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"Ich bin eben ein echter Fan"

Großer Staatsmann, großer Fußballanhänger: Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger über seine Liebe zu Bundesliga-Aufsteiger SpVgg. Greuther Fürth

In der 50. Saison hat es einer der traditionsreichsten deutschen Fußballklubs erstmals geschafft, sich für die Bundesliga zu qualifizieren. Der dreimalige Deutsche Meister, die SpVgg Greuther Fürth, ist erstklassig und machte damit einen Mann besonders glücklich: Henry Kissinger. Der ehemalige Außenminister der USA wurde 1923 in Fürth geboren und besuchte als Junge oft die Spiele des damaligen Spitzenklubs. 1938 flüchtete die jüdische Familie in die USA, wo Kissinger zwar das Fußballspielen aufgab, seinen Verein aber weiter im Herzen trug. Zum Auftaktspiel gegen die Bayern konnte der 89-Jährige nicht anreisen, er plant aber einen Besuch am dritten Spieltag gegen Schalke 04. Noch mehr reizt ihn natürlich das fränkische Derby gegen den 1. FC Nürnberg, zu dessen Anhängern Claus Strunz zählt, der mit Kissinger sprach.

Welt am Sonntag:

Auch wenn es schwerfällt: Glückwunsch zum Aufstieg Ihrer Fürther!

Henry Kissinger:

Danke, aus Nürnberg höre ich das natürlich besonders gern.

Sie kennen doch sicher den wichtigsten Nürnberger Satz ...

Nein. Welchen?

Lieber Fünfter als Fürther.

Der ist wirklich gut. Ich habe übrigens dem Fürther Bürgermeister geschrieben: Meine Minimal-Hoffnung ist, dass die SpVgg die beiden Spiele gegen Nürnberg gewinnt.

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Das glauben Sie doch nicht im Ernst: Die sechs Punkte aus den Derbys sind schon fest eingeplant. Das werden ganz besonders schöne Momente.

Wann ist das erste Spiel?

Ende November. Wie viele Derbys haben Sie denn live miterlebt?

Ich ging oft da hin. Schon als kleiner Junge.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Spiele, die Sie besuchten?

Es war begeisternd, aufwühlend, und es war gefährlich für mich als Jude.

Nach Nürnberg zu gehen?

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Überall auf öffentlichen Plätzen. Juden waren in dieser Zeit bei öffentlichen Veranstaltungen unerwünscht.

Wie hat sich das bemerkbar gemacht?

Das stand an vielen Wänden. Aber ich habe mich nicht abhalten lassen, ich wollte einfach Fußball sehen.

In dieser Zeit muss das Foto entstanden sein, das Sie als Schüler zeigt. Waren Sie da noch Torwart oder schon Stürmer?

Torwart, bis ich mir die rechte Hand gebrochen habe. Danach spielte ich erst Mittelläufer, später halbrechts.

Waren Sie gut?

Ich war vor allem begeistert bei der Sache.

Hatten Sie nie im Kopf: Aus mir hätte auch ein großer Spieler werden können?

Nein, dazu spielte ich zu mittelmäßig.

Die Leidenschaft für die SpVgg Fürth hat Sie Ihr ganzes Leben lang begleitet. Ob Vietnamfrieden, Sicherheitskonferenzen oder Meetings mit dem Präsidenten - die Ergebnisse wurden Ihnen immer reingereicht?

Ja, bis heute. Ich habe mich immer dafür interessiert - auch als mein Team in der Dritten Liga war. Das kennen doch alle Fußballfans. Es lässt dich einfach nicht los.

Dann müssen Sie mir jetzt wirklich erklären, wie Sie es fertiggebracht haben, als Fürther auch Mitglied beim 1.FC Nürnberg zu werden? Das ist doch Landesverrat!

Nein, im Gegenteil.

Eine Art diplomatischer Akt des erfahrenen Diplomaten. Ausgleich statt Konfrontation?

Erst einmal - Fußball ist für mich Spaß und hat nichts mit Politik zu tun. Ich bin beim Club in der Zeit Mitglied geworden, als Fürth in der Dritten Liga spielte. Und dazu stehe ich bis heute: Wenn nur der 1.FC Nürnberg in der Ersten Liga spielt, drücke ich als Franke in der Ferne auch ihm die Daumen. Sobald Fürth - wie jetzt - oben ist, ist das natürlich anders. Jedenfalls wenn die beiden Teams aufeinander treffen.

Spieler aus Nürnberg und Fürth stellten 1924, ein Jahr nach Ihrer Geburt, einmal die komplette Nationalmannschaft. Da war Franken ganz oben. Glauben Sie, dass das noch einmal so werden kann?

Und bitte nicht vergessen: Fürth war dreimal Deutscher Meister in dieser Zeit, Nürnberg fünfmal. Aber ich glaube, die Zeiten sind ein für allemal vorbei. Das ist heute für kleine Vereine nicht mehr möglich.

Nachdem Sie - quasi in letzter Minute - mit Ihrem Bruder und Ihren Eltern auf der Flucht vor den Nazis in die Vereinigten Staaten ausgewandert waren, blieb vom Fußball in Fürth nur noch die Erinnerung. Haben Sie nie mehr selbst gespielt?

Ich wollte Fußball spielen, aber es fehlte mir einfach die Zeit. Tagsüber habe ich gearbeitet und abends dann studiert. Später in Harvard gab es auch keine richtige Möglichkeit mehr.

Sie haben einmal geschrieben, dass man an der Spielweise eines Landes viel über das Land selbst lernen kann. Gilt das auch für Franken und die beiden Fußballklubs?

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber eines kann man über die Fürther schon sagen: Als ich ein Kind war, waren die Zuschauer im Stadion sehr leidenschaftlich. Ich war einmal im Ronhof und habe ein Spiel gegen den VfB Stuttgart gesehen. Fürth war Favorit, verlor aber. Danach musste die Polizei für Ruhe sorgen. Nach dem Krieg, ich glaube, es war 46 oder 47, kam ich zurück nach Fürth, um ein Spiel zu sehen. Und Fürth verlor - es begannen Schlägereien. Weil die deutschen Polizisten keine Waffen tragen durften, musste die amerikanische Militärpolizei eingreifen. Da rief ein Mann hinter mir: ,Das ist also die Demokratie, die ihr uns bringt.' Also doch ein bisschen Politik. Meistens geht es aber ja zum Glück friedlich zu.

Sie erzählen das so, als ob es gestern gewesen wäre.

Ich bin eben ein echter Fan, ich genieße Fußball. Fußball ist ein Teil meines Lebens.

Wie werden Sie sich künftig über die Fürther Bundesliga-Ergebnisse informieren?

Im Internet, in Real Time. Samstagmorgens um elf meiner Zeit klicke ich mich dann rein.

Werden Sie zum Derby nach Franken anreisen?

Ich wollte unbedingt zu einem der ersten drei Heimspiele im Ronhof. Aber das Derby wäre natürlich auch etwas ...

Die Einladung steht. Die Schals haben wir ja schon.

Mal sehen. Es muss aber in Fürth sein.

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