Deutsches Fremdwörterbuch | |
Horror |
M. (-s; ohne Pl.), seit
Anfang 18. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus lat. horror ‘das
Sichaufsträuben, Zu-Berge-Stehen der Haare, Starrsein (vor Entsetzen),
Schauder(n), Grausen’ (zu horrere ‘erschauern, schaudern, sich grausen,
entsetzen’, eigentlich ‘starr sein, erstarren; sich auf-/emporsträuben (von
Haaren)’, → horrend; bis Mitte 19. Jh. überwiegend in der frz. Form
Horreur (s. u.), danach in der relatinisierten Form Horror.
1 Zunächst bis Ende 18. Jh. als medizinerlat. Terminus (in der
Tradition der römischen Heilkunde) mit der Bed. ‘Fieberschauer,
Schüttelfrost’.
2a Seit späterem 18. Jh. vereinzelt nachgewiesen
neben der häufigeren frz. Nebenform Horreur (s. u.), seit Mitte 19. Jh.
diese verdrängend (im eventuell studentenspr. oder auch unter engl. Einfluss
erfolgten Rückgriff auf das Lat.) in der Bed. ‘(auf Erfahrung, Vorwissen,
Kenntnis beruhende) Angst, Abscheu, Erschauern/Schauder, (Er-)Schrecken,
Grausen, Zurückscheuen (vor etwas/jmdm., z. B. einem furchteinflößenden
Menschen, Tier oder Wesen, einem befürchteten Erlebnis, künftigen Ereignis),
Widerwille, Abneigung, sich damit zu befassen’ (vgl. Rochus), bis heute
in lat. Syntagmen wie Horror mortis, Horror naturalis und v. a. Horror
vacui als Bezeichnung für eine aus der scholastischen Naturphilosophie
stammende und bis zur Entdeckung des Luftdrucks herrschende Vorstellung, die
Natur habe die aktive Eigenschaft, jedes Vakuum (aus Abscheu vor der Leere)
auszufüllen, sowie von daher in der Kunstwissenschaft für eine das Ornament zur
Füllung leerer Flächen bevorzugende Stilform, auch allgemeiner mit Bezug auf den
(modernen) Menschen und sein Lebensgefühl ‘Vorstellung des Nichtseins;
Sinnentleerung’ (s. Belege 1848, 1985), sowie in Wendungen (meist mit
Präpositionalobjekt) wie (einen) Horror vor dem nächtlichen Gang über einen
Friedhof haben, er hegte einen Horror gegen alles Weibliche, Horror empfinden
vor bestimmten Leuten, ich habe einen wirklichen, wahren Horror vor der
Krankheit, der Militärdienst ist für ihn der absolute Horror, seit spätem
20. Jh., wohl wiederum unter Einwirkung von engl. horror(s), in der Bed.
‘(unerwartetes) fürchterliches Erlebnis, schreckliches Vorkommnis, Ereignis,
grausiger Vorgang, Anblick; (dadurch hervorgerufener) schreckerfüllter Zustand,
heftig empfundener Schrecken, Entsetzen über etwas’ (s. Belege 1994, 1999,
2004), z. B. der ganze Horror des Todes, der blanke Horror packt ihn, jede
Nacht fiel mich der Horror an, der Horror der Nazi-Zeit, der Vernichtungslager,
mit der Zeit wurde ihm die Schule zum Horror, der Aufenthalt im Gefängnis war
der absolute, reinste, blanke Horror, niemand mag sich diesen Horror ausmalen,
einen heftigen Horror über das Massaker empfinden, häufig als
Bestimmungswort in der Bed. ‘Angst, Schrecken, Grauen, Entsetzen erregend,
verbreitend, damit verbunden, schrecklich; Schreckens-, Schock-, Grusel-’ und
ugs. abgeflacht im Sinne einer emotional verstärkenden Vorsilbe ‘schlimm,
beängstigend, unangenehm’ (→ horrend) in Zss. wie Horroraktion, -bande,
-bericht/-meldung, -beziehung/-ehe, -erlebnis, -fahrt/-flug, -familie, -ferien,
-frisur, -geschehen, -gestalt, -jahr, -zimmer, -katze, -kid/-kind, -lärm,
-lawine, -leben, -maschine, -meldung, -musik, -pädagogik, -piste, -politik,
-regime, -reise, -schilderung, -schloss, -staat, -stimmung, -szenario, -vision,
-vorstellung, -weib, -winter, -zustand, (pleonastisch:) -schau(d)er,
(in Verbindung mit Bezeichnungen für medizinische Zusammenhänge,
Krankheitserreger, Krankheiten o. Ä.:) Horrorbakterien/-mikroben/-viren,
-chemikalie, -diagnose/-prognose, -infektion, -krankheit, (bes. im
Zusammenhang mit Drogenmissbrauch:) Horrordroge, -entzug und v. a.
-trip (vgl. engl. bad trip) ‘durch den Genuss von Rauschmitteln
hervorgerufener schlimmer Rauschzustand mit Panikgefühlen’, gelegentlich kurz
dafür (s. Belege 1979, 1982, 1984; vgl. auf (den) Horror kommen), auch
allgemeiner ‘unangenehme Fahrt, Reise voller Schrecken’, daneben im weiteren
Sinne einer quantitativ verstärkenden Vorsilbe in der Bed. ‘unvorstellbar,
ungeheuer, übermäßig, maßlos, übertrieben (groß, stark, viel); Riesen-, Mords-,
Wahnsinns-’ (→ horrend; vgl. Giga-, giga-, → Gigant, Mega-, mega-)
in Zss. (in Verbindung mit Bezeichnungen für Quantifizierbares) wie
Horrorberechnungen, -betrag, -bilanz, -gagen, -gebühren, -gehalt/-honorar,
-kosten, -miete, -preis, -rechnung, -summe, -tarif, -verschuldung, seltener
als Grundwort alternierend mit -angst, -grauen, -schrecken, -schock (vgl.
-terror) in Alltags-, Atom-, Autobahn-, Beziehungs-, BSE-, Drogen-,
Euro-, Familien-, Ferien-, Gen-, Halloween-, Hitchcock-, Hunger-, Jugend-,
Konsum-, Kriegs-, KZ-, Massen-, Medien-, Miet(preis)-, Nachrichten-, Nazi-,
Pisten-, Psycho-, Spinnen-, Stau-, Straßen-, Umwelt-, Unfall-, Verkehrs-,
Weihnachts-, Zukunftshorror.
Daneben das ältere, vom frühen 18. bis
Anfang 20. Jh. nachgewiesene, aus frz. horreur (s. o.) übernommene
weitgehend gleichbed. Modewort Horreur M. und F. (-s; -s), auch
Horeur, zunächst in frz. Syntagmen wie à l’horreur, oft (als
Interjektion) (quel) horreur!, im Pl. auch ‘abscheuliche, schreckliche
Dinge, Äußerungen; Widrigkeiten, Gräuel’ und vereinzelt ‘Abscheu erregende Tat,
fürchterliche Vorgehensweise, Entgleisung, Schreckenstat’ (s. Beleg
1870).
Bereits seit Mitte 17. Jh. das aus frz. horrible
entlehnte, über gleichbed. lat. horribilis ebenfalls auf horrere,
s. o., zurückgehende, bildungsspr. Adj. horribel, auch in der (frz.) Form
horrible (s. Belege 1848, 1996), in der lat. (flekt.) Form und in lat.
Syntagmen wie horribile dictu/visu ‘schrecklich zu sagen/sehen’, annus
horribilis ‘Schreckensjahr’, meist in der abwertenden Bed. ‘schrecklich,
entsetzlich, abscheulich’, insbes. im Zusammenhang mit ästhetischen Bewertungen
und Urteilen, z. B. horrible Ereignisse, ein derartig horribles Verbrechen,
eine horrible Schlagzeile, eine horrible geschmackliche Entgleisung, diese
Tapete ist einfach horribel!, mir ist diese Vorstellung horribel, der schwarze
Panther ist von horribler Schönheit, wirklich horrible
Synthesizer-Kompositionen (→ horrend), selten steigernd ‘ungeheuer, überaus
(hoch, stark o. ä.)’ (s. Belege 1784, 1859, 1861, 1934), z. B. das horrible
Ausmaß der angehäuften Schwierigkeiten, die Aufführung war horribel schlecht,
die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen liegt bei horriblen 40 Prozent, die
horrible Verteuerung der Heizölpreise (→ horrend), mit dazugehörigem, seit
Mitte 19. Jh. belegtem Horribilität F. (-; ohne Pl.) ‘Schrecklichkeit,
Furchtbarkeit, Fürchterlichkeit’, vereinzelt auch mit Bezug auf Menschen
‘schreckliche Person’ (s. Beleg 1997); in der ersten Hälfte des 20. Jhs.
vereinzelt, in neuester Zeit häufiger bezeugt die latinisierende, oft ironisch
gebrauchte verbale Ableitung horrifizieren V. trans. ‘als schrecklich
darstellen, schildern; verabscheuen’, z. B. Ideologie und Terror der Rebellen
werden horrifiziert, in der präd. und adv. verwendeten Part. Präs.-Form
horrifizierend ‘schreckenerregend’ (s. Belege 1993, 2002).
b Seit Mitte 19. Jh. (erneut unter engl. Einfluss), zunächst
vereinzelt auf engl. Verhältnisse bezogen, als Sammelbezeichnung für den
Gegenstand eines im 19. Jh. (durch E. A. Poe, B. Stoker u. a.) begründeten
Genres fiktiver Unterhaltungsliteratur mit den Merkmalen des Grauenerregenden,
Abstoßenden, Unrealistischen, im Verlauf des 20. Jhs. weiterentwickelt zum
Gattungsbegriff eines einschlägigen Theater- und insbes. Filmgenres sowie der
entsprechenden Kunst-, Musik- und Travestieszene (vgl. Fantasy, Gothic,
Science Fiction, Splatter, Trash), als Grundwort in Zss. wie Action-,
Cyber-, Fantasy-, Fernseh-, Film-, Geisterbahn-, Grusel-, Hollywood-, Kino-,
Kult-, Science-fiction-, Splatter-Horror, häufiger als Bestimmungswort in
Horrorautor, -clip, -comic, -darsteller, -effekt, -element, -erzählung,
-fan/-freak/-freund, -figur, -fiktion, -fratze/-maske, -genre, -kabinett,
-pandämonium/-panoptikum, -parodie/-persiflage, -kino, -kitsch, -klamotte,
-krimi, -kunst, -magazin, -manier, -motiv, -revue, -roman, -show, -serie,
-spannung, -stück, -szene, -video, Horror-Festival, -Fiction, -Groteske,
-Happening, -Hefte, -Klassiker, -Kulisse, -Kult, -Literatur, -Musical,
-Spektakel, -Streifen, -Unterhaltung, -Welle und v. a. Horrorfilm
‘Filmgenre, das dem Zuschauer grausige, fantastische, makabre, unheimliche,
dämonische und lebensbedrohende Ereignisse vor Augen führt und somit eine
furchterregende, gruselige Atmosphäre vermitteln will’.
Dazu seit
jüngerer Zeit die adj. Ableitungen horrorartig, -haft, -mäßig und
okkasionelles horrorig (zu 2a und b).
Belege
Woyt
1709 Gazophylacium 425
Horror, ein Schauer/ man pflegt zu sagen/ mir kommt
ein Schauer an/ oder mir grisselt und schauert die Haut;
Zedler 1735
Universallex. XIII 947
Horror; ein Schauer; man pfleget zu sagen, mir kommt
ein Schauer an, oder mir schäuert und grieselt die Haut;
Haller 1772 Medicin.
Lex. 774
Horror . . ein Schauer, Schauder; ist eine besondere Empfindung
einer kurz vorbeygehenden subtilen Kälte, die einem zumal über den ganzen Leib
gleich unter der Haut wegfähret, aber doch so durchdringend ist, und tief gehet,
daß sie allezeit mit einem Zittern, dem wir nicht widerstehen können, verknüpft
ist;
Schiller 1780 Dissertation (XVII 134)
Der Horror, der den
Febrizitanten schüttelt;
Danz 1793 Semiotic 83
Mit Schauer – horror –
fangen die meisten Fieber an, und er ist ein Beweis der Ansteckung. Mit
Müdigkeit, Kopfweh verbunden, geht er öfters der monatlichen Reinigung voraus.
Obgleich ein starker Horror für sich ein gutes Zeichen ist, . . so zeigt er
doch, wenn er heftig ist, eine stark wirkende Ursache, und eine schwere
Krankheit an;
ebd. 84
Ueberhaupt ist horror ein böses Zeichen, wenn er in
hitzigen Krankheiten häufig repetirt . . Bey schon vorhandenen Entzündungen
verräth Horror anfangende Eiterung, oder mit übelen Symptomen verbunden, den
Brand.
1762 (Moser 1786 Patriot. Archiv IV
506)
Sie kennen . . meine Eigenheiten, meine Gesundheit und, was das
schlimmste unter allen ist, meine entschiedene Abneigung und Horror vor alles,
was bey Ihnen und den mehresten unserer Deutschen Fürsten-Höfe Dienen heißt;
Wieland 1778 (1798 S. W. Suppl. V 134)
Eine begrabne Frau hinterließ bey
ihm keine andere Erinnerung, als die ihn ungeduldig machte, ihre Stelle wieder
mit einer lebenden zu besetzen. In diesem Stücke war sein Horror vacui ganz
außerordentlich;
ders. 1789–94 Üb. d. frz. Revolution (1797 S. W. XXIX
201)
den horror naturalis der menschlichen Natur vor – Laternenpfählen;
Kohl 1844 Brit. Inseln I 466
Wenn die Engländer über das amerikanische
„spitting“ die Augen verdrehen, so zeigen die Amerikaner den größten „horror“
(Abscheu) vor dem Schmutz, in dem die geringeren Classen in England leben;
Nordau 1848 Lügen 53
Man spricht vom horror vacui der Natur. Ganz so groß
ist der horror vacui des menschlichen Denkens . . die Vorstellung des
Nichtseins;
Hundt v. Hafften 1863 Rechte I 178
das oft nicht zu
verscheuchende Gefühl des horror vacui, welchen Schauder auch gewöhnliche
Menschen kennen;
Scheibert 1879 Offizier-Brevier 29
Die meisten Offiziere
haben einen wahren Horror vor der Militairphilosophie;
1896 Grenzboten I
262
Man hat trotz allen Geschichtsunterrichts in unsern Schulen . . einen
wahren Horror vor den Lehren der Geschichte;
Zobeltitz 1902 Papierene Macht I
17
einen wahren Horror vor Schokolade;
zur Megede 1911 Quitt 84
empfand den begreiflichen Horror des Herrenkindes vor der erdrückenden
Atmosphäre all dieser Baumhütten da;
Klemperer 1924 Tagebücher 804
Einen
Horror vor den Widerwärtigkeiten der kommenden Woche habe ich doch;
ders.
1931 dass. 733
Das Müde usque ad mortem wird jeden Tag wahrer, u. der Horror
mortis jeden Tag größer;
Ortega y Gasset 1943 Wesen (Übers.) 41
Aber die
menschliche Existenz hat einen Horror vor der Leere . . horror vacui;
Th.
Mann 1954 Krull (W. VII 513)
geringe Reiselust, wie leicht fällt die ins
Gewicht gegen meinen Horror, Paris zu verlassen!;
Süddtsch. Ztg.
7. 4. 1959
manche unterschreiben blind, weil sie so’nen Horror vor den
ganzen Sachen haben;
Welt 4. 6. 1974
Einige westliche Staaten wollen . .
auf die Entfaltung des Sozialismus Einfluß nehmen . . Davor hat der Sowjetblock
. . einen unverkennbaren Horror;
Christiane F. 1979 Zoo 61
Der Trip war
unheimlich Schau gewesen. Ich war froh, dass ich nicht auf Horror gekommen war
(DUDEN 1999);
Bron 1982 Drogenabhängigkeit 96
Vor einer Woche habe sie
ihren zweiten Trip eingenommen und sei auf den Horror gekommen;
ebd. 131
intrapsychische Spannungen und Konflikte sowie reaktive Momente und äußere
Faktoren [dürften] oft ausschlaggebend sein. Einige Patienten beobachteten
regelmäßig, daß sie bei schlechter psychischer Ausgangssituation immer „auf den
Horror“ gekommen seien;
Basler Ztg. 26. 7. 1984
probierte er auch Heroin.
Doch was ihm ein Bekannter als seligen Zustand schmackhaft gemacht hatte,
erlebte er als Horror (DUDEN 1999);
Zeit 27. 12. 1985
die Sinnentleerung,
der Horror vor dem Vakuum, der zahllose, besonders junge Menschen ergreift;
Salzb. Nachr. 28. 2. 1994
Die arabische Welt bebt in Zorn und Horror über
das Massaker von Hebron, vom israelischen Präsidenten Weizman als „das
schlimmste Ereignis in der Geschichte des Zionismus“ klassifiziert;
Berl.
Morgenpost 19. 5. 1999
Stauuuuu!!! Der tägliche Horror für Autofahrer
(Überschr.);
Berl. Ztg. 19. 5. 1999
Der wahre Horror steckt, so kann man
bei Autoren wie Steven King lernen, im Alltäglichen;
Rhein-Ztg.
30. 11. 2001
Paul Klee baut seine kleinen Welten vielleicht psychologischer
und ängstlicher, oft vom horror vacui (der Angst vor der leeren Fläche oder auch
vor dem Aufhören) geführt;
taz 4. 2. 2004
Horror an Hildesheimer Schule
(Überschr.) Neun Mitschüler quälten einen 18-Jährigen über Monate hinweg vor
laufender Kamera.
Wellmann 1725 Denck-Mahl 73
Indessen versichere, daß Niemand . . so an dem boßhaft angelegten Brand einiges
Theil haben möchte, im geringsten verschonet, sondern nach Rigueur wieder alle
Complices auch hiesiger Orten treulich verfahren werden soll. Denn ich sehe
dieses ruchlose und höchststraffbare Unternehmen also an, daß ich meinen Horreur
darüber nicht gnugsam entdecken kan;
1786 Journal d. Moden I 93
fanden
den Fächer à l’horreur;
Schlözer 1790 Stats-Anzeigen XIV 61
die Wächter
der geheiligten Person des Monarchen, werden massacrirt; und mitten durch die
rauchenden Ueberreste dieser blutigen Leichname, sucht die königliche Familie
ihre Rettung: nur noch Einen Schritt weiter, so ist das größte aller Verbrechen
ausgefürt . . Tag des Horreurs und des Fluchs, warum kan ich dich nicht vor den
kommenden Jarhunderten verbergen!;
Schiller 1799 Br. VI 116
Das bekannte
Sonett hat hier eine böse Sensation gemacht, und selbst unsern Freund hat die
Damenwelt verführt, es in Horreur zu nehmen;
Ranke 1830 Br. LIII/LIV 239
Die Armuth, die ich dort [in Berlin] vor mir sehe, die tausend Bedrängnisse von
dem klatschenden Geschlecht, die Abhängigkeit von den Studenten: horreur!;
Imhof 1831 Br. 104
alle horreurs des Quartiersuchens;
Oettinger 1833
Confiscirte Eulenspiegel I 171
Der Scheerenheld versprach: die Hosen mit
Anbruch des folgenden tages wiederzubringen, aber quel horreur! er hielt
nicht Wort;
1849 Hofdamen-Br. 240
ganz enorme Riesenfahnen
schwarz-rot-gold, die Horreur von uns Gutgesinnten;
Ehrlich 1858 Abenteuer I
103
sie hatte wahre „horreur“ vor allem Ernsthaften [in der Unterhaltung];
1860 Westermann’s Monatsh. IX 276
Bei meiner ewigen Ungnade befehle ich
Dir, nicht hierher in’s Kloster zu kommen. Keine verrufene Magd wird hier
geduldet; der ganze Adel, insonderheit unsere theure Aebtissin haben einen
Horeur vor Dir;
Gutzkow 1869 Kastanienwäldchen (XII 40)
[daß sie vor]
seinem Verschmähen aller Sauberkeit, Ordnung und Seife ein „horreur“ gehabt
hätte;
Petersen 1870 Genrebilder 189
Nur kein weiteres Naserümpfen . .
und kein „Horreur!“, wenn ich bitten darf;
Fontane 1870 Br. II 2,326 f.
Das Zitat kann Ihnen als Denunziation auf Mitschuld und die Parallele zwischen
„Nathan“ und den „Webern“ als Hochverrat und jedenfalls als ein „horreur“
angerechnet werden;
Nordau 1881 Paris I 179
Eine Dame wird natürlich nie
einen Absinth nehmen . . und sie ruft mit allerliebst gespieltem Entsetzen
„horreur!“ wenn man vor ihr die vulgären Worte „la goutte“ oder „la rincette“
auszusprechen sich vermißt;
1903 Grenzboten III 776
da geht ihr
allmählich auf, daß es doch nicht der Rechte ist, sodaß es – horreur – zur
Scheidung kommt.
Schildknecht 1652 Harmonia III
28
weil aber dises, was ich noch zurücke behalte, ziemblich horribel zugehet
. . will ich lieber davon still schweigen;
Dippel 1700 Wassertauff 13
Dieses letztere schiene vielen horribel, das erste aber noch gefährlich;
1705
Auserl. Anm. II 182
wenn nicht ein horribler Comet das Römische Blutbad
einige Jahre vorher schon beschlossen hätte;
Wächtler 1709 Manual 154
Horrible, erschrecklich/ abscheulich/ z. E. es ist horrible anzusehen;
Sperander 1727 A la Mode-Sprach 293
Horrible. Idem, wie Horrend;
1730
(1907 Archiv f. Kulturgesch. V 51)
[Fahrt Amsterdam-Lissabon bei Gegenwind
und Donnerwetter] so horrible auf dem Meer angesehen;
Ayrenhoff 1771 Postzug
34
was für ein horribler Geruch? Haben Sie denn gern die stinkenden Hasen
in Ihrem Zimmer?;
Dippel 1784 Analysis 8
weil sie so horribel-gelehrte
Mathematici gewesen;
ebd. 18
da es dann mit der Liebe gethan wäre, und zu
einer horribelen Bataille käme;
Schiller vor 1805 Br. I 34
Mir hat vor
seiner [Ramdohrs] horribeln Philosophie gegraut (KEHREIN);
ebd. I 263
Die Vorrede ist wieder etwas Horribles (KEHREIN);
Zelter 1829 (Briefw.
Goethe-Zelter V 341)
horribles Getöse;
Burckhardt 1844 Br. an Kinkel
81
denn große Aufregungen würden in unsren jetzigen Zuständen horribel
aufräumen;
Lentner 1848 Veränderungen 277
Diese Art von Rache eines
Eifersüchtigen ist mir neu, ist horrible!;
1859 Briefw. Burckhardt-Heyse
85
eine horrible Abneigung gegen historische Ehrenstatuen;
Werther 1861
Kl. Deutschland I 245
Es soll sie gleich ein Kreuzdonnerwetter erschlagen,
wenn ich noch einmal eine solche horrible Disziplinwidrigkeit bemerke;
Fontane 1870 Br. II 1,280
nach einer horriblen Fahrt von 6 Tagen und 6
Nächten;
Kerr 1896 Br. a. d. Reichshauptstadt 136
Es ist fatal, daß diese
Kochkunstausstellung an zwei räumlich getrennten Orten stattfindet, im alten
Reichstag und in einem – horribile dictu – Eisenbahn-Betriebsamt in der
Königgrätzer Straße;
Selbitz 1906 Weiss-Blau 60
Entsetzlich! Horribel!
Schauderös!;
Klemperer 1934 Tagebücher 130
Durch das bloße
Unauffälligmachen im Druck also ist dem Volk die Sache in ihrer horriblen
Wichtigkeit verborgen worden. Sind die Nazis nun Meister im Behandeln der
öffentlichen Meinung oder nicht?;
Meier 1978 Prozesse 15
sowohl was den
„Prozeß“ wie was das – horribile dictu – System angeht;
Mannh. Morgen
8. 8. 1987
Die Opiatgabe vermag diese Schmerzen zu betäuben. Und dies,
entgegen dem Irrglauben von den horriblen Folgen einer Morphium-Behandlung, ohne
den Verstand des Patienten zu trüben;
taz 12. 3. 1990
Monstrum und
Gentleman . . Die Spaltung eines Individuums in eine honorige und eine horrible
Persönlichkeit [Dr. Jekyll und Mr. Hyde];
Presse 16. 8. 1993
Die
Fremdenführerin schildert von Pestleichen, Toten, die in Leinensäcken in die
Gruft abgeseilt wurden . . Der Höhepunkt der horriblen Stadtführung ist . .
erreicht;
Oberösterr. Nachr. 29. 6. 1996
es hört sich horrible an, wenn
Knochen bersten, splittern, krachen, und es dauert manchmal eine Ewigkeit, bis
derart komplizierte Brüche heilen;
Presse 5. 5. 2000
Ein horribler
Reggae-Song, die gehetzte Version des 82er-Disco-Hits;
taz 21. 5. 2004
zog aus einer Plastiktüte eine horrible Herrenunterhose Marke Schießer
Feinripp.
Neubert 1854 Dtsch. Mag. f. Garten-
u. Blumenkunde 234
wer die Lebensbeschreibungen der mit Leim fangenden
Droseraceen . . sowie ihre Anlockungen der Insekten zum Ansitzen und Ertränken,
wodurch die Pflanzen immer frischen Cadaver-Mist in ihren Blättern sich
bereiten, betrachtet . . Wer ferner die Brechwurzel Ipecacunnlia kennt, und das
Violin (chemisch bereitet) versucht, wird bald . . an die Horribilität aller
Violae glauben;
Caro 1863 Gesch. Polens II 414
Daß „Böhmen am Meere“
liegen soll, hat den Auslegern des Dichters viel zu schaffen gemacht; dieselbe
geographische Horribilität finden wir bei Greene;
Cohen 1915 Mozarts
Operntexte 60
Den ganzen Ernst, die ganze Horribilität der Grausamkeit hat
die erste Arie, besonders in ihrem zweiten Teil: „Drum beim Barte des
Propheten“;
Mander 1965 Shaw 24
Shaw kehrte die Horribilität des Themas
zur Komik um, nicht, indem er die Figuren melodramatisch in Schurken und Helden
aufteilte, sondern indem er das Thema als ein Beispiel für menschliche Heuchelei
behandelte;
Urzidil 1972 Bekenntnisse e. Pedanten 89
Keinesfalls
entschuldigt ihn hiebei die Ironie, mit der er sich über seine Horribilität
amüsiert, hinter der selbstverständlich starke Minderwertigkeitsgefühle staken;
Presse 7. 10. 1997
Die Hausmeisterin ist zwar nicht mehr die klassische
Horribilität Doderers, aber in Wien ist’s noch immer geraten, mit ihr gut
auszukommen.
Morgen 1936 Kriegspropaganda
18a
glorifiziert die eine Propaganda den Krieg, so horrifiziert ihn die
andere;
taz 1. 3. 1991
Indem die Technologie das Nichtmachbare zum
Machbaren erklärte, horrifizierte sie gleichzeitig den Teil des Nichtmachbaren,
der außerhalb ihrer Reichweite lag;
ebd. 15. 12. 1993
Kulturpolitische
Meldungen sind derzeit ja grundsätzlich horrifizierend;
ebd. 25. 10. 2002
dem deprimierenden Anblick einer Person zu entgehen, die hausbackene
Schlichtgestricktheit [und] maximale Aufdringlichkeit . . horrifizierend in
sich vereint;
Zeit 1. 7. 2004
John hatte wahrheitswidrig behauptet, es
gäbe geheime Zusatzabsprachen zum Vertrag über die Europäische
Verteidigungsgemeinschaft, den die Ostblock-Propaganda horrifizierte.
Zeit 3. 10. 1986
eine Zivilisations-Revue von
(männlichen) Rollen-Projektionen und (weiblichen) Gegenentwürfen aus zwei
Jahrhunderten. „Das Horrorartigste, was wir je gemacht haben“ . . „ganz
wahnsinnig alles“;
ebd. 30. 10. 1999
In den USA hat das Wort ‘Deutsche’
noch immer einen horrorartigen Beiklang . . Explizit oder implizit taucht das
Nazi-Erbe immer wieder in den ethnologischen Studien auf.
taz 19. 9. 1989
Durch die Größe des Panzers
vermummte Gestalten, die Kanone nach vorn gerichtet, mit lautem baßdröhnendem
Motor wird so eine Begegnung am frühen Sonntagmorgen zu einem horrorhaften,
bleibenden Erlebnis für die ganze Familie.
St.
Galler Tagbl. 3. 12. 1999
Das Tagblatt vom 24. November machte mich sehr
traurig. Die Salzkorn-Rubrik ist meiner Meinung nach echt horrorig. Wo ist da
noch Respekt vor werdendem Leben?
taz
16. 11. 1991
„Wir schämen uns“, sagt der Sprecher des Ensembles, „das wird
horrormäßig“, und meint die Premiere der Rossini-Oper heute abend im
Schlachthof. Orchester miserabel, Kulisse lächerlich, Dirigent unfähig;
ebd.
24. 3. 2000
ihr männlicher Mitbewerber habe einen „horrormäßig guten“
Punktestand erreicht. Der Mann hatte den Test nachweislich nie gemacht.
Niendorf 1855 London 58
Die Karikatur und die jetzt
so beliebten ‘horrors’ [in London] verdrängten alles Andere, jede wahre Kunst
von der Bühne;
Offenburger Tagebl. 26. 1. 1971
Geistvolles Spiel mit dem
Horror (Überschr.) Joe Orton . . unter schaurigen Umständen ermordet . . hat die
angelsächsische Tradition des absurden Horrors, der skurrilen Kriminalphantasie,
in vollem Maße aufgenommen;
Zeit 29. 3. 1985
Die Standuhr schlägt, bald
wird Mitternacht sein. Es herrscht eine Atmosphäre von gepflegtem Horror –
gleich könnte der Vampir kommen oder der Würger. Gleich könnte es spannend
werden;
taz 19. 8. 1993
greift neben den klassischen Horror- und
Fantasy-Themen wie unheimliche Häuser . ., Seelen in falschen Körpern . ., zu
groß geratenen Insekten . . und Druidenmysterien . . die Ängste der 90er auf . .
das Fantasy Filmfest . . bietet 30 Filme der Genres Horror, Splatter, Grusel,
Science Fiction, Fantasy und Psycho;
St. Galler Tagbl. 29. 10. 2001
im
Intercity Zug . ., wo Tante Hilde ihrem Neffen Siggi die Reisezeit durch
Geschichtenerzählen verkürzt. Statt „Pu der Bär“ wünscht sich das Kind „mehr
Spannung, Blut und Horror“. Da bietet das Mittelalter genug Stoff: Ritterkämpfe,
Drachen, Krieg, Intrigen und Rache, Mord und mörderische Liebe;
Mannh. Morgen
14. 1. 2005
Im aufgeräumten Zimmer des Angeklagten, so Habermehl, standen
bei der Durchsuchung Hardcore-Pornos sowie Horror- und Gewaltvideos im
Regal.
Berl. Ztg. 15. 4. 1999
in einem Haus
in Cincinnati, das buchstäblich vom bösen Geist der Erinnerungen beherrscht
wird. Unbescholtene Küchen färben sich blutrot, Spiegel fallen von Wänden und
Möbel rasen durch Räume, in denen doch kein Lüftchen weht. Alle Vergangenheit
und Zukunft wird auf diese Weise horrorartig ins Spirituelle verlegt;
Zeit
15. 11. 2000
dann überfallen horrorartige, mit dem Krieg entstandene
anorganische Lebewesen, aggressive Metalltiere mit Namen wie Schnicker, Öl- oder
Funkenfresser, die Waldbewohner und hinterlassen zerfetzte Kadaver.
taz 19. 5. 1999
Den Schauer des Unheimlichen
machten sich nicht nur die Romantiker des 19. Jahrhunderts zunutze. Auch die
Surrealisten, bis hin zu Trash, Gothic und allem Horrorhaften von
„Frankenstein“ bis „Scream“;
ebd. 20. 11. 2004
Doris Day zittert in
Designerroben und Hitchcock-Manier horrorhaft herrlich dem Nervenzusammenbruch
entgegen.
Spiegel 4. 4. 1994
Barbara Steele,
weiblicher Star des Vampirklassikers „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ (1961),
war mit ihrem wahnsinnigen Blick die unangefochtene Horror-Queen der sechziger
Jahre. Jonathan Demme . . ist unter den Regisseuren, die sich aufs Erschrecken
spezialisiert haben, die horrorigste Gestalt der Gegenwart.