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Mein Goldmund – Laudatio von Cees Nooteboom

Rüdiger Safranski und Cees Nooteboom verbindet eine lange Freundschaft - "ein sich über Jahre erstreckendes Symposion bei Hefeweizen, Trester, Saumagen, Silvaner, sauren Kutteln, Käsespätzle." Nooteboom gesteht: Insgeheim nannte ich ihn Goldmund, wegen der natürlichen Eloquenz, mit der er Philosophie erklärt.

Bei jeder Rede gibt es ein Jetzt für den Redner und ein Jetzt für diejenigen, die seiner Rede später lauschen werden. Vom Jetzt des Redners weiß der spätere Zuhörer natürlich nichts, es sei denn, der Redner bestünde darauf, ihn und vor allem diesen einen Zuhörer, der der Anlass zu dieser Rede ist, an dem Jetzt teilhaben zu lassen, in dem er die Worte schrieb, die Sie jetzt hören. Dieses Jetzt sah so aus: ein Dachgeschoss im ältesten Teil der Amsterdamer Innenstadt, ein Haus aus der Zeit vor Schiller, E. T. A. Hoffmann, Schopenhauer, Nietzsche und Heidegger, eine Stadt, in der sowohl die Globalisierung als auch der Globalismus, über die unser heutiger Preisträger solch hellsichtige und fesselnde Analysen verfasst hat, in Gestalt der Vereinigten Ostindischen Companie, des ersten multinationalen Unternehmens der Welt, erstmals Form angenommen hatte.

Rings um den Computer des künftigen Redners, der jetzt verdächtig viel Ähnlichkeit mit mir aufzuweisen beginnt, türmt sich eine Mauer aus Büchern in zwei Sprachen. Auf der einen Seite die voluminösen Biografien mit ihren durch die Zeit geheiligten Namen aus der deutschen Geisteswelt, die aufgrund ihrer universalen Bedeutung zum Erbe der gesamten Menschheit gehören, auf der anderen die Themen, die die Menschheit genauso beschäftigen oder beschäftigen müssten und derer sich Rüdiger Safranski unter Einsatz seiner philosophischen und soziologischen Radiernadel ebenso eindringlich angenommen hat wie seiner Philosophen: die Wahrheit, das Böse und das Netz der Globalisierung, das sich über die Welt spannt und dessen Teil wir alle sind.

Auf den Umschlägen sieht man die Porträts der Meister, und mir fällt auf, dass nur einer mich anblickt. Heidegger sitzt, den Rücken mir zugewandt, auf einer Bank und zeigt mit seinem Stock in die Ferne. E.T.A. Hoffmann ist von der Seite gezeichnet, das Haar nach der Mode jener Tage frisiert, wodurch man den Eindruck hat, eine kräftige Brise habe ihn von hinten besprungen. Nietzsche ragt, in der niederländischen Ausgabe, mit dem Kopf nur knapp über den unteren Buchrand, als würde er von seinem martialischen Schnurrbart heruntergezogen. Schiller, hier am jüngsten wirkend, blickt über die Mauer der Zeit auf alles, was er noch schreiben, und vielleicht auch noch auf das, was Safranski in einem undenkbaren 21. Jahrhundert darüber sagen wird. Schopenhauer stützt den Kopf in die Rechte und sieht mich an, als befände er sich wirklich in meinem Zimmer, und das ist natürlich auch so. Er wurde von Rüdiger Safranski hereingeführt, ebenso wie die anderen.

Wie jeder von ihnen die Gesellschaft der Kollegen empfunden hätte, weiß ich nicht, doch bei meiner Neigung zur Fiktion reizt es mich, darüber zu fantasieren, was passiert, wenn ich mein Arbeitszimmer verlasse und diese fünf Herren darin über das Böse, die Wahrheit und die Probleme der Welt diskutieren, in der, wie Safranski sagt, alles unausweichlich mit allem verbunden ist. Da ich nun mal kein Philosoph bin, gestatte ich mir eine solch spielerische Fantasie, doch nur er selbst wäre imstande, dieses Fantasiegespräch seiner gelehrten Untersuchungsgegenstände, ausgehend von ihrer eigenen Denkwelt und in ihrem eigenen unverwechselbaren Idiom, niederzuschreiben, und der Himmel mag wissen, was dabei herauskäme.

Diejenigen, die mich gebeten haben, diese Laudatio zu halten, müssen gewusst haben, dass es eine sehr persönliche werden würde. Zum einen ist mein Abstraktionsvermögen begrenzt, und zum anderen ist unsere Freundschaft zu lang und zu intim, als dass ich ihre Geschichte übergehen könnte. Hier und da haben wir sie schon mal erzählt, doch dies scheint mir die Gelegenheit par excellence , sie auch einmal aufzuschreiben, was noch kompliziert genug ist, denn wie drückt man das aus, wenn man einander schon fast fünfzig Jahre kennt, der eine der beiden davon aber lange Zeit nichts gewusst hat? Das widerspricht jeder Logik, ich muss es also anders sagen. Er hat mich viel früher gekannt als ich ihn - so wäre es richtig ausgedrückt. Und obwohl es nicht Sinn und Zweck einer Laudatio ist, von sich selbst zu sprechen, kann ich die Geschichte unserer Freundschaft nicht anders erzählen als so:

Ich hatte 1954 ein Buch geschrieben, "Philip en de anderen". Da war ich gerade zwanzig, und das Buch wurde ein Erfolg. Ein deutscher Verleger kaufte es, und es erschien 1958 unter dem Titel "Das Paradies ist nebenan", einem Kernsatz aus dem Buch, in Deutschland; dieser romantische Titel war meinem Freund so ans Herz gewachsen, dass er die Rückkehr zum ursprünglichen Titel "Philip und die anderen", rund vierzig Jahre später, im Grunde bedauerte.

Die deutsche Ausgabe war kein Erfolg. Das Buch fand kaum Resonanz, verkaufte sich nicht und starb einen stillen deutschen Tod. Dass währenddessen in Rottweil ein junger Mann herumlief, der es gelesen hatte, wusste der Autor natürlich nicht, und eigentlich ist das nur gut, denn sonst wäre die Geschichte nicht so schön geworden.

Wir schreiben jetzt das Jahr 1987. Ich halte eine Lesung in Wolff's Bücherei, hier in Berlin. Natürlich bin ich nervös, Berlin ist eine mächtige Stadt, und im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung ist Deutsch für uns Niederländer nicht leicht. Mein früheres Selbst hat noch nicht genügend Erfahrung, um in dieser schwierigen fremden Sprache mit ihren vielen Fußangeln und Fallstricken, Kasusendungen, Umlauten und eigenartigen Pluralformen vorzulesen. Doch die Zuhörer sind aufmerksam, ruhig und nach dem Ende der Lesung freundlich, sogar so freundlich, dass die beiden Damen, die die Buchhandlung führen, auf mich zukommen und sagen, das war sehr gut, suchen Sie sich ein Buch aus. In so einem Augenblick schweift der Blick über die zu Tausenden aufgereihten Titel und bleibt an einem sichtbar aufgestellten Buch hängen, mit einem Porträt auf dem Umschlag, das man auch von weitem sofort erkennt: Schopenhauer. Darüber hinaus hat es einen stattlichen Umfang, und vielleicht müssen die beiden Damen deshalb lachen, als ich mich dafür entscheide. Das will ich jetzt wissen! "Warum lachen Sie jetzt? Weil der Holländer sich auf Anhieb das teuerste Buch ausgesucht hat?" - "Nein, wir lachen, weil der Autor dieses Buches hier bei Ihrer Lesung ist."

Ganz kurz durchzuckt mich der Wahnsinn des Unmöglichen: Schopenhauer?

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Doch der Autor heißt Safranski. Vielleicht ist er bereit, sein Buch für mich zu signieren? Er kommt, wir stehen uns leicht unbehaglich gegenüber, und er sagt, das tue ich gern, wenn Sie dieses Buch hier für mich signieren! Und er zaubert es aus seiner Jackentasche, meine vergriffene deutsche Ausgabe von 1958. Und dann kommen diese Sätze, die ebenso unerwartet wie wohltuend sind und den Beginn einer Freundschaft einläuten, die eine der wichtigsten in meinem Leben werden wird. Ich muss etwas gestottert haben wie: "Woher haben Sie dieses Buch, das gibt es schon lange nicht mehr", und er sagt: "Dieses Buch war bei uns auf der Schule der Geheimtipp. Ich habe es bis heute jedes Jahr einmal gelesen und" - ich habe die Erlaubnis, das zu erzählen - "es jedes Mal, wenn ich mich verliebt habe, auch der Betreffenden vorgelesen." Zur Beruhigung kann ich hinzufügen, dass es sich bei der einzigen, die ich um die Bestätigung dieser Geschichte bitten konnte, seit 1987 noch immer um dieselbe handelt.

Zwei Jahre später, im Schicksalsjahr der Mauer, wohnte ich in Berlin und damit, eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben, in Deutschland. Wenn Sie sich jetzt, möglicherweise zu Recht, fragen, was diese anekdotische Geschichte mit einer Laudatio zu tun hat, kann ich nur sagen: alles.

Was in jenen Jahren folgte, war eine endlose Gesprächsrunde, ein sich über Jahre erstreckendes Symposion bei Hefeweizen, Trester, Saumagen, Silvaner, sauren Kutteln, Käsespätzle, bei ihm zu Hause, in der Pfälzer Weinstube, bei seiner Mutter in Reichenbach, bei mir in der Goethestraße, in Amsterdam, auf Menorca - ein unaufhörlicher peripatetischer Streifzug durch Philosophie und Geschichte, ein Eintauchen in seine unvorstellbare Belesenheit, eine späte Lehrschule für einen Autodidakten, der in seinem Vaterland, in dem die Trennmauern zwischen Poesie und Paragraphendenken offenbar höher sind, nicht verwöhnt war durch den Umgang mit echten Philosophen und schon gar nicht mit einem wie diesem Mann, der zudem noch so über Proust sprechen konnte, dass es schien, als habe man diesen, allein durchs Zuhören, ganz neu und jetzt besser gelesen; jemand, der, wenn Genie und Inspiration über ihn kamen, ein Gedicht nach dem anderen von Gottfried Benn auswendig vortragen konnte, der aber vor allem auf die nie endenden Fragen über Jünger oder Carl Schmitt, über Hegel oder Leibniz oder Wittgenstein unermüdlich, als habe man eine ständig strömende Ader glasklaren Wissens angebohrt, Antwort gab, so dass der philosophische Laie, der ich bin, den Eindruck haben konnte, es dieses Mal wenigstens für die Dauer von zehn Minuten verstanden zu haben. Viele dieser Gespräche sind auf diese oder jene Weise in meine Bücher eingeflossen, vor allem in meine "Berliner Notizen" und in "Allerseelen", Bücher, die ich ohne unsere Begegnung nie so hätte schreiben können und vielleicht sogar nie geschrieben hätte.

Insgeheim nannte ich ihn Chrysostomos, Goldmund, wegen der natürlichen Eloquenz, mit der all diese Wissenschaft dargeboten wurde und die sich - und damit komme ich zum Kern meines Lobgesangs, weil es hier neben der Wissenschaft auch um Kunst geht - in seinem beeindruckenden OEuvre genau so wieder findet. Nicht weil sich das Gesprochene voll und ganz mit dem Geschriebenen deckt oder umgekehrt, sondern weil beide so unverfälscht ein und derselben Inspiration entspringen. Fast immer geht er gleich zu Beginn in medias res oder eröffnet mit einer frappierenden Aussage, an der man hängen bleibt, die einen sofort in die Geschichte hineinzieht und dann auch nicht mehr loslässt, eine fantastische Eigenschaft, die er mit einem Meistererzähler wie Cortázar gemein hat. Nie im Jargon oder einem jener sonderbaren akademischen Dialekte für Eingeweihte, aber auch keine Versimpelung oder Verdummung, stets von neuem die Essenz des Erzählens und Lehrens - klares Quellwasser für denjenigen, der Durst hat. Das Komplexe einfach darzustellen, ohne dass die Komplexität manipuliert und dadurch maskiert wird, ist die Gabe des natürlichen Lehrmeisters, und wenn ich das Wort natürlich nun schon mehrmals benutzt habe, so ist das kein Zufall.

Irgendwann einmal habe ich ihn in einer Anwandlung neidischer Fassungslosigkeit gefragt: "Aber wann hast du das bloß alles gelesen?" Die Antwort war bündig, ohne zu schmerzen: "Während du immerzu um die Welt gereist bist." Vielleicht war sie sogar etwas rhetorischer formuliert, um weniger streng zu klingen: "Während der ganzen Zeit, in der du im Buch der Welt gelesen hast."

Das haben wir inzwischen auch gemeinsam getan. Vor zwei Jahren machten wir eine Schiffsreise entlang der chilenischen Küste rund um Kap Hoorn bis nach Buenos Aires, bei der er mir Borges' ornithologischen Gottesbeweis erklärte und bei Windstärke zehn Gombrowicz' eigenartige Dramatik aus Transatlantik vortrug. Einige Jahre davor begleitete er mich auf einer Reise, die ich für Radio France Culture entlang dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela unternahm, wobei wir auch das Kartäuserkloster Aula Dei in der Nähe von Zaragoza besuchten. Einer der Mönche zeigte uns die Bibliothek, die etwas vernachlässigt aussah, als stammte die letzte philosophische Schrift, die hier Eingang gefunden hatte, aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Um dem Mönch klarzumachen, wem oder was unser Interesse galt, erzählte ich ihm, der Mann neben mir habe gerade eine Heidegger-Biographie geschrieben. Ob ich erwartet hatte, das würde den in eine weiße Kutte gehüllten Bibliothekar beeindrucken, weiß ich nicht, doch die Antwort kam aus dem Mittelalter wie ein Pfeil auf uns zugeschossen: Heidegger ist die Angst, wir sind die Hoffnung. Danach zeigte er uns seine Zelle - ein kahler Raum, ein schmales Bett, ein Altar mit einer Marienfigur, ein leerer Tisch mit einem Buch darauf, ein Stuhl, ein kleines Gärtchen und eine Luke, durch die von einem anderen Mönch die Mahlzeiten hineingeschoben werden, die ein Kartäuser meist allein einnimmt; an dieser Luke befindet sich ein Holzklotz, den er in drei verschiedene Positionen drehen kann: ein ganzes Brot, ein halbes Brot, kein Brot. Über die Hoffnung und die Angst haben wir nicht mehr gesprochen.

Eines der Privilegien einer Freundschaft besteht darin, wissen zu dürfen, woran der andere gerade arbeitet. Bei Fiktion ist das schwierig, weil man oft genug nicht weiß, in welche Richtung es gehen wird, und aus Aberglauben dann besser den Mund hält. Bei Safranski ist das anders. Er scheint so zielsicher zu wissen, wohin er geht, dass er ruhig darüber sprechen kann. Dann gleicht er einem Architekten, der einem den Bauplan eines außergewöhnlich großen Gebäudes zeigt. Dass er dabei für seine Untersuchungsgegenstände rührende Kosenamen benutzt - ich nenne nur das Duo Schopi und Heidi -, ist für den späteren Leser von "Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie" und von "Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit" vielleicht etwas verwirrend, deutet aber auch auf einen äußerst intimen Umgang mit denjenigen, über die er schreibt. Die Identifizierung mit diesen so unterschiedlichen Philosophen während der Arbeit an einem Buch hat für den Zuhörer und späteren Leser etwas Geheimnisvolles, vielleicht darf ich das Wort medial verwenden. Zauberei, könnte man auch sagen, aber das klingt nicht so wissenschaftlich.

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Dennoch entsteht, ohne dass er von der Rolle des Biografen und zugleich Exegeten abrückt, auf irgendeine Weise ein metamorphes Phänomen: der Denker, der die Gedanken des anderen, ohne sie zu denken, so formuliert, dass derjenige, der sie liest, das Gefühl hat, nicht noch näher herankommen zu können. Für jemanden, der in einer völlig anderen Disziplin zu Hause ist, ist es faszinierend zu sehen, wie Safranskis Bücher entstehen: lange Zeiten - ich hoffe, ich darf das alles ausplaudern -, in denen er sich wie ein Maulwurf vergräbt, nahezu das gesamte Werk desjenigen um sich, um den es geht, und dazu noch alles, was an Kommentaren und Sekundärliteratur zu diesem Werk verfasst worden ist. Ein Teil des großen Erfolges seiner Bücher auch außerhalb Deutschlands verdankt sich der Tatsache, dass sie ein trotz seiner universalen Bedeutung so deutsches Phänomen wie Heidegger oder Schiller auf eine völlig neue Weise zugänglich gemacht haben. Durch das so persönliche und auch rührende Porträt Schillers sehen wir endlich einen anderen Goethe als die marmorne Büste, die uns so oft vorgehalten wird, während wir, weil es aus einer fast körperlichen Nähe heraus um Menschen und ihr bewegtes Leben geht, auch die revolutionären Entwicklungen des deutschen Idealismus plötzlich als unmittelbare, lebendige Geschichte erkennen können, die bis in unsere eigene Zeit fortwirkt. Dadurch und durch die vielen Übersetzungen seiner Werke, die in Frankreich, Spanien, Amerika und vielen anderen Ländern erschienen sind, ist er eine wichtige Stimme im internationalen Diskurs über die brennenden Fragen unserer Zeit. Das "Philosophische Quartett" wird auch in den Niederlanden von vielen gesehen und verfolgt, und in all dem, seien es Biografien, Essays, Stellungnahmen oder Fernsehdebatten, klingt die Erfahrung seines jahrelangen Lesens und Schreibens mit. Es ist eine Stimme, die ich in meinem Leben nicht hätte missen wollen, weil er die Dinge mit einer Schärfe sagt und erzählt, die in verwirrenden Zeiten wohltuend wirkt. Dass ich nicht der einzige bin, dem dies ein Bedürfnis ist, beweisen der Erfolg seiner Bücher sowie die Preise und Ehrungen, für die schon ein ganzer Lorbeerbaum leergepflückt worden ist.

Lieber Rüdiger, auf der letzten Seite deiner Heidegger-Biographie zitierst du den letzten Satz, den dieser geschrieben hat: "Denn es bedarf der Besinnung, ob und wie im Zeitalter der technisierten gleichförmigen Weltzivilisation noch Heimat sein kann."

Vor Worten wie Heimat hast Du nie Angst gehabt, und sei es nur, weil sie bei Dir etwas anderes bedeuten als bei manch anderen. Die Besinnung, von der der Philosoph aus Meßkirch spricht, ist das, dem Du Dich schon Dein ganzes Leben lang widmest und woran Du uns, Deine Leser und Freunde, auf so mitreißende Weise hast teilhaben lassen. Für den Optimisten, der Du bist, geht es hierum: Dass wir inmitten der Turbulenz einer zerfasernden, explosiven Welt bei uns selbst ein geistiges Zuhause finden, das zumindest von Zeit zu Zeit vom seltenen Licht der Transzendenz beschienen wird, mag es nun von Musik, Poesie oder anderen Formen der Kunst oder des Denkens entzündet werden. Das suchst Du nicht nur für Dich selbst, sondern auch für uns, die Deine Bücher lesen. Für mich ist, auch das möchte ich sagen, aus dem, was Du geschrieben hast, ein ganz neues Bild von diesem Land entstanden.

Dein nächstes Buch wird sich mit der deutschen Romantik befassen, und es wird, wie könnte es anders sein, ein Werk der Analyse und der Besinnung über eine Periode des Lichts und des Dunkels sein, die für die deutsche und damit die europäische Geschichte von so unendlicher Bedeutung war. Lass es mich, zum Schluss, ganz simpel sagen: Ich kann es kaum erwarten!

A. d. Niederländ. v. Helga von Beuningen

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