Nicht weniger als 300 angemeldete Patente, so Toyota, seien dem Vehikel einverleibt worden, das nun »ein neues Kapitel in der automobilen Luxus-Klasse« eröffne.

Die beiden Fünf-Meter-Autos, von denen der Lexus vorletzte Woche in Amerika als erster auf den Markt kam (Infiniti wird bald folgen), nahmen in der Welt des Automobils schon einen Sonderplatz ein, bevor sie überhaupt zu sehen waren.

»Nicht ein BMW mit Zwölfzylindermotor, sondern Autos wie der Lexus und Infiniti machen mir angst«, gestand vor Monaten Mercedes-Chef Werner Niefer. Als handele es sich bei Japans ersten echten Luxusautos um Komponenten aus der Geisterbahn, haben die Autotester denn auch seit Jahr und Tag mit einem Wust an Vorausberichten das zu erwartende Unheil beschworen, das die auf dem Oberklasse-Markt herrschenden Firmen wie Daimler-Benz, BMW, Cadillac oder Jaguar ereilen werde.

Strikt nach ihrem Schlachtplan eröffneten die Japaner den Lexus-Vorstoß gegen die Etablierten in rund 100 vornehm ausstaffierten Showrooms in den USA. Die Inhaber - kein Farbiger unter ihnen - waren unter 1200 Bewerbern ausgewählt worden, die sich alle zu Millionen-Investitionen bereit erklärt hatten (den herkömmlichen Toyota-Shops haftet eher ein Billig-Ruch an).

Selbstbewußt können die Verkaufsmanager auf die üppige Technik ihres Gefährts verweisen: ein Vier-Liter-Achtzylinder mit Vierventiltechnik, 250 optimal entgifteten PS und 245 km/h Spitze; dazu ein gekonnt klimatisierter, pompöser Innenraum, in schier verwirrender Fülle mit Knöpfchen und Funktionshebeln ausgestattet, bis hin zu neuartig wie aus dem Nichts reflektierenden Warnanzeigen. Über Zubehör wie Airbag, ABS und Antriebsschlupfregelung darf in dieser Klasse eigentlich gar nicht gesondert gesprochen werden.

All das und noch viel mehr verpackten die Toyota-Ingenieure in eine keineswegs atemraubend elegante Karosse, die glattbauchig und daher weit strömungsgünstiger geraten ist, als sie aussieht (cw 0,28). Teile des ungeniert der Mercedes-S-Klasse und dem BMW-Siebener nachempfundenen Kleides verfertigten die Japaner aus Doppelblechen mit einer eingebackenen Schicht metallisierten Harzes; die schweißtechnische Bearbeitung solcher vibrationshemmender Sandwichbleche betrachtet Toyota als Ersttat.

Besonders gern argumentieren die Lexus-Verkäufer mit ihrem Basispreis von 35 000 Dollar - bis zu 25 000 Dollar weniger als für vergleichbar ausgestattete Konkurrenten wie den Mercedes-Benz 300 E, den Mercedes-Benz 420 oder den BMW 735i. Daß der Infiniti gleichfalls mit Vierventiltechnik und noch höherer Leistung (270 PS) zu einem vermutlich auch unter 40 000 Dollar liegenden Basispreis antritt, macht den japanischen Griff ins lukrative Oberstübchen zur Zangenbewegung.

Etliche Autotester der internationalen Presse, zum Teil eigens zu Probefahrten auf der tempolimitfreien Autobahn in die Bundesrepublik verfrachtet, zeigten sich begeistert. »So gut wie teurere deutsche Fahrzeuge - oder besser«, urteilte das US-Wirtschaftsmagazin Fortune. Ein FAZ-Testfahrer empfand das Walten des elektronischen Motormanagements und das Schalten der Viergang-Automatik als »Sanftheit einer vom Wind getragenen Lotusblüte«.

Das Stuttgarter auto, motor und sport-Magazin wollte es genauer wissen und veranstaltete in Kalifornien einen Vergleichstest zwischen dem Lexus, einem BMW 735i L und einem Mercedes-Benz 420 SEL. Dabei konnte der Lexus von drei Wertungen ("Karosserie«, »Antrieb«, »Fahreigenschaften und Komfort") nur die Antriebswertung - bei allerdings zu hohem Verbrauch - für sich entscheiden.

In den übrigen Bewertungskriterien geriet er klar ins Hintertreffen: Die Tester fanden, der Aufbau gerate »auf Querfugen heftig ins Stuckern«, die Lenkung sei »sehr leichtgängig, aber ohne jedes Gefühl zur Fahrbahn«. »Dieses Auto«, faßte Tester Götz Leyrer zusammen, »macht der Welt kein Loch.«

Auch bei Daimler-Benz in Stuttgart, wo sich Chef Niefer verschiedentlich wie unter Zwang an den Oberbauch in die Gegend des Sonnengeflechts griff, sobald der Name Lexus fiel (Solar Lexus?), haben sich die Gemüter wieder etwas beruhigt, seit die Ingenieure in den USA und danach auf heimischer Testbahn das Gefährt ausgiebig haben testen können. »Ausgezeichneter Langsam-Fahrkomfort, dann aber hapert es«, urteilte Daimler-Benz-Versuchsingenieur Hans Werner.

Im Gegensatz zum Lexus verzichtet Nissans Infiniti auf einen Kühlergrill. Seine flache Stirn erinnert an Ford-Modelle, sein mittendrauf gepflanztes Markenemblem, eine oval eingefaßte Pyramide, läßt sich nach Ansicht der Berner Automobil Revue als »Straße deuten, die im Unendlichen verschwindet«.

An unendlich große Marktchancen glauben die Marktforscher der beiden Firmen nicht ernsthaft. Sie machen sich auch wenig Hoffnung, einen überzeugten Dauerkunden deutscher Edelmarken zu gewinnen oder gar Amerikaner um das sechste Lebensjahrzehnt davon abzuhalten, den gewohnten Cadillac oder Lincoln Continental zu kaufen.

Nissan zielt mit seiner ungewöhnlichen TV-Reklame »auf Arrivierte, die auf Qualität nicht verzichten wollen, aber protzigen Wohlstand verabscheuen«. Toyota hat junge Aufsteiger im Visier, die gern ein deutsches Qualitäts-Automobil besäßen, es aber nicht bezahlen können.

Andere japanische Autoproduzenten wie etwa Mitsubishi und Mazda sind noch unschlüssig, ob sie dem Beispiel Toyotas und Nissans folgen und gleichfalls in den Markt der Edel-Limousinen einkurven sollen. Honda, technischer Vorreiter der Branche und Erbauer siegreicher Grand-Prix-Motoren, hat sich offenkundig schon entschieden: Etliche Prototypen für Luxuswagen im Stil des Lexus und Infiniti wurden verworfen, neue nicht geplant.

»Wir glauben«, erläuterte Hondas Technik-Vorstand Nobuhiko Kawamoto, »daß dies der falsche Weg ist.« Lachend erklärte Kawamoto westlichen Autotestern unlängst beim Essen, er könne das Zittern und Zagen europäischer Manager wegen eines Autos wie Lexus nicht recht verstehen. Ein Auto, so Hondas oberster Techniker, bestehe doch aus der Sicht der Käufer nicht allein aus Technik und Preis, sondern müsse auch den rechten »Geschmack« bieten.

»Aber hat der Lexus Geschmack?« fragte Kawamoto. Dann nahm er ein Stück trockenes Weißbrot in die Hand und gab selbst die Antwort: »Er hat weniger Geschmack als dieses Stück Brot.« f

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