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Panorama John Doyle

Woran man die Deutschen sofort erkennen kann

Quelle: WDR/Herby Sachs/WDR_Herby_Sachs
Der amerikanische Hörfunkjournalist und Stand-up Comedian John Dolye lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Mittlerweile beschäftigt ihn das Thema Deutschwerdung auch beruflich. WELT ONLINE sprach mit dem Amerikaner über sein Leben in Deutschland und seine Eindrücke.

Einen Einbürgerungstest hat er noch nicht gemacht. Der Hörfunkjournalist und Stand-up Comedian John Doyle, 44, lebt seit 16 Jahren in Deutschland – und er ist stolz darauf, Amerikaner zu sein. Dabei beschäftigt ihn das Thema Deutschwerdung inzwischen auch beruflich. 2006 hat er für den WDR die vierteilige Dokumentation „I love Germany“ gedreht. Im Interview mit WELT ONLINE spricht er über die Begegnung mit der deutschen Kultur und die Tücken des Einbürgerungstests.

WELT ONLINE : Herr Doyle, der deutsche Maler Caspar David Friedrich malte auf einem seiner bekanntesten Bilder eine Landschaft auf der Ostseeinsel Rügen. Welches Motiv zeigt dieses Bild?

a) Kap Arkona

b) Den Kreidefelsen

c) Den Krähenbaum

John Doyle : Oh ... Oh ... Auf keinen Fall ist es c), das klingt komisch. Ich tippe mal auf b).

WELT ONLINE : Richtig geraten. Die Frage stammt aus dem Einbürgerungstest des hessischen Innenministeriums. Muss man so etwas wissen, um ein guter Deutscher zu werden?

John Doyle : Man muss es nicht wissen, aber es hilft. Man kann dann besserwisserisch durch die Gegend laufen und fremden Leuten zurufen: Ich wette, dass Sie nicht wissen, welches Motiv das berühmte Bild von Caspar David Friedrich zeigt...

WELT ONLINE : Bestimmt müssten da auch viele Deutsche passen. Sollten die im Umkehrschluss ausgebürgert werden ?

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John Doyle : Unbedingt. Allerdings würde ganz Deutschland dann wie Mecklenburg-Vorpommern aussehen, und ob man das will, weiß ich auch nicht.

WELT ONLINE : Was ist mit Kindern? In der vierteiligen Doku-Serie „I love Germany“ im WDR haben Sie sich im vergangenen Jahr mit der Deutschwerdung beschäftigt – und haben die ketzerische These aufgestellt: Kinder sind keine echten Deutschen.

John Doyle : Das stimmt, Kinder haben mit ihrer Deutschwerdung noch nicht abgeschlossen. Sie sind unordentlich und laut, und wenn sie nach Hause kommen, ziehen sie sich nicht die Schuhe aus.

WELT ONLINE : Kann man denn Deutschsein lernen wie eine Fremdsprache?

John Doyle : Ja, allerdings musst du es wirklich wollen und offen dafür sein – und akzeptieren, dass du am Anfang Fehler machst.

WELT ONLINE : Erzählen Sie doch mal von Ihrem schönsten Fauxpas.

John Doyle : O, wo soll ich da anfangen? Einmal wollte ein Spaziergänger von mir wissen, wie weit es noch bis zum nächsten Ausflugslokal ist. Ich habe ihn dann gefragt, ob sein Auto kaputt ist.

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WELT ONLINE : Er war beleidigt?

John Doyle : Nein, eher ein bisschen verwirrt. Dabei hatte ich es ja nicht böse gemeint. Amerika ist eine Nummer größer als Deutschland. Wir haben ein anderes Verständnis von Geographie. Es fängt schon damit an, dass es das Fach Erdkunde in der Schule gar nicht gibt. Die Lehrer sagen dir: „Das ist Amerika – und der Rest ist Frag-deine-Eltern.“

WELT ONLINE : Lernt man Fakten über Deutschland leichter, wenn man sich mit dem way of life identifiziert?

John Doyle : Auf jeden Fall. Als ich im Sommer 1991 nach Deutschland kam, ein verklemmter 28jähriger Junge aus New Jersey, fiel mir als erstes die viele nackte Haut auf. Diese Seite hat mir das Land sofort sympathisch gemacht. Inzwischen bin ich regelrecht ungehemmt - sagt jedenfalls meine Mutter.

WELT ONLINE : Haben Sie nach 16 Jahren in Deutschland das Gefühl, angekommen zu sein?

John Doyle : Ja, ich bin mit einer deutschen Frau verheiratet, wir haben ein Kind – das hat die Sache vereinfacht. Bewusst wird mir mein Deutschsein immer, wenn ich andere mit „Mahlzeit“ begrüße. Es ist ein herrliches Wort. Schade, dass es das noch nicht in den USA gibt. Es wäre der Hit. Die Amerikaner essen gerne und viel, schauen Sie mich an. Und ich stelle mir vor, wie sie sich pausenlos zurufen: „Eating time.“ „Oh, is it eating time already?“

WELT ONLINE : Woran erkennen Sie Deutsche im Ausland?

John Doyle : Die sehen meistens unglaublich ordentlich aus. Sie tragen ordentliches Schuhwerk, und die Männer stopfen das Hemd in die Hose. Die Jeans ist manchmal sogar gebügelt.

WELT ONLINE : Jetzt reicht es aber mit den Klischees.

John Doyle : Okay, ich verallgemeinere. Man kann eben nicht von den Deutschen sprechen. Ich lebe zum Beispiel in der Kölner Innenstadt, da ziehen sich die Menschen schon ganz anders an als am Stadtrand. Modischer – und zugleich urbaner. Auch im Ausland sind die Deutschen keine homogene Masse. Die Leute, die man in New York City trifft, treten auch ganz anders auf als die auf Mallorca.

WELT ONLINE : Gibt es nicht doch so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner?

John Doyle : Doch, an der Brille können Sie die Deutschen eben doch erkennen. Sie ist meistens viereckig, ihre Träger erscheinen unglaublich smart. Es ist so eine „Ich-bin-Überlebender-des-PISA-Tests-Brille oder eine Ich-bin-ein-Bruder-von-Wim-Wenders-Brille."

WELT ONLINE : Die viereckige Brille ist ein sichereres Indiz fürs Deutschsein als ein deutscher Pass?

John Doyle : Behaupte ich mal. Wer einen deutschen Pass hat, muss sich deswegen noch lange nicht deutsch fühlen. Es kommt darauf an, dass du die Sprache sprichst und Leute findest, mit denen du auf einer Wellenlänge liegst. Die Frage der Nationalität ist auf dem Weg der Integration eher ein Stolperstein.

WELT ONLINE : Sie tingeln mit ihrem Live-Programm „Thank you Deutschland“ durch die ganze Republik. In welchem Landstrich haben Sie die Klischees, die sich um das Deutschsein ranken, aufs Schönste bestätigt gefunden?

John Doyle : In Bayern. Das heißt aber nicht, dass die Leute dort deutscher wären als anderswo. Es verrät eher etwas über das Bild, das wir Amerika von Deutschland haben. Und da denken wir eben in erster Linie an Dirndl, Brezeln – und an BMW.

WELT ONLINE : Woher kommt das amerikanische Bild von Deutschland?

John Doyle : In erster Linie durch deutsche Exportschlager – wie zum Beispiel Autos. Die New York Times zum Beispiel wirbt für den neuen BMW als die „Ultimate Driving Machine“. Der Amerikaner denkt: Wow, das muss ein Land von Ingenieuren sein. Das Bild der Deutschen wird aber auch durch Filme über den Zweiten Weltkrieg und die Sitten und Gebräuche jüdischer Einwanderer geprägt ...

WELT ONLINE : ... aber nicht aus den Nachrichten. Was außerhalb Amerikas passiert, interessiert die Amerikaner nur peripher.

John Doyle : Das stimmt, als Helmut Kohl 1994 zum Bundeskanzler wiedergewählt wurde, war das den World-News nur einen

20sekündigen Hinweis Wert. Danach gab es einen fünfminütigen Beitrag zum Geburtstag von Fufu, dem New Yorker Pandabären.
WELT ONLINE : Warum denken Deutsche im Gegenzug bei Amerika an Übergewicht und Schadensersatzprozesse?
John Doyle : Ich glaube, jede Nation pickt sich die Stereotypen bei anderen heraus, die in der eigenen Kultur fehlen.
WELT ONLINE : Aber die McDonaldisierung hat doch kulturelle Unterschiede langsam verwischt.
John Doyle : Allerdings. Ich war gerade in Norderney im Urlaub – am FKK-Strand. Ich habe mich sofort wie zu Hause gefühlt. Es wimmelte vor schwabbeligen Kindern. Ich meine, ich bin selber nicht Brad Pitt, aber wenn man iiih aussieht, kann man sich doch etwas überziehen, oder?

WELT ONLINE : Auch die US-Behörden verlangen von Einbürgerungswilligen einen Test. Welcher Fragebogen ist schwerer, der amerikanische oder der deutsche?

John Doyle : Ich kenne den amerikanischen Test zwar nicht, habe mir aber sagen lassen, dass er leichter ist als der deutsche. Man muss einen guten „moral character“ und Grundwissen über die USA nachweisen. Ich schätze, mit dem Test verhält es sich so wie mit dem Führerschein: Der ist in Amerika idiotensicher.

WELT ONLINE : Wie müsste ein deutscher Fragebogen aussehen, der sich speziell an Amerikaner richtet?

John Doyle : Ich träume von der Frage: Was tun Sie, bevor Sie von Ihrer Schusswaffe Gebrauch machen?

a) Patronen kaufen
b) Einen Waffenschein beantrage
c) Die ganze Sache vergessen: Es gibt sowieso zu viele Waffen in Deutschland.

WELT ONLINE : Und, welche Antwort kreuzen Sie an?

John Doyle : Natürlich b). Jemanden ohne Waffenschein zu erschießen ist schlimmer als mit Waffenschein. Aber immer schön das Original aufbewahren.

Würden Sie den Einbürgerungstest bestehen? Testen Sie Ihr Wissen hier .

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