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Weißrussland

Kämpfen, auch wenn der Gegner Putin heißt

Von André Eichhofer, Kiew
Veröffentlicht am 11.02.2015Lesedauer: 4 Minuten
„Weißrussland wird niemals Teil Russlands sein“: Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko (M.) mit seinen Amtskollegen aus der Ukraine und Russland, Petro Poroschenko (r.) und Wladimir Putin
„Weißrussland wird niemals Teil Russlands sein“: Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko (M.) mit seinen Amtskollegen aus der Ukraine und Russland, Petro Poroschenko (r.) und Wladimir PutinQuelle: picture alliance / dpa

Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko fürchtet Putins Krieg, nimmt die Ukraine in Schutz und will die weißrussische Kultur stärken. Vor allem will er dabei eines schützen: sich und sein Amt.

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Der Mann mit dem Schnauzer ist bekannt für markige Sprüche. Mal wettert er gegen die Opposition, mal schimpft er auf Homosexuelle. „Es ist besser, ein Diktator zu sein als schwul“, sagte Alexander Lukaschenko einmal, an Guido Westerwelle gerichtet. Die neuesten Ausfälle des weißrussischen Präsidenten gelten nicht dem Westen, sondern Wladimir Putin. „Weißrussland wird niemals Teil Russlands sein“, sagte Lukaschenko kürzlich auf einer Pressekonferenz. „Ich werde niemals gegen den Westen kämpfen, um Russland zu gefallen.“

Fronten vor Minsker Friedenskonferenz verhärtet

Die diplomatischen Fronten sind verhärtet: Putin wirft dem ukrainischen Militär Strafaktionen vor, die gestoppt werden müssten. Die EU-Außenminister verzichteten auf neue Sanktionen gegen Russland.

In der Ukraine-Krise nimmt Lukaschenko das südliche Nachbarland massiv in Schutz. Weißrussland werde nicht zulassen, dass Bewaffnete die Ukraine von seinem Staatsgebiet aus angreifen, beteuert Lukaschenkos Botschafter in Kiew. Zum ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko pflegt Lukaschenko ein gutes Verhältnis. Lukaschenko glaubt, er könne das nächste Opfer des Kreml werden. Seine Macht aber will der Diktator um jeden Preis erhalten.

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„Lukaschenko handelt aus rein taktischen Motiven“, glaubt Jörg Forbrig, Weißrusslandexperte beim German Marshall Fund of the United States (GMFUS). Das 1972 von Willy Brandt gestiftete Institut soll die transatlantischen Beziehungen stärken und Demokratie in Osteuropa fördern. „Die Ukraine ist ein wichtiger Handelspartner für Weißrussland“, sagt Forbrig weiter. „Geht die Ukraine unter, reißt sie Weißrussland mit.“ Zudem fürchte Lukaschenko ein ähnliches Szenario wie in der Ukraine. „Das Land gehört zum ostslawischen Kulturraum und wird von Moskau als Einflussgebiet betrachtet“, erläutert Forbrig. „Lukaschenko erkennt die Risiken, die sich für ihn aus der Ukraine-Krise ergeben.“

Ich aber werde kämpfen, auch wenn der Gegner Putin heißt

Alexander Lukaschenko,Präsident Weißrusslands

Moskau sendet bereits Warnsignale nach Minsk. Der russische Thinktank Risi dringt darauf, Lukaschenko zu stürzen. Das Institut steht dem Kreml nahe und riet Putin im vergangenen Jahr, Truppen in die Ukraine zu schicken. „Die Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind nicht souverän, sondern das Ergebnis der Katastrophen von 1917 und 1991“, lautet die Weltsicht der Kreml-Strategen.

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Weißrussland habe sich auf einen gefährlichen Kurs begeben, warnen Abgeordnete der russischen Staatsduma. Und in der weißrussischen Stadt Witebsk sollen Kreml-Agenten im vergangenen Jahr russische Flaggen verteilt haben. „Putin testet, wie dort das Volk auf die Symbole reagiert“, sagt Experte Forbrig.

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Diese Zeichen hat Lukaschenko fein registriert. Anfang Februar unterzeichnete der Staatsführer ein Gesetz, das auf die hybride Kriegsführung Putins abzielt. Tauchen im Land Bewaffnete ohne Hoheitszeichen auf, so das Gesetz, werde der Kriegszustand ausgerufen. Die Ukraine habe nicht um die Krim gekämpft und deshalb die Halbinsel verloren. „Ich aber werde kämpfen, auch wenn der Gegner Putin heißt“, trommelt Lukaschenko.

Alexander Lukaschenko, von manchen liebevoll Väterchen genannt, regiert Weißrussland seit 1994 mit eiserner Hand. Oppositionelle wirft er ins Gefängnis, Demonstranten lässt er niederknüppeln und aufmüpfige Studenten vom Geheimdienst bespitzeln. Das Verhältnis des „letzten Diktators“, wie Lukaschenko in Europa genannt wird, zum Kreml war schon immer gespalten.

Moskaus ambivalentes Verhältnis

Denn Weißrussland ist von Russland wirtschaftlich abhängig. Einen Großteil der Einnahmen erwirtschaftet das Land mit dem Weiterverkauf von russischem Erdöl und Erdgas sowie mit dem Export von Maschinen nach Russland. Dadurch können Lebensstandard, Renten und Löhne auf einem relativ hohen Niveau gehalten werden. Im Gegenzug hat Lukaschenko das profitable Gastransportsystem des Landes an Gazprom verkauft. Dafür erhält Weißrussland Erdgas zum Vorzugspreis für rund 150 Dollar pro 1000 Kubikmeter.

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Weißrussland ist Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion, beteiligt sich jedoch nicht an Putins Importverbot von Lebensmitteln aus dem Westen. Bis vor Kurzem exportierte Weißrussland sogar westliche Lebensmittel nach Russland. Man kaufte norwegischen Lachs, salzte den Fisch und lieferte das in Weißrussland weiterverarbeitete Produkt nach Russland. Diesen Kuhhandel hat der Kreml gestoppt. Daraufhin startete Weißrussland Zollkontrollen an der russischen Grenze und drohte mit dem Austritt aus der Wirtschaftsunion.

Auch Moskau verhält sich gegenüber Lukaschenko ambivalent – je nachdem, wie es opportun erscheint. Mal macht sich der Kreml für Menschenrechte stark, mal umschmeichelt Moskau den Diktator. Zwischen 2008 und 2010 öffnete sich Weißrussland dem Westen, die EU nahm das Land in die Östliche Partnerschaft auf. Vor den Präsidentenwahlen 2010 kritisierten russische Medien den Diktator. Nachdem Lukaschenko die Wahl durch Betrug gewann, Proteste niederschlagen ließ und sich von der EU abwandte, verstummte die Kritik aus Moskau.

Wir müssen das Land derussifizieren

Alexander Lukaschenko,Präsident Weißrusslands

Im November will sich Lukaschenko erneut zur Wahl stellen. Seine Chancen stehen gut, auch ohne Betrug zu gewinnen. „Die Opposition ist schwach und zerstritten“, begründet Experte Forbrig. Lukaschenko aber fürchtet, von Putin abgesetzt zu werden. „Ich werde mich von Moskau nicht in Rente schicken lassen“, warnt Lukaschenko.

Die russische Medienmacht bringt sich bereits gegen den Diktator in Stellung. Der Westen plane einen Putsch in Weißrussland, behauptet der Sender REN-TV. Das Portal Sputnik bezeichnet weißrussische Oppositionelle als „Neonazis“ und nennt Lukaschenko einen „Opportunisten“.

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Unterdessen preist Lukaschenko die weißrussische Kultur. „Wir müssen das Land derussifizieren“, sagt der 60-Jährige. Die Mehrheit der Weißrussen spricht Russisch, nur 53 Prozent betrachten Weißrussisch als ihre Muttersprache. Auch die meisten Schulen unterrichten auf Russisch und behandeln Weißrussisch wie eine Fremdsprache. Das soll sich bald ändern. „Seine Kultur macht einen Weißrussen zu einem Weißrussen“, verkündet Lukaschenko. Nur eines ändert sich gewiss nicht: Zum Demokraten wird sich Väterchen Lukaschenko nicht wandeln.


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