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Jagen und töten - DER SPIEGEL
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Zeichentrick Jagen und töten

Kater Francis wurde mit dem Bestseller »Felidae« der berühmteste Detektiv der Katzenwelt - nun kommt der Krimi in die Kinos.
aus DER SPIEGEL 44/1994

Rassekatzen waren bisher ganz harmlos. Es gibt da Angorakatzen, die aussehen wie sorgfältig gekämmte Staubwedel, oder anthrazitfarbene Karthäuserkatzen mit Kugelkopf, die Wintervorräte in den Backentaschen zu bunkern scheinen, und ein paar Spinner haben gelockte und sogar völlig nackte Rassen gezüchtet.

Doch dann entdeckt der Kater Francis, ein gewöhnliches Europäisches Kurzhaar, daß manche Katzen schneller sterben als andere und manche Rassen besser leben. Und plötzlich ist gar nichts mehr harmlos.

Francis, mit seinem vertrottelten Besitzer Gustav gerade in ein unheimliches Villenviertel umgezogen, hält sich für klug genug, das Rätsel der ermordeten Katzen zu lösen. Seitdem ist er der berühmteste Detektiv der Katzenwelt: 1,5 Millionen Exemplare wurden von dem 1989 erschienenen und in 14 Sprachen übersetzten Krimi »Felidae« des Bonner Autors Akif Pirincci weltweit verkauft. In dieser Woche läuft der Katzenkrimi als Zeichentrickfilm in den Kinos an.

Trickfilmkatzen waren bisher wimpernklimpernde, rosa oder schneeweiße Wesen wie Walt Disneys »Aristocats«, niedlich und putzig und rührend oder aber doof und bösartig. Filmkatzen waren das Gegenteil ihrer lebenden Vorbilder. Und Trickfilme waren meist Kinderfilme.

Der Klugscheißer Francis (gesprochen von Ulrich Tukur), der verkrüppelte Blaubart (Mario Adorf) und der undurchschaubare Pascal (Klaus Maria Brandauer in seiner ersten Synchronisationsrolle) dagegen sind wie echte Katzen: Sie lächeln nie süßlich, sie haben ein unerschütterliches Selbstbewußtsein, sie sind schlau, und sie jagen und töten aus Spaß. Katzenliebhaber werden auch ihr Haustier in dem Film wiedererkennen.

Doch nicht nur die Interpretation der Figuren, auch der Stil der Zeichnungen hat sich seit den siebziger Jahren geändert: War bei »Aristocats« der Hintergrund mit scharfen Strichen kalt skizziert und ähnelte deshalb den groben Bildern der Comicbücher, so ist der Hintergrund in »Felidae« detailliert und in sanften Pastellfarben gemalt - wie mit der Spritzpistole weich aufgesprüht.

Als scharfer Kontrast bewegen sich die in alter Trickfilmtradition flächig gemalten Katzen durch diese poetische Kulisse. Entworfen wurden sie von dem Hamburger Regisseur Michael Schaack ("Werner - beinhart«, »Der kleene Punker"), 37, und dem irischen Animator Paul Bolger, 30.

Etwa 300 Zeichner in Deutschland, Kanada, Irland, Dänemark und Südkorea haben an dem Film gearbeitet (Boy George singt das Titellied). Es war die teuerste deutsche Zeichentrickproduktion: 15 Millionen Mark kostete »Felidae«, finanziert vor allem aus staatlicher Filmförderung und vom Verleih.

Der Film ist, mehr noch als der Roman, eine eindringliche Parabel über faschistische Ideologie. Sie will unterschwellig belehren, sie legt Analogien zum nationalsozialistischen Rassenwahn von den blonden, blauäugigen Ariern nahe, ohne diese Interpretation aufzudrängen. Denn vor allem ist die Geschichte ein intelligenter Thriller.

Der Kinofilm kommt jedoch ohne die Blutorgien des Buches aus: Wo die Szenen im Roman fast schon ekelerregend sind - Pirincci möchte der deutsche Stephen King werden -, da ist der Film erschreckend, ohne Übelkeit zu erzeugen: Andeutungen und Symbolik und fast schon abstrakte Zeichnungen ersetzen feuerrote Blutfontänen.

»Felidae« ist - wie viele Disney-Trickfilme - auch hervorragende Tierbeobachtung: Francis springt mit leicht abgewinkelten Hinterbeinen die Treppe hoch, klettert mühsam einen Baumstamm hinauf oder streicht zur Begrüßung mit hoch erhobenem Schwanz dem dicken Gustav um die Beine - da stimmt jeder Schritt und jedes Ohrenzucken.

Katzen würden »Felidae« schauen. Y

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