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Suhrkamps Villa zur Macht

Literarischer Korrespondent

Im Anfang war die Villa. Im schier endlosen Streit um den Suhrkamp Verlag markiert das private Anwesen der Verlegerin Ulla Berkéwicz eine Schwelle. Bis dahin hatte die Öffentlichkeit von den Auseinandersetzungen der Gesellschafter eher am Rande Notiz genommen. Das überraschende Urteil des Landgerichts Berlin änderte im Dezember 2012 alles. Es umfasste die Abberufung Berkéwiczs als Geschäftsführerin und große Schadensersatzzahlungen an Hans Barlach. Eine Machtübernahme des lange ignorierten (und unterschätzten) Minderheitsgesellschafters war in die Nähe gerückt. Und zugleich hatte der sehr abstrakte Streit ein konkretes Symbol erhalten: Die unmäßige Prachtentfaltung der Verlegerwitwe in Nikolassee, finanziert, so hatte es das Gericht damals gesehen, durch eine unzulässige Vermischung von Verlags- und Privatfinanzen. In der Villa manifestierte sich die von Barlach angeprangerte Untragbarkeit der Suhrkamp-Führung.

Im juristischen Gesamtkomplex wurde diese Ebene rasch überlagert: zunächst durch den Rechtsstreit zwischen Barlachs Medienholding und Berkéwiczs Familienstiftung, und dann durch das absurde Hin und Her um die wirtschaftliche Situation des Verlags. Die bewusst herbeigeführte Insolvenz führte auf unternehmensrechtliches Neuland und spaltet bis heute die Experten. Nachdem die per Insolvenzrecht betriebene Umwandlung des Verlags von einer GmbH und Co. KG in eine Aktiengesellschaft bereits vollzogen schien, hat zuletzt ein Urteil des Bundesgerichtshof die Karten noch einmal neu gemischt – zugunsten von Hans Barlach, der sich in einer AG krass benachteiligt sieht.

Die Villa geriet fast in Vergessenheit. Doch jetzt hat das Kammergericht Berlin das Urteil vom Dezember 2012 aufgehoben und Barlachs Ansprüche abgewiesen. Ulla Berkéwicz kann sich in ihrer konsequenten Haltung bestätigt fühlen. Ohne das damalige Urteil wäre Barlach womöglich gar nicht so weit gegangen. Ganz viel Lärm also um nichts? In der viel entscheidenderen Frage nach der Rechtmäßigkeit des Insolvenzverfahrens bedeutet das neueste Urteil wenig – mal abgesehen von den Folgen für die finanziellen Ressourcen der beiden Parteien.

Das Haus Suhrkamp leidet also trotz dieses Sieges weiter. Die Hängepartie blockiert dringende Weichenstellungen: zuallererst diejenige über ein endgültiges Domizil. Immer noch haust der Verlag in seinem Provisorium in der Pappelallee, unwürdig angesichts seiner geistigen Bedeutung und auch peinlich, verglichen mit dem auratischen Status des inzwischen abgerissenen Verlagshauses in der Frankfurter Lindenstraße. Längst sind die Planungen fortgeschritten, Verträge unterschriftsreif. Der Verlag arbeitet, funktioniert, er modernisiert und digitalisiert sich. Man spricht inzwischen wieder vor allem über seine Bücher. Aber mit voller Kraft in die Zukunft aufbrechen – das kann Suhrkamp erst, wenn aller Streit ein Ende hat.

feuilleton@welt.de

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