Ein junger Wahlkampfkoordinator der Hamburger Grünen wird beschuldigt, zur Bürgerschaftswahl Dutzende Briefwahlunterlagen gefälscht zu haben. Dreieinhalb Jahre nach der Wahl hat die Staatsanwaltschaft Strafbefehlsantrag gegen einen heute 24-Jährigen gestellt. Der Vorwurf lautet unter anderem auf Wahl- und Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr Haft auf Bewährung, wie ein Gerichtssprecher erklärte.
Der junge Mann soll Bekannte angestiftet haben
Der damals 20-Jährige soll zahlreiche Bekannte angestiftet haben, ihm ihre Briefwahlunterlagen unausgefüllt zu überlassen. Er selbst soll dann das Kreuz mutmaßlich bei einem grünen Kandidaten gemacht und auch die Unterschrift des Wahlberechtigten gefälscht haben. In anderen Fällen soll er Wähler angeleitet haben, wie sie die Unterlagen ausfüllen sollten. Laut des Gerichtssprechers soll es die Staatsanwaltschaft als erwiesen ansehen, dass 30 Briefwahldokumente auf diese Weise gefälscht wurden.
Nach der Wahl Mitte Februar 2015, die in einer rot-grünen Koalition mündete, waren insgesamt zehn Wahleinsprüche eingegangen. Während die meisten als unbegründet abgewiesen wurden, hatte es Einspruch 07/15 in sich. Darin wurde ausgeführt, dass es Unregelmäßigkeiten bei den Briefwahlstimmen für den Bürgerschaftskandidaten Vahan Balayan (CDU) und den Grünen Politiker Murat Gözay gegeben habe – letzterer schaffte den Sprung ins Parlament. Beide Politiker sollen übermäßig viele Briefwahlstimmen in Billstedt erhalten haben – möglicherweise, weil Stimmzettel von einer einzelnen Person oder einer kleinen Gruppe von Personen ausgefüllt wurden, so der Verdacht der Macher der Webseite wahlrecht.de, die eigenen Angaben zufolge den Landeswahlleiter informierten.
Handelte der Täter nur aus eigenem Antrieb?
Ende Mai 2015 sollen die Fälle wegen des Verdachts einer Wahlstraftat an die Polizei abgegeben worden sein. Wie WELT erfuhr, liefen die Ermittlungen zunächst gegen Unbekannt. Ab 2016 allerdings soll sich der Fokus der Ermittlungen bereits auf den jungen Wahlkampfhelfer gerichtet haben. Ob er aus eigenem Antrieb handelte oder im Auftrag eines Kandidaten ist bislang nicht bekannt.
Am Montag wurde der Verteidiger des Beschuldigten über den Antrag informiert, den ein Richter des Amtsgerichts St. Georg muss den Strafbefehlantrag der Staatsanwaltschaft jetzt prüfen muss: Besteht zum einen ein hinreichender Tatverdacht? Und darf der Fall auf dem Strafbefehlswege erledigt werden? Dies dürfte laut Gericht mehrere Wochen dauern. Da der Beschuldigte zur Tatzeit noch Heranwachsender war, wird das Verfahren in der Jugendabteilung bearbeitet.