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Da verwandelten sie das Wasser

Chefkorrespondent Wissenschaft
Es ist ein Projekt von biblischen Dimensionen. Kapstadt versucht einer Dürre mit Entsalzungstechnik Herr zu werden – um ein Drama zu verhindern

Südafrika leidet derzeit unter einer extremen Dürreperiode. Ungewöhnlich lange hat es nicht mehr geregnet und die Trinkwasservorräte gehen absehbar zur Neige. Wenn jetzt kein Wunder mehr geschieht, muss die Wasserversorgung in Kapstadt Mitte Mai 2018 abgestellt werden. Der Tag, an dem dies geschehen wird, hat bereits einen Namen: „Day Zero“. Für die Bevölkerung wird es von da an Trinkwasser nur noch aus Tankwagen an festgelegten Ausgabestellen geben. Ende offen.

Eine derart dramatische Zuspitzung hatte die südafrikanische Regierung offenbar nicht für möglich gehalten. Sonst hätte sie wohl rechtzeitig für den Bau einer ausreichend großen Meerwasserentsalzungsanlage in der Kap-Region gesorgt. Zwar gibt es in dem Land Anlagen zur Trinkwassergewinnung aus dem Meer. Doch deren Produktion wird jeweils vor Ort benötigt. Die größte Meerwasserentsalzungsanlage Südafrikas befindet sich in Mossel Bay und kann maximal zehn Millionen Liter pro Tag liefern.

Auch in Israel, einem Land mit aridem Klima und nur einem Fluss, dem Jordan, war Trinkwasser noch vor zehn Jahren ein sehr knappes Gut. Es kam zu Engpässen und im Fernsehen wurde die Bevölkerung zum Wassersparen aufgerufen. Diese Zeiten sind vorbei. Moderne Anlagen verwandeln salzhaltiges Meerwasser in ausreichend viel Trinkwasser. Allein in Hadera werden täglich 350 Millionen Liter produziert. In Israel kommen heute rund 75 Prozent des Leitungswassers aus dem Meer. In wenigen Jahren sollen es sogar 100 Prozent sein. In Anspielung auf die biblische Geschichte – die Wandlung von Wasser in Wein – wird Israel heute von manchen als „Wasserwunderland“ bezeichnet.

Auch an den Küsten der von Wüsten geprägten Golfregion wurden zahlreiche Meerwasserentsalzungsanlagen gebaut, um den dort sehr großen Bedarf an Wasser sicherzustellen. Die derzeit weltgrößte Anlage zur Entsalzung von Meerwasser befindet sich in Dubai. Der Dschabal-Ali-Komplex produziert dort täglich zwei Milliarden Liter Trinkwasser. Insgesamt gewinnen die Golfstaaten täglich rund 20 Milliarden Liter Trinkwasser aus dem Meer.

Der Klimawandel dürfte den Bedarf für Meerwasserentsalzungsanlagen weltweit erhöhen – insbesondere in den heute schon trockenen Regionen. In Kalifornien ging Ende 2015 eine Anlage bei San Diego in Betrieb, die 200 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag produzieren kann. Die größte Entsalzungsanlage Australiens (Victorian Desalination Plant) arbeitet seit 2012 bei Melbourne und liefert 450 Millionen Liter pro Tag. Damit kann ein Drittel des Bedarfs der Metropole gedeckt werden.

Das World Resources Institute sieht in den kommenden Jahrzehnten eine weltweit wachsende Wasserknappheit voraus. Zumindest für küstennahe Regionen steht mit der Meerwasserentsalzung eine bewährte Technik bereit. Um sie zu nutzen, braucht man „nur“ Geld und Energie. Aktien von Unternehmen, die entsprechende Technologien und ganze Anlagen weltweit anbieten und installieren, werden durchaus nachvollziehbar von manchem Anlageberater empfohlen.

Meerwasserentsalzungsanlage ist nicht gleich Meerwasserentsalzungsanlage. Es gibt verschiedene Technologien, die unterschiedlich effizient sind. Die einfachste, aber energieintensivste Methode besteht darin, das Salzwasser schlicht zu verdampfen und anschließend den salzfreien Dampf an kühleren Flächen zu kondensieren. Die Anlage Dschabal Ali arbeitet hauptsächlich nach diesem Prinzip. Solche Entsalzungsanlagen benötigen eigene Großkraftwerke, die in der Regel durch Verbrennen von Öl oder Gas die benötigte Hitze erzeugen.

In der Golfregion stehen fossile Brennstoffe zwar reichlich zur Verfügung. Doch diese Form der Produktion von Trinkwasser ist mit einem entsprechenden Ausstoß von Kohlendioxid in die Atmosphäre verbunden. Damit wird tendenziell der Klimawandel und dadurch wieder die Wasserknappheit in bestimmten Regionen vergrößert – nicht zuletzt in den Golfstaaten selber.

Meerwasserentsalzungsanlagen, die nach dem Prinzip der sogenannten Umkehrosmose arbeiten, sind zwar technisch anspruchsvoller, benötigen aber deutlich weniger Energie. Die modernen Anlagen in Hadera, Melbourne und San Diego werden allesamt nach dem Prinzip der Umkehrosmose betrieben.

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Bereits in der Antike soll die Methode zumindest im Grundsatz bekannt gewesen sein. Jedenfalls berichtet der Philosoph Aristoteles von einem Tongefäß, das mit einer Membran aus Harz verschlossen wurde. Es soll an einem Faden 500 Meter tief im Meer versenkt und tags darauf wieder an die Oberfläche geholt worden sein. Und siehe da: Es befand sich Süßwasser darin.

Bei Entsalzungszellen mit Umkehrosmose gibt es zwei mit Flüssigkeit gefüllte Bereiche, die voneinander durch eine halbdurchlässige (semipermeable) Membran getrennt sind. Die eine Seite ist mit salzhaltigem Meerwasser gefüllt, die andere praktisch salzfrei. Wird auf der Meerwasserseite ein Druck erzeugt, so wird Wasser durch die Membran gedrückt. Zugleich verhindert der hohe Druck, dass es bei den gelösten Salzen zu einem Ausgleich der Konzentrationen kommt. Das Salz bleibt also weitgehend auf der Meerwasserseite. In Meerwasserentsalzungsanlagen arbeiten viele solcher Zellen parallel.

Die Membranen bestehen aus sehr festen und extrem druckbeständigen Kunststoffen, die Poren von einer bestimmten Größe haben. Das Meerwasser muss, damit die Sache funktioniert, mit sehr hohen Drücken von bis zu 80 Bar durch die Hightech-Polymer-Membranen gedrückt werden. Zum Erzeugen dieser Drücke benötigt man keine Hitze, sondern elektrische Energie. Das bedeutet, dass sich Meerwasserentsalzungsanlagen, die mit diesem Verfahren arbeiten, grundsätzlich auch mit Solar- oder Windenergie und damit klimaneutral betreiben lassen.

Auch wenn das Meerwasser vor seiner Entsalzung weitgehend gereinigt wird, verstopfen die Membranen meist recht schnell. Zudem werden diese von Mikroorganismen besiedelt. Die Membranen müssen also regelmäßig gewechselt werden, was neben dem hohen Energiebedarf für den Betrieb ein weiterer Kostenfaktor ist.

Mit dem Wasser saugen die Entsalzungsanlagen auch Meerestiere an, die in den Reinigungsstufen verenden. Ob dies einen Einfluss auf die maritime Umwelt hat, ist kaum erforscht. Zudem wird aus der Anlage hoch konzentrierte Salzbrühe ins Meer geleitet. An diesen Problemen wird auch die Entwicklung besserer Membranen nichts ändern. Technische Innovationen werden jedoch eine preiswertere Produktion von Trinkwasser ermöglichen, weil sie den Energieverbrauch senken.

Die Supermembran der Zukunft könnte aus dem Material Graphen bestehen. Das ist eine ultradünne Schicht, die lediglich aus einer einzigen Lage Kohlenstoffatomen besteht. Graphen ist extrem stabil und könnte die hohen Drücke in den Umkehrosmosezellen problemlos aushalten. Diese Membranen würden insbesondere eine deutlich größere Fließgeschwindigkeit des Wassers ermöglichen, weil sie vergleichsweise wenig Widerstand verursachen. In Experimenten ist es Forschern auch schon geglückt, in der Graphenfläche winzige Löcher mit der geforderten Porengröße zu erzeugen.

Amerikanische Wissenschaftler am Oak Ridge Laboratory in Tennessee haben mit einer solchen Graphenfolie bereits erfolgreich Wasser entsalzen können – allerdings nur im Labormaßstab. Bevor eine solche Technik Anwendungsreife erreicht, werden noch viele Jahre vergehen. Angesichts einer wachsenden Bedeutung der Trinkwassergewinnung aus dem Meer dürften sich diese Forschungs- und Entwicklungsarbeiten lohnen. Der US-Konzern Lockheed Martin hat jedenfalls schon ein Patent auf einen Wasserfilter mit Graphenmembran angemeldet.

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Auch durch Optimieren der Reinigungsstufen für das Meerwasser lässt sich die Effizienz einer Entsalzungsanlage steigern. In erster Linie geht es darum, winzige Algen herauszufiltern, damit die Membranen nicht allzu schnell verstopfen. Vielleicht gelingt es auch noch, ein Verfahren zu entwickeln, das Fische unbeschadet wieder ins Meer zurückleitet.

Bei der Verbesserung der Reinigung hatte ein Unternehmen aus Berlin vor einigen Jahren einen wichtigen Fortschritt erzielt. Matan Beery, damals Student an der Technischen Universität Berlin, hatte die Idee, ein Verfahren zu nutzen, das Karpfenzüchter anwenden, um die Fischbecken frei von Algen zu halten. Mit Pumpen werden dabei kleine Luftblasen erzeugt, an die sich aufgrund elektrostatischer Kräfte die Algen anlagern. Diese Idee führte zur Gründung eines Start-ups und schließlich einem erfolgreichen Produkt, das zwar in der Anschaffung nicht preiswerter ist, aber im Betrieb rund 20 Prozent Kosten spart. Auch im Berliner Aquadom sorgt eine solche Anlage für sauberes Wasser.

An der University of Texas haben Wissenschaftler unterdessen kleine Chips entwickelt, die Wasser mit wenig Energieaufwand entsalzen können. Allerdings müsste man für praxistaugliche Anlagen viele Millionen solcher Chips zusammenschalten. Doch das könnte durchaus die Zukunft der Meerwasserentsalzung sein.

Die Bedeutung der Gewinnung von Trinkwasser aus dem Meer hatte bereits Anfang der 60er-Jahre der damalige US-Präsident John F. Kennedy erkannt: „Wenn wir jemals Süßwasser preiswert aus Salzwasser herstellen können, wird dies alle anderen wissenschaftlichen Errungenschaften in den Schatten stellen.“

Um dem großen Ziel näher zu kommen, stellte er Forschern 75 Millionen Dollar zur Verfügung. Wenn da nicht das Wort „preiswert“ in dem Kennedy-Zitat wäre, könnte man sagen, der große Traum sei bereits wahr geworden. Doch obwohl heute Meerwasserentsalzungsanlagen im Routinebetrieb arbeiten und Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgen, ist es noch immer die teuerste Möglichkeit zur Gewinnung von Trinkwasser. Man setzt sie eigentlich nur dann ein, wenn es keine Alternativen gibt.

In einer solchen Situation befindet sich im Moment die Region um Kapstadt. Ende 2017 hat man angesichts der sich abzeichnenden Notlage drei Notfallanlagen zur Meerwasserentsalzung beim Hersteller Veolia bestellt. Zwei Anlagen sollen in diesem Monat in Betrieb gehen, in Strandfontein und Monwabisi. Sie werden aber nur je zwei Millionen Liter pro Tag liefern können und haben eine Lebensdauer von maximal zwei Jahren. Die Produktionskosten für einen Kubikmeter Wasser sollen bei rund 2,50 Euro liegen. Eine dauerhafte Lösung des Trinkwasserproblems am Kap ist das noch nicht.

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