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DIE WELT

"Ein Staatsstreich des Parlaments"

Bonner Verfassungsrechtler Joseph Isensee lehnt Einbürgerung ab

Die geplante Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit bedeutet eine Geringschätzung des Grundgesetzes durch das Parlament, meint Joseph Isensee. Mit dem Bonner Staatsrechtslehrer sprach Martina Fietz.DIE WELT:

Welche verfassungsrechtlichen Probleme sind mit einer generellen doppelte Staatsbürgerschaft verbunden? Isensee: Die Problematik besteht darin, daß geplant wird, durch einfachen Gesetzesbeschluß des Parlaments das deutsche Volk umzudefinieren und auf einen Schlag drei Millionen Personen als Deutsche zu bestimmen, obwohl diese sich nicht zur Gemeinschaft des deutschen Volkes, sondern zu der eines anderen, im wesentlichen des türkischen bekennen. Eine solche obrigkeitliche Umdefinition durch das Parlament liegt außerhalb seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse. Die Staatsangehörigkeit in ihren wesentlichen Strukturen wird vom Grundgesetz garantiert und kann nur durch Verfassungsänderung aufgehoben und wesentlich umstrukturiert werden. DIE WELT: Konkret, worauf gründet Ihre Position? Isensee: Die Artikel 16 und 116 GG garantierten die Institution der Staatsangehörigkeit in ihren hergebrachten Strukturen. Sie verwehren eine solche Maßnahme. Daher ist eine autoritative Umdefinition des deutschen Volkes so etwas wie ein Staatsstreich durch das Parlament. Es ist schon erstaunlich, daß man Himmel und Hölle in Bewegung setzt, wenn es um geringfügige Einschränkungen des Grundrechts der Wohnungsfreiheit geht. Daß man die Verfassung völlig aus dem Blick läßt, wenn es um die Fundamente des Staates geht und damit die nationale Einheit planmäßig aufgesprengt wird und nationale Minderheiten hier geschaffen werden. Im übrigen: Die genannten Artikel haben ja auch die Bundesrepublik daran gehindert, eine separate DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen. Bemerkenswerterweise sind die politischen Gruppierungen, die die separate Staatsbürgerschaft der DDR vom Westen her akzeptieren wollten, jetzt diejenigen, die die Discountstaatsangehörigkeit im Doppelpack für die Türken befürworten. DIE WELT: Also eine Geringschätzung des Grundgesetzes? Isensee: Ja. Es hat in Artikel 16 diese Staatsangehörigkeit als etwas sehr Ernstzunehmendes vorausgesetzt. Es verwehrt deshalb ihren Verlust und ihren Entzug. Und natürlich akzeptiert es auch die voraussetzungslose Ausdehnung an Personen nicht, die an ihrer alten Staatsangehörigkeit festhalten und ihre nationale Identität in einer anderen Staatsangehörigkeit finden und sie in der deutschen überhaupt nicht suchen wollen. Die also damit nur die Vorteile wollen. Das Ergebnis der doppelten Staatsangehörigkeit wäre die Spaltung in ein Zwei-Klassen-Volk : die Nur-Deutschen und die Auch-Deutschen. Das bedeutet Verzicht auf Integrationspolitik. Eingliederung kann nur über die Integration auch in den nationalen Verband der Staatsangehörigen erreicht werden. Dafür sind Vorleistungen erforderlich. Darauf verzichtet man jetzt. Man muß sich nicht mehr anstrengen.DIE WELT: Es ist auch nicht geplant, daß Deutschkenntnisse nachgewiesen werden müssen? Isensee: Überhaupt nicht. Keine sozialen, keine kulturellen Vorleistungen , keine Annahme auch unserer gesamten Wertordnung. Eine solche Massenwohltat ist keineswegs ein Akt der Humanität, sondern ein Akt politischer Kalkulation, weil man sich eine entsprechende Wählerklientel erwartet. Das wird keineswegs Spannungen aufheben. Die externen Spannungen zwischen Deutschen und Ausländern werden nun in den Kreis der Deutschen hineingenommen. DIE WELT: Die Staatsbürgerschaft kann nicht mehr aberkannt werden... Isensee: ... sondern ist ein irreversibler Schritt. Damit werden im Grunde nationale Minderheiten importiert. Ein Problem, das die Deutschen bisher so gut wie nicht hatten . Künftig könnte es aber sein, daß sich Minderheitenparteien bilden, die von der Fünf-Prozent-Klausel freigestellt werden. Es werden also politische Sprengsätze geschaffen. Zugleich werden Rede- und Denkverbote aufgerichtet , und es wird mit moralischen Einschüchterungen gearbeitet, während es in Wahrheit um ein politisches Großmanöver geht, die wichtigste Frage seit der Wiedervereinigung aus der öffentlichen Diskussion herauszuhalten.

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