(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Thailand: Tanz-Yoga und Soja-Keks – macht das glücklich? - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Fernreisen
  4. Thailand: Tanz-Yoga und Soja-Keks – macht das glücklich?

Fernreisen Thailand

Tanz-Yoga und Soja-Keks – macht das glücklich?

Das „Kamalaya Retreat“ auf Koh Samui soll im Eilverfahren Linderung aller Probleme bringen. Unsere Autorin hat das Angebot des thailändischen Resorts getestet – mit einer überraschenden Erkenntnis.

Probleme im Job? Stress in der Beziehung? Streit in der Familie? Unzufrieden mit der Figur? Wie schön wäre es, wenn man einfach die Augen schließen, irgendein Mantra summen, an etwas Schönes denken könnte, und die Probleme wären wie weggeblasen! Nur noch Friede, Freude, Eierkuchen – oder Soja-Keks, falls es lieber vegan sein soll.

Es gibt einen Ort auf dieser Welt, an dem das möglich sein soll. Tatsächlich sorgt bereits der Blick über tropisch grüne Hügel und lange Strände für den Gedanken, dass Probleme auf der Insel Koh Samui schon angesichts der Schönheit der Landschaft keine Chance haben.

Hier, eine Flugstunde von Bangkok entfernt, sollen sie walten, die besonderen Kräfte. Energien, die weit gereisten Sinnsuchern quasi im Eilverfahren Linderung aller echten und eingebildeten Wehwehchen bringen. Klingt spannend und deswegen habe ich sieben Tage vor mir, an denen ich herausfinden will, welche Geheimrezepte das „Kamalaya Retreat“ an der Südspitze von Koh Samui für mich bereithält.

Zunächst sieht alles aus, wie man es von einem Wellness-Hotel nach einer 24-stündigen Anreise nicht anders erwartet. Freundliche Thailänderinnen reichen feuchte Tücher und nehmen die Daten auf. Für rund 200 Dollar die Nacht kann man hier in der Vorsaison im Doppelzimmer übernachten. Essen, Anwendungen und Sessions bei den verschiedenen Heilern kommen obendrauf.

Alles hängt mit allem zusammen

Gleich beim Eintritt ins Paradies muss ich mich entscheiden, was die nächsten Tage auf den Teller kommt. Vegetarisch, also „nur“ fleischlos, oder vegan, auch ohne Eier und Joghurt, oder sogar Detox, das reinigt den Körper und bedeutet wenig bis gar nichts zwischen den Zähnen. Aber wenn Entgiftung der Problemlösung dient, bitte schön, da lasse ich mich doch gern mal überraschen.

Das „Spa-Menue“ erinnert eher an ein „normales“ Hotel: Thai-Massage, Ayurveda-Stirnguss oder „schwedisch“ – dafür hätte ich auch an die Ostsee nach Heiligendamm fahren können.

Doch am ersten Abend wird klar, was gemeint ist, wenn von einem holistischen, also ganzheitlichen Ansatz die Rede ist. Alles hängt mit allem zusammen – so könnte man das Ganze wohl umschreiben. Praktische Einführung in diese Lebensweise gibt es jeden Abend vor dem Essen.

Am ersten Tag ist Miho dran. Die zarte, fast zerbrechliche Japanerin stellt uns ihre Heilmethode mithilfe von Halbedelsteinen und Pendeln vor. Ihre langen schwarze Haare umrahmen ein altersloses Gesicht. Ich schätze sie auf Anfang 50, später geht das Gerücht, sie sei weit über 60. Das lässt hoffen!

Über einer Kanadierin dreht das Pendel durch

Eine bunte Mischung von Menschen aus der ganzen Welt sitzt vor der Heilerin aus dem Land der aufgehenden Sonne. Unter ihnen eine ältere elastische Dame aus England, die bereits total entspannt scheint. Mit geschlossenen Augen sitzt sie da, als wüsste sie über die Methode mehr als unsere Expertin.

Anzeige

Neben ihr ein Herr aus Genf, der dem guten Leben für ein paar Tage entsagen will und freiwillig auf Wein und Fleisch verzichtet, um etwas länger feiern zu können, in seinem echten Leben, das nach dem Kamalaya-Zwischenstopp wieder auf ihn wartet.

Ein junges Hippie-Pärchen auf der Durchreise zu noch mehr Erleuchtung, vielleicht in Indien oder auf Bali; eine Mutter mit Tochter aus Kanada, bevor die 25-Jährige ohne Mutti weiterzieht zu einer luxusfreien Yogalehrer-Ausbildung auf der Nachbarinsel.

Miho fordert jeden auf, einen Stein in die Hand zu nehmen, dann noch einen und hinterher müssen wir sagen, was sich anders angefühlt hat.

Ein Stein ist kantiger, einer runder, ob das schon was aussagt über meinen Zustand? Mehr gibt Miho leider nicht preis, dafür müsste ich die 60-minütige Session für rund 75 Dollar bei ihr buchen. Aber für das Geld kaufe ich mir lieber ein Jade-Fußkettchen und beschäftige mich mit dem kleinen Taschenpendel, das so elegant zwischen Mihos langen Fingern hin- und herschaukelt.

Auf Nachfrage wird uns das Verfahren an einem ausgewählten Medium vorgeführt. Wir können zuschauen, wie das silberne Pendel an einigen Stellen über dem Körper der kanadischen Mutter schier durchdreht und wild wirbelt.

Oder bewegen sich doch nur die Muskeln in Mihos Arm? Ohne gleich eine ganze Stunde buchen zu müssen, erfahren wir, was es bedeutet, dieses irre Drehen über dem Kopf der guten Frau.

Sie denke zu viel, so die lapidare Erklärung der japanischen Heilerin. Was mich sofort dazu bringt, das Denken einzustellen und früh ins Bett zu gehen.

Tanz-Yoga und Weinen bei Wayne

Anzeige

Bei der Einführung ins Dancing Yoga sind wir nur vier Frauen, die Männer haben offenbar wegen des fehlenden Alkohols oder kräftezehrendem Personal-Training ihre Lust aufs Tanzen verloren.

Clair, unsere australische Vortänzerin mit langen blonden Feenhaaren und traurigem Blick, will unser göttliches Potenzial heben. Mich erinnert die Stunde an expressiven Improvisationstanz, aber wenn es denn hilft, reibe ich mich eben zu hawaiianischen Klängen am Rücken der Mittänzerin. Das ist also Tanz-Yoga.

Als Nächstes steht eine Release-Sitzung mit Wayne auf dem Programm. Einem Heiler aus Neuseeland, der bei einer kleinen Umfrage unter meinen Mitreisenden das meiste Lob bekommt. Heulen und Zähneklappern würden bei ihm belohnt durch totale ... na was denn? ... nun ja, besser ginge es einem nachher, wenn man seinen Tränen richtig freien Lauf gelassen hätte.

Es ist vorher schwer vorstellbar, was ein komplett fremder Mensch mir so alles aus meinem eigenen Leben erzählt. Schleppt man wirklich all die Sorgen von Oma und Opa, Vater und Mutter und auch noch Onkel Heinrich und Tante Irmi mit sich herum?

Egal, ich lasse los. Nun sind sie alle weg – die Sorgen, einfach, weil es der Blondschopf mit den gesunden Apfelbäckchen so gesagt hat. Ruhe sanft, Tante Irmi und mit dir deine Sorgen.

Die Geräusche erinnern an einen Orgasmus

Von Problemen befreit, von denen ich vorher gar nichts wusste, und um fast 200 Dollar ärmer, verlasse ich nach rund zwei Stunden die Sitzung. Apropos Problemfreiheit: Hunger habe ich interessanterweise nicht. Mit genügend Detox-Wheatgrass-Shots versorgt, giftgrünem Grassaft in Schnapsgläsern, morgens und abends, kommt niemals der Punkt, an dem der Magen durchhängt.

Für die Entgiftungswilligen gilt absolute Fisch- und Fleischabstinenz, allen anderen wird empfohlen, sich mit 100 Gramm Fisch oder weißem Fleisch zufriedenzugeben. Für alle Bedürftigen gibt es auf den hinteren Seiten der Speisekarte die Möglichkeit, reguläre Portionen, rotes Fleisch und sogar Rotwein zu bestellen.

Trauen tun sich das mit dem Rotwein nur diejenigen, die damit kräftig provozieren wollen. Aber wer outet sich schon gern als total willensschwach und lasterhaft?

Also lasse ich den Gedanken an ein kühles Glas Rosé gleich wieder los und gehe zur Flowbreath-Einführung. Ein streng gescheitelter Herr mit Namen Stewart, Typ Woody Allen, macht uns bekannt mit unserem Atem.

Flowbreath soll uns in eine Art Trance versetzen, die Bewegungen und Geräusche, die wir alsbald machen, erinnern aber einfach nur an die Szene mit dem gespielten Orgasmus aus „Harry und Sally“ und bringen mich völlig aus dem Konzept. Nach fünf Minuten Hyperventilation ist auch der letzte Mitatmer kurz vor einer Ohnmacht und froh, wieder normal schnaufen zu können. Stewart verspricht uns rasche Fortschritte bei regelmäßigem Flowbreath-Training und empfiehlt seine Fern-Stunden per Skype.

Warum einen Heiler ans Bett stellen?

Ja, auch im Supermarkt der Heiler hat das Internet Einzug gehalten, denn Anthony, der am nächsten Abend Hypnotherapy und Theta Healing vorstellt, bietet ebenfalls – quasi als Lebensbegleitung – eine Skype-Beratung an. Seine Ausführungen über die Hilfestellung, die er einer jungen Frau gegeben hat, die Angst vor der Entbindung hatte, überzeugen mich allerdings nicht.

Hat nicht jede Frau Angst vor der Entbindung? Ich hatte das dreimal, meine Kinder sind trotzdem gesund auf die Welt gekommen und ich habe es überlebt. Warum also einen Heiler ans Bett stellen? Ich frage nicht mal nach seiner Skype-Adresse, obwohl wir hier sonst alle sehr höflich miteinander sind.

Am letzten Abend besuche ich Robert, den Architekten des Kamalaya. Er hat lange Jahre in Kambodscha und Nepal gelebt und seine Erinnerungen an diese Zeit in vielen Details im Hotel verarbeitet. Eine Backsteinwand mit kleinen Altaröffnungen auf der Tee-Terrasse oder Bäume, die ins Haus hineinwachsen, als nähme die Natur wieder Besitz von dem magischen Ort.

Auch sein Zuhause, oben auf dem Hügel, wirkt wie ein verwunschenes Baumhaus, bei dem knorrige Wurzeln durch das Badezimmer wuchern und ein riesiger Sandstein die Rückwand des Wohnzimmers bildet, inklusive eingebautem Wasserfall, wenn das Regenwasser einmal zu stark den Berg hinabströmt.

Alle fremden Hilfsmittel sind nur ein Placebo

Alles Staunen über das ungewöhnliche Bauwerk wird aber überstrahlt von einem Naturschauspiel, wie es einfacher und schöner nicht sein kann. Auf der Terrasse, auf der man zu schweben scheint, beobachte ich den Sonnenuntergang. Hier halte ich inne, genieße den Moment und lasse ihn im nächsten Moment los, denn es macht gar keinen Sinn, ihm nachzutrauern.

Sollte das vielleicht die Erkenntnis der vergangenen Woche sein? Ein Sonnenuntergang am Meer als Lösung für alle Probleme? Wofür dann Wayne und Miho und Clair und Stewart? Release und Pendeln, Flowbreath und Detox?

Die einfachste Erklärung ist wohl folgende: Es ist alles in uns, und alle fremden Hilfsmittel sind nur ein Placebo. Vielleicht brauchen wir sie, weil wir unserem eigenen Gefühl so wenig trauen.

Ich reise jedenfalls gut gelaunt ab und lasse mich nicht mal aus der Ruhe bringen, als ich am Flughafen von Koh Samui die Nachricht bekomme, dass mein Flug bereits gestern gestartet ist.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema