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Norddeutschland streitet über neuen Feiertag - WELT
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Deutschland Christlich oder säkular?

Der Norden streitet über seinen neuen Feiertag

Korrespondent
Kommt ein zusätzlicher Feiertag im Norden schon 2018?

Den Buß- und Bettag feiert nur noch Sachsen. Als gesetzlicher Feiertag wurde er vor über 20 Jahren abgeschafft. Grundsätzlich sind die Feiertage in Deutschland ungleich verteilt. Der Norden will nun aufholen.

Quelle: N24/Dirk Schommertz

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Die Politiker sind sich einig: Norddeutschland soll einen zusätzlichen Feiertag bekommen. Die Wirtschaftsverbände sind dagegen. Katholische Kirche, jüdische Gemeinden und Jusos haben jeweils ganz eigene Vorstellungen.

Zumindest Norddeutschlands Unternehmer leisteten in diesen ersten Tagen des neuen Jahres noch einmal Widerstand. Vehement zog zum Beispiel Christian Hinsch in den fast schon verlorenen Kampf.

Ein zusätzlicher Feiertag, so rechnete der Chef der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern beim traditionellen Neujahrsempfang seines Verbandes vor, bedeute eine Reduzierung des jährlichen Arbeitsvolumens um 0,5 Prozent bei gleichbleibendem Lohn. „Einfach so, für alle Beschäftigten.“ Das, befindet Hinsch, sei auch bei der aktuell guten wirtschaftlichen Lage nicht vertretbar. Gehaltserhöhungen, findet Hinsch, möge man lieber den Sozialpartnern überlassen und „nicht von oben herab beschließen“.

Auch Kollege Ulrich Wachholtz von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UVNord), ist der Meinung: „Für einen zusätzlichen Feiertag gibt es weder Grund noch Anlass.“ Dieser werde das ohnehin „wachsende Süd-Nord-Gefälle der Bundesländer in der Wirtschaftsleistung“ noch weiter vergrößern, sagte Wachholtz der WELT. Es gebe derzeit „dringendere Probleme und Herausforderungen, als die Diskussion über einen möglicherweise zusätzlichen Feiertag zu führen“, die Digitalisierung zum Beispiel oder den Facharbeitermangel, der durch den zusätzlichen Feiertag ja eher noch vergrößert werde.

Norddeutsche Wahlversprechen

Die Politiker im Norden werden diese Mahnungen nicht mehr umstimmen. Sowohl im großkoalitionär regierten Niedersachsen als auch im Jamaika-Land Schleswig-Holstein und in den rot-grünen Hansestädten Hamburg und Bremen haben sich die jeweiligen Regierungsbündnisse längst auf einen zusätzlichen Feiertag festgelegt. In Niedersachsen, wo SPD und CDU den Zusatzfeiertag im Landtagswahlkampf versprochen hatten, stehen beide Parteien mittlerweile sogar per Koalitionsvertrag im Wort.

Die Union in Schleswig-Holstein hat einen entsprechenden Parteitagsbeschluss gefasst. Und im rot-grün regierten Hamburg stimmten bei einer Abstimmung im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft bereits Vertreter sämtlicher Parteien für den Zusatzfeiertag.

Wichtigstes Argument aller Befürworter: Die ungleiche Verteilung der freien Tage zwischen Nord und Süd. Bayern zum Beispiel hat 13 allgemeine Feiertage, Baden-Württemberg zwölf. In Norddeutschland sind es dagegen bisher nur neun; nur in Mecklenburg-Vorpommern gibt es mit dem Reformationstag einen kleinen Feiertagsbonus.

Sogar bei der FDP, die den Plänen der anderen Parteien eher skeptisch gegenübersteht, bröckelt mittlerweile die Front. Auch die Liberalen wollen schließlich nicht andauernd als Spielverderber dastehen.

Der freidemokratische Kieler Wirtschaftsminister Bernd Buchholz verweist zwar noch tapfer auf den mangelnden wirtschaftlichen Nutzen einer solchen Entscheidung, hält den mit einem zusätzlichen Feiertag verbundenen Schaden aber mittlerweile für „verkraftbar“. Buchholz sagte auf Anfrage der WELT, eine Bedingung müsse allerdings erfüllt sein: „Wenn man sich einig wird, dann muss es ein Feiertag im Gleichklang mit den anderen Ländern werden.“

Davon ist man im Norden noch ein Stück entfernt. So einig sich die allermeisten Politiker darin sind, dass „die Zeit reif ist für einen zusätzlichen gemeinsamen Feiertag in Norddeutschland“, wie es als einer der ersten der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) formulierte, so schwer tut man sich mit dem Finden eines geeigneten Datums.

Reformationstag? 8. Mai? Kieler Matrosenaufstand?

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Schien es eine Zeit lang so, dass alles schnurstracks auf den von Bremen und Niedersachsen ins Auge gefassten Reformationstag zulief, mahnen die meisten Landespolitiker mittlerweile zur Geduld.

So hat der zuständige Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtags das Thema am Mittwoch vorerst vertagt; eine Abstimmung im Landtag wird es deshalb frühestens im Februar geben. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mag sich ebenfalls noch nicht festlegen. Persönlich sei er allerdings „für einen kirchlichen Feiertag“, sagte Günther der WELT. Sinnvoll sei auch, „eine gemeinsame norddeutsche Lösung“ zu suchen. Der dazu nötige „Abstimmungsprozess beginnt gerade erst“, sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD).

Weil hat sich bereits für den Reformationstag als zusätzlichen Feiertag ausgesprochen, sieht sich deshalb aber inzwischen sowohl konfessioneller als auch innerparteilicher Kritik ausgesetzt. Die Jusos, Jugendorganisation der Sozialdemokraten, wünschen sich einen säkularen Feiertag und haben den 8. Mai, also den Tag der Befreiung von der Nazi-Diktatur, in Spiel gebracht.

Der Bischof von Osnabrück, Franz-Josef Bode, könnte sich den Buß- und Bettag vorstellen. Man dürfe, sagte Katholik Bode, bei der Suche nach einem passenden Datum nicht „automatisch nur auf den Reformationstag gucken“.



Wesentlich härter ging der Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, mit den Feiertagsvorstellungen der Politik ins Gericht. Fürst hält Weils Vorschlag, den Reformationstag als zusätzlichen Feiertag zu benennen, für „nicht nur fehlerhaft, sondern untragbar“. Zur Begründung verwies Fürst in einem Brief an die Mitglieder des niedersächsischen Landtags auf die antisemitischen Ausfälle Martin Luthers.

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Auch in Kiel bleibt die Datumslage unübersichtlich. Dort schlägt zum Beispiel der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) den Tag der Landesverfassung, den 13. Juni, als neuen Feiertag vor. Auch die SPD setzte lange Zeit auf säkulare Anlässe wie den Kieler Matrosenaufstand.

Erst kurz vor Weihnachten änderte deren Parteichef Ralf Stegner den Kurs unter Verweis auf die Pläne in den anderen norddeutschen Bundesländern. Auch er plädiert mittlerweile für den Reformationstag als gemeinsamen norddeutschen Feiertag. Spätestens am 31. Oktober wird man wissen, ob es tatsächlich so kommt.

Zusätzlicher Feiertag kostet die Wirtschaft 10 Milliarden Euro

Vor 500 Jahren soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche geschlagen haben. Zum Jubiläum gab es in allen Bundesländern einen Feiertag. Auf Dauer wäre das ganz schön teuer.

Quelle: N24/Sebastian Plantholt

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