Die Hilfsorganisation „Save Ukraine“ hat 17 Kinder, die von Russen auf die von Moskau annektierte Halbinsel Krim gebracht worden waren und monatelang von ihren Eltern getrennt waren, zurück nach Kiew geholt. Denys Saporoschenko etwa hat seinen Sohn mehr als fünf Monate lang nicht gesehen. Der Zehnjährige und seine beiden älteren Schwestern waren Anfang Oktober auf die Krim gekommen.
Die Familie lebte im südukrainischen Cherson, das damals von russischen Truppen besetzt war. Als sich in der Hafenstadt mit der ukrainischen Gegenoffensive heftige Kämpfe ankündigten, willigte der Vater ein, seine Kinder in ein angebliches russisches Ferienlager auf der Krim fernab des Krieges zu schicken.
Russische Beamte „versprachen, sie für ein oder zwei Wochen in dieses Lager zu schicken“, erzählt Saporoschenko. „Als wir merkten, dass wir das nicht hätten tun sollen, war es zu spät.“ Aus dem vermeintlichen kurzen Urlaub wurden Monate der Trennung. Zumindest habe er mit seinen Kindern telefonieren können, sagt der Vater.
„Manipulation und Erpressung“ – NGO-Anwältin prangert russisches Vorgehen an
Die Nichtregierungsorganisation „Save Ukraine“ setzte sich für die Rückkehr der Kinder ein. Die Organisation kämpft gegen die mutmaßliche Verschleppung ukrainischer Kinder in russisch kontrollierte Gebiete. Nach Angaben Kiews wurden seit der russischen Invasion mehr als 16.000 Minderjährige nach Russland deportiert, viele von ihnen sollen in Heimen und Pflegefamilien untergebracht worden sein.
Der Internationale Strafgerichtshof erließ vergangene Woche Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen unrechtmäßiger Deportation ukrainischer Kinder. Der Kreml bestreitet die Vorwürfe und behauptet, lediglich Kinder vor den Schrecken des Krieges zu retten.
Die russischen Behörden arbeiteten mit „Einschüchterung, Manipulation und Erpressung“, um sich der Kinder zu bemächtigen, sagt Myroslawa Chartschenko, Anwältin von „Save Ukraine“. „Sie sagen den Eltern, dass sie eine Stunde Zeit haben, um nachzudenken“ und machten ihnen Angst, vor „amerikanischen Söldnern, die die Kinder verprügeln und vergewaltigen werden“.
Bisher hätten sich die Eltern selbst auf die beschwerliche Suche nach ihren Kindern machen müssen, sagt die Juristin. Nun gelang es „Save Ukraine“ zum ersten Mal, eine Gruppe von Kindern gemeinsam zurückzubringen. Die Organisation mietete einen Bus und nahm einige Mütter mit. Da sie keine Erlaubnis bekamen, die Front in der Ostukraine zu passieren, mussten sie den Umweg über Polen, Belarus und Russland nehmen, um die Kinder auf der Krim abzuholen.
Einige der 17 Kinder berichten von politischer Indoktrination in dem Lager. „Wenn du die russische Nationalhymne nicht mitgesungen hast, musstest du aufschreiben, warum nicht. Und an Neujahr wurde uns Putins Rede gezeigt“, sagt die 15-jährige Taissia aus Cherson. „Alles war wie in normalen Lagern“, erzählt Saporoschenkos elfjährige Tochter Jana. „Aber wenn Inspektoren aus Moskau kamen, mussten wir singen und tanzen.“
Alle Kinder würden psychologisch betreut, versichert Anwältin Chartschenko. Und ihre Organisation tue „alles, damit die Kinder und ihre Eltern nicht in gefährliche Gebiete zurückkehren“.