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Ausland USA und Russland

Bidens neuer Kalter Krieg

Senator Joe Biden bei einem Russland-Besuch 1988 Senator Joe Biden bei einem Russland-Besuch 1988
Mit Andrej Gromyko: Senator Joe Biden (l.) bei einem Russland-Besuch 1988
Quelle: picture alliance/dpa
Wenn ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht, wird es für Moskau traditionell eher ungemütlich. Und nun tut es einer, der schon als Vizepräsident unter Obama mit Putin nicht warm wurde. Russland droht ein diplomatischer Teufelskreis.

Eigentlich sollte der Kreml sich auf Joe Biden freuen. Wie nur wenige andere aktive US-Politiker kennt er sich seit Jahrzehnten mit Moskaus Außenpolitik aus. Die Sowjetunion besuchte er bereits Anfang der 1970er-Jahre und machte sich 1979 als Teil einer US-Delegation für Rüstungskontrolle stark. Im sowjetischen Staatsfernsehen sagte der damals erst 37-jährige Senator Biden, der Besuch sei „konstruktiv“ gewesen und er bedauere, dass er so schnell wieder abreisen müsse. Auch dank Bidens Engagement wurde damals der Salt-II-Vertrag über nukleare Rüstungsbegrenzung vom US-Senat ratifiziert.

Auch später reiste Biden wieder nach Russland und traf dort im Jahr 1988 Andrej Gromyko, legendärer Sowjet-Außenminister und zu dieser Zeit russisches Staatsoberhaupt. Auf einem Bild der Begegnung lächelt Biden, sichtlich bemüht, ein Zeichen für Zusammenarbeit in einer schwierigen Beziehung zu setzen.

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Über drei Jahrzehnte später kann der Kreml mit solchen Bildern nicht rechnen. Ein hochrangiger Staatsbesuch in Moskau ist unwahrscheinlich, denn die bilateralen Beziehungen sind auf einem Tiefpunkt.

Tage nach dem Wahlsieg von Joe Biden hat Wladimir Putin dem gewählten Präsidenten der USA noch immer nicht gratuliert, anders als viele andere Staatschefs und Spitzenpolitiker, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Aus dem Kreml hieß es lediglich, man warte die offiziellen Ergebnisse ab und den Ausgang „rechtlicher Prozeduren“, die Trump angestrengt hat.

Die Skepsis der Russen ist verständlich. Selbst Donald Trump, dessen Wahl Moskau 2016 mit Geheimdienstoperationen unterstützte, brachte Russland trotz freundlicher Rhetorik immer weitere Sanktionen ein. Nun gibt es erst recht nichts zu feiern. Wenn ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht, wird es für Moskau traditionell eher ungemütlich. Und nun tut es einer, der schon als Vizepräsident unter Barack Obama mit Putin nicht warm wurde.

„Der Druck auf die russische Führung wird steigen“, glaubt der Moskauer Politologe Maxim Sutschkow. Washington werde unter Präsident Biden wieder zur wertegeleiteten Außenpolitik zurückfinden, sagt der Experte. Die Menschenrechts-Agenda der Amerikaner werde wieder wichtiger, genau wie der Kampf gegen Autokraten.

Angst vor zu viel Einmischung

Auf die unausweichlichen Vorwürfe wegen Menschenrechtsverstößen werde Moskau nicht die richtigen Antworten finden, glaubt Sutschkow. Stattdessen werde wahrscheinlich – aus Angst vor zu viel US-Einmischung in innere Angelegenheiten – der Druck auf russische Oppositionelle verstärkt. Das wiederum werde die kritische Position der USA nur bestätigen. Ein diplomatischer Teufelskreis also.

Bidens wahrscheinlicher Sicherheitsberater-Kandidat Tony Blinken bringt diese Stimmung in der künftigen Administration in einem Interview mit dem US-Sender CBS auf den Punkt. Es gehe um „koordinierte Sanktionen“ und das „Aufdecken von Korruption“. Mit dieser klaren Ansage hätte Putins engstes Umfeld – zu dem auch schwerreiche Oligarchen mit zweifelhaftem Ruf gehören – nun jeden Grund, um nervös zu werden. Mit Nachsicht darf der Kreml bei Blinken nicht rechnen. Nicht anders verhalte es sich mit Susan Rice, die als Bidens Außenministerin gehandelt wird, meint Sutschkow. Im Sommer vermutete Rice in einem Fernsehinterview gar, Moskau könne die Gewalt während der Black-Lives-Matter-Proteste durch verdeckte Kampagnen in sozialen Netzwerken angestachelt haben. Beweise legte sie allerdings nicht vor.

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Gewiss hat Biden selbst aus Moskaus Sicht einige Vorteile gegenüber Trump. Die Weltgemeinschaft, also auch der Kreml, könne mit einer weniger erratischen US-Außenpolitik rechnen. Der erfahrene Berufspolitiker Biden wird die bilateralen Beziehungen wieder professionalisieren, statt wie Trump beim Gipfel in Helsinki vor zwei Jahren auf Kontakte unter vier Augen zu vertrauen, die am Ende nichts bewirken.

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Dazu kommt: Biden hat ganz in Tradition seines Moskau-Besuchs 1979 angekündigt, das in drei Monaten auslaufende New-Start-Abkommen über strategische Nuklearwaffen ohne Vorbedingungen verlängern zu wollen. Auch beim Iran-Deal will Biden wieder einsteigen. Für Moskau wäre auch das eine gute Nachricht, da es den Deal mit ausgehandelt hatte und ein traditioneller Verbündeter Teherans ist.

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„Aber der Teufel steckt in den Details“, so Experte Sutschkow. Auch die vermeintlich guten Entwicklungen, mit denen Moskau rechnen könnte, hätten ihre negativen Seiten. So würde etwa die von Biden angedachte Verlängerung des New-Start-Abkommens fünf Jahre betragen. Das übertrifft zwar Putins jüngsten Vorschlag, das Abkommen bedingungslos um ein Jahr zu verlängern. Doch der Zeitraum wäre länger als die Regierungszeit des wahrscheinlich Eine-Amtszeit-Präsidenten Biden. Und die Zukunft des Vertrages läge damit im Ermessen seines Nachfolgers. Ein Unsicherheitsfaktor für Moskaus langfristige Pläne.

Für Russland stellt sich auch die Frage, wie die Zukunft des Deals in der Praxis konkret aussieht. „Die Iraner pochen auf die Rücknahme der Sanktionen, die unter Trump beschlossen wurden“, sagt Sutschkow. Doch das sei auch unter Biden unwahrscheinlich. Und ohnehin stehen im Iran im Sommer 2021 Präsidentschaftswahlen an. Wenn ein Hardliner gewinnt, dürfte der Iran weniger am Deal interessiert sein als heute, glaubt Sutschkow.

„Amerika ist zurück“

Während Donald Trump sich weiter an seine Macht klammert, beginnt Nachfolger Joe Biden bereits mit den Vorbereitungen für seine Präsidentschaft. Inzwischen hat er mit vielen wichtigen Regierungschefs gesprochen und eine bessere Zusammenarbeit angekündigt.

Quelle: WELT/ Max Seib

In direkter Nachbarschaft könnte es für den Kreml ebenfalls ungemütlich werden. Biden war als Vizepräsident unter Obama eng in die US-Politik gegenüber der Ukraine involviert, und zu dieser Politik dürfte er zurückkehren. Trumps Versuche, die bilateralen Beziehungen für innenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren – wie in der Affäre um angebliche Ukraine-Verstrickungen von Bidens Sohn Hunter –, werden der Vergangenheit angehören. Als wahrscheinlich gelten eine Vertiefung des bilateralen Programms in der Verteidigungspolitik und neue Militärhilfen.

Aus der Sicht Moskaus wird sich insgesamt aber wenig ändern, nimmt Politologe Sutschkow an. Auch Washington wisse, dass der Schlüssel für die friedliche Lösung des Donbass-Konfliktes in der Ostukraine in Moskau liege. Im Kreml glaube man allerdings, dass der Westen stattdessen auf Kiew Druck ausüben müsse. „Biden wird das nicht tun“, so Sutschkow.

Und Moskau wird in dieser Frage wohl nicht nachgeben, weshalb die Rückkehr der selbst erklärten Republiken in der Ostukraine unter die Kontrolle Kiews in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist.

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